Rathaus ratlos
Zu Beginn der Ratssitzung am 4. November, der zweiten nach der Kommunalwahl, ging es zu wie bei einem Stehempfang. Überall zwischen den Sitzreihen sammelten sich kleine Gruppen von Ratsmitgliedern und vertieften sich in fraktionsübergreifende Kleindebatten: CDU-Quertreiber Lothar Theodor Lemper plauderte mit Grünen-Chefin Barbara Moritz, die beiden jugendlichen SPD-Chefs Jochen Ott und Martin Börschel standen mit dem neuen CDU-Fraktionsvorsitzenden Herbert Gay beieinander, und selbst Ralph Sterck (FDP) und Jörg Frank (Grüne), die politisch eigentlich wenig verbindet, redeten lebhaft auf einander ein. Der Betrachter konnte den Eindruck bekommen, man habe der Einfachheit halber die laufenden Koalitionsgespräche in den Ratssaal verlegt.
Ende des Rechenspiels, aber was nun?
Dass inzwischen überhaupt von Koalitionsgesprächen die Rede sein kann, ist schon ein Fortschritt. Sechs Wochen dauerte das allgemeine Rechnen, Abklopfen, Debattieren nach den Wahlen vom 26. September, bis sich SPD und CDU dazu durchringen konnten, immerhin von den »Sondierungs-« zu den »Koalitionsgesprächen« überzugehen. Viel mehr scheinen die Verhandlungspartner aber noch nicht erreicht zu haben, eine gemeinsame Erklärung der »Sondierungskommissionen von CDU und SPD« teilte lediglich mit: »Es bestand Einvernehmen, dass die Erhaltung der Handlungsfähigkeit der Stadt oberstes Ziel aller Gespräche bleibt«.
Viel Konkretes zu entscheiden gab es also auch auf der zweiten Ratssitzung am 4. November nicht, und so wurde die Sitzung von einem anderen Thema bestimmt: dem Versuch der rechtsextremen Gruppe »Pro Köln«, die Sitzung mit Hilfe der Geschäftsordnung so weit wie möglich zu verzögern. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) hatte sich schon zu Beginn nicht an der allgemeinen Plauderrunde beteiligt, sondern war auf seinem erhöhten Platz mit seinem Mitarbeiter die Unterlagen durchgegangen. Denn er als Sitzungsleiter hatte in den nächsten Stunden die undankbare Aufgabe, vor allem die zahlreichen Wahlen zu den Ratsausschüssen über die Bühne zu bringen, für die »Pro Köln« pauschal geheime Abstimmung beantragt hatte.
Sechs Stunden später...
Nach knapp sechsstündiger Sitzung hielt der OB dann den Zeitpunkt für gekommen, auf das Verhalten der rechtsextremen Fraktion näher einzugehen. Die Abstimmungsrechte der Parlamentarier seien »eine historische Lehre aus den Zeiten des Nationalsozialismus«, sie dienten »der Demokratie und verdienen da-her unseren Respekt«, erklärte Schramma. Geheime Wahlen seien aber kein »Mittel der Verfahrensverschleppung oder der Sabotage effizienter Ratsarbeit« – und auch »kein Spielzeug, um andere zu ärgern«.
Zumindest die Tagesordnung der nächsten Ratssitzung am 25. November dürfte wieder kurz sein. SPD und CDU haben sich für ihre Koalitionsverhandlungen bis Mitte Dezember Zeit gegeben – und ob das reicht, weiß bisher niemand. »Ich habe schon immer unter Zielerfüllungsquoten gearbeitet«, erklärte Versicherungskaufmann und CDU-Fraktionschef Herbert Gey der StadtRevue, »wer keine Ziele hat, kann sie auch nicht erreichen«. Strahlender Optimismus klingt anders. In der CDU, so heißt es, gebe es immer noch große Vorbehalte gegen Rot-Schwarz, die Partei ist zerrissen. Anfang November wurde der umstrittene Lindenthaler CDU-Chef Richard Blömer gegen den Willen der Landes-CDU als Landtagskandidat nominiert – mit 146 zu 125 Stimmen.
Allerdings bleibt kaum eine Alternative zur großen Koalition. Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz sieht keine Chance mehr für eine Zusammenarbeit mit der Kölner SPD, die »rechtsliberale Positionen« vertrete. Außerdem sei die CDU »in einem desaströsen Zustand«. Auch die SPD lehnt ein Dreierbündnis mit den beiden ehemaligen schwarz-grünen Koalitionären ab. Die Grünen haben sich also fürs Erste mit der neuen Oppositionsrolle abgefunden – auch wenn Moritz sagt: »So ist das in Köln: Man weiß heute nicht, was morgen kommt.«
Aufgabe: Sparen
Angesichts der Haushaltslage wird eine künftige Koalition ohnehin wenig Spielraum haben. Der Regierungspräsident hat schon mitgeteilt, dass er auf einen noch strikteren Sparkurs achten wird. Bei dieser Ausssicht ist es verständlich, dass auch die SPD zurzeit viel Energie auf die Aufstellung ihrer Landtagskandidaten verwendet: Mit Martin Börschel und Jochen Ott wollen gleich beide Mitglieder des neuen Führungsteams der Kölner SPD nach Düsseldorf. Und SPD-Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes verzichtete erst kurzfristig auf eine Landtagskandidatur.
Anscheinend hat momentan niemand richtig Lust darauf, in Köln zu regieren.