Tickende Zeitbombe

 

Manuel Moser inszeniert in der Studiobühne mit »Angst« einen Pegida-Alptraum

Walter ist mittelalt, mittelgroß, hat ein mittleres Einkommen. Er lebt in der Vorstadt oder in der Stadt. Er hat eine Frau und zwei Kinder, mit denen er sich seine Altbau- oder Neubauwohnung teilt. Walter ist normal. Das alles erfahren wir, bevor »Angst — oder wie Walter zum Attentäter wurde« beginnt. Doch dann geschieht Seltsames. Auf einem Sessel drapiert Walter eine Deutschlandfahne, stellt eine Kamera auf und beginnt ein Bekennervideo. Er wird einen Anschlag verüben.

 

Manuel Mosers erste Inszenierung für Erwachsene — eine Koproduktion von ct.201 und der Studiobühne — fragt sich, wie aus einem Ottonormalbürger mit rechten Tendenzen eine echte Gefahr wird. Warum also die Bombe hochgeht. Dass Thema wirkt brandaktuell und wie ein Reflex auf die hochkochende Flüchtlingsdebatte. Zwar lag die Das-wird-man-doch-noch-sagen-dürfen-Haltung schon durch die Pegida-Bewegung in der Luft. Doch im Herbst 2015 hat die Realität das Theater durch Flüchtlingsansturm, Politikerhetze und eine deutlich steigende Zahl gewaltsamer Übergriffe aus dem rechten Spektrum wieder einmal überholt. Dabei arbeiten Manuel Moser und sein Team schon seit über einem Jahr an dem Text, der ursprünglich aus Improvisationen heraus entstanden ist. Zum vierköpfigen Ensemble aus Vater, Mutter, Tochter, Sohn (Sefa Küskü, Gerhard Roiß, Nadja Duesterberg, Jennifer Ewert) holt Moser noch einen Laienchor auf die Bühne, der aus Jugendlichen, Senioren, Männern und Frauen besteht. Ein Querschnitt der Gesellschaft.

 

Walter ist zwar als Unsympath angelegt, lachen darf man aber trotzdem. Etwa, wenn Walter im Bus einer jungen Frau mit migrantischem Aussehen nicht richtig zuhört. Während sie ihm ganz freundlich ihren Platz anbietet, wimmelt er sie ab und nuschelt, dass er ihr kein Geld geben wolle. 

 

Er wird als haltloser Mensch charakterisiert, dessen Familienleben nur noch eine Farce ist: Die Mutter, die sich im Schrank versteckt. Die Tochter, die schon lange ausgezogen ist, Drogen nimmt und herumhurt, wie sie selber sagt. Der Sohn, der linksextremem Gedankengut anhängt, um Walter zu provozieren: Die Bombe tickt. 

 

Manuel Moser entwirft in »Walter« den Archetypus des gutbürgerlichen Rassisten, dem vielleicht irgendwann die Hutschnur platzt, der sich nicht anders helfen kann, als seiner Machtlosigkeit durch einen letzten gewaltsamen Akt Gehör zu verschaffen.