Das Kreisen um sich selbst
Nachts arbeiten, Schlaf erst ab dem frühen Morgen, und dann bis in den Nachmittag. Das ist seit zwanzig Jahren der anstrengende Arbeitsrhythmus von Jürgen Domian, der beim WDR fünfmal in der Woche von eins bis zwei Uhr nachts mit Menschen am Telefon über ungewöhnliche Lebensschicksale plaudert. Wohl auch aus Gesundheitsgründen hat der Kölner für den nächsten Herbst das Ende dieses somnambulen Formats angekündigt.
Der Tod sei sein Lebensthema, so zitiert sich Domian zu Beginn dieser Dokumentation von Birgit Schulz selbst. Der Satz stammt aus seinem vor drei Jahren erschienenen, ebenfalls »Interview mit dem Tod« betitelten Buch. Dieses Buch bildet dann auch im weiteren Verlauf des Films den roten Faden. Dabei verbinden sich seine lebensphilosophischen Überlegungen über das Nichts mit der sehr offen erzählten Biografie eines Mannes, der sich aus eigener Kraft vom Volksschulklassen-Außenseiter zum Philosophie-Studenten hochkämpfte und durch die Lektüre von Feuerbach vom frommen Christen zeitweilig zum fanatischen Atheisten wurde. Visuelle Klammer ist der Ablauf einer der Fernsehaufzeichnungen, die der WDR seit 1995 parallel zur Radioausstrahlung ins Programm stellt.
Dazwischen montiert Regisseurin Birgit Schulz (»Die Anwälte«) fünf »Fälle« aus Sendungen der letzten Jahre, die für den Film aus der geschlossenen Medialität der Telefonberatung in die reale Lebenswelt der Protagonisten transportiert werden und ebenfalls um den Tod kreisen. Das sind unter anderem ein Telefonseelsorger, der am Hörer einen Suizid live miterlebte. Und ein Mann, der in seiner Jugend für ein paar Euro zum Mörder an seiner Nachbarin wurde. Oder eine Frau, die geschlagene einundvierzig Jahre bei ihrem gewalttätigen Ehemann blieb, bis dessen natürlicher Tod ihr endlich ein eigenständiges Leben ermöglichte.
Heftige, tendenziell sensationalistische Geschichten, wie sie aus der nächtlichen »Domian«-Welt vertraut sind — nur dass es hier auch ein Gesicht zur Stimme gibt. Wesentliches zum übergreifenden Thema haben sie aber kaum beizutragen, sie dienen wohl eher dazu, Domian-Afficionados auch im Film das intime Umfeld zu bieten. Der gesamte vom WDR koproduzierte Film scheint eher Werbeplattform und Sprachrohr des Nachttalkers als Auseinandersetzung mit ihm zu sein: Eine Weiterführung von Sendung und Buch mit filmischen Mitteln, die an keiner Stelle eine eigene Haltung oder reflektierende Distanz zu Figur oder Sendeformat spüren lässt.