Showdown am Ottoplatz
Da steht es nun, das »Köln Triangle«, und schaut über den Rhein. Ein 103 Meter hohes, an den Seiten abgerundetes Dreieck aus Beton mit vorgehängter Glasfassade. Ein renommierter »Ankermieter« ist gefunden, ab Sommer zieht auf drei Etagen die EU-Flugsicherungsbehörde EASA ein. Im obersten Stockwerk entsteht eine öffentlich zugängliche Plattform für den Blick über die Altstadt. Die Schäl Sick spielt Shanghai.
Sündenfall und Mahnmal
Im Vergleich zu den anderen kölschen Hochhäusern ist der Glasturm sicher nicht der übelste Entwurf. Ein Gruß an den architektonischen Zeitgeist, der auch in Frankfurt und anderen echten Skylines mithalten könnte. In Köln jedoch wird der Verwaltungsbau auf Jahre, wenn nicht auf Jahrzehnte die Höhenentwicklung der Innenstadt bestimmen: als Sündenfall und Mahnmal des republikweit dokumentierten Streits mit den Denkmalschützern der Unesco, welche die prägende Aura des Doms vom »Triangle« und vier weiteren Hochhausprojekten in Deutz massiv beeinträchtigt sehen. Nach wie vor droht dem Dom die Streichung aus dem Weltkulturerbe-Verzeichnis der Unesco.
Seit der ersten Auslobung des Städtebauwettwerbs »ICE-Terminal Köln-Deutz/Messe« im September 1999 gingen die Planer von Höhen bis zu 150 Metern aus. Und bis zum Dezember 2003, als das »Triangle«-Projekt schließlich den Rat passierte, glaubte offenbar die große Koalition der Bauwilligen (CDU plus OB Fritz Schramma, SPD, FDP), man könne die Warnungen der internationalen Geschmackspolizei irgendwie abbügeln. Uwe Vetterlein, Geschäftsführer der Industrie- und Handeskammer, glänzte dazu mit der Aussage, die Unesco-Diskussion sei zu vernachlässigen.
Wie verträglich ist »Rheinhattan«?
Dennoch fand im November 2003 ein 80.000 Euro teures Symposium statt, auf dem der Münchner Architekt Peter Eisenlauer eine sehr wohlwollende »Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung« präsentierte. Ergebnis: Der Deutzer Hochhaus-Kranz sei gar nicht so schlimm. Aus westlicher Sicht etwa wirkten »die Sünden der Vergangenheit« (Uni-Center, DKV-Zentrale) weitaus negativer für die Dom-Perspektive. Die ebenfalls anwesende Unesco zeigte sich allerdings wenig beeindruckt. »Köln braucht keine bipolare Stadtkrone«, befand kategorisch die Komitee-Delegierte Birgitta Ringbeck. Vier Jahre nach Planungsbeginn offenbarte sich ein grundsätzlicher Dissenz – zumal auch der Gestaltungsbeirat der Stadt und der Bund Deutscher Architekten (BDA) Stellung gegen »Rheinhattan« bezogen hatten.
Weitere 14 Monate später steht nun der Showdown am Deutzer Ottoplatz an. Den großen Krach will niemand mehr, der überregionale Imageverlust wäre zu groß. Die Reise von OB Schramma und Co. zum Welterbe-Komitee in Paris sollte das diplomatische Verhältnis zu den Denkmalschützern verbessern. Auch das »Höhenentwicklungs- konzept« für die linksrheinische Innenstadt, das endlich verbindliche Richtlinien für Neubauten ohne die üblichen Klüngeleien gewährleisten soll, wird man mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben. Doch Unesco-Sprecher Dieter Offenhäußer betont auf Anfrage der StadtRevue nochmals, dass es nicht ausreiche, die Planungen lediglich besser zu erklären.
Turmbau in der Sackgasse
Wenn der Dom nicht bei der Unesco-Tagung im Sommer 2005 endgültig von der erlauchten Liste fliegen soll, müssen Pufferzonen rings um die Kathedrale her – und das bedeutet »substantielle Änderungen im bestehenden Hochhauskonzept«. Auch NRW-Städtebauminister Michael Vesper (Grüne), der mittlerweile mitverhandelt, ließ verkünden, dass in Dom-Nähe nur noch in »verträglicher Höhe« gebaut werden dürfe. Zum Maß der Dinge soll ein weiteres Sichtachsengutachten werden, das diesmal das Land NRW beim Aachener Professor Kunibert Wachten in Auftrag gegeben hat. Auf dieser Basis sollen bis Ende Februar Lösungsvorschläge für die Unesco-Kommission entstehen.
Damit steckt die Kölner Stadtplanung in einer fatalen Situation: Beim »Triangle« hat man die Investoren-Wünsche durchgeboxt – nun müssen Opfer gebracht werden. Die Deutzer Modelle sind in der bisherigen Höhe kaum zu halten. Doch der bereits angedeutete Verzicht auf zwei der vier Hochhäuser würde das Ensemble sprengen. Andererseits steht überhaupt nur für ein weiteres Gebäude der nötige Investor bereit. Der Berliner Projektentwickler Joachim Tenkhoff zeigt sich auf Nachfrage zuversichtlich, Ende des Jahres mit dem Bau beginnen zu können. Schließlich hat er für den von Helmut Jahn entworfenen »Cologne One«-Turm bereits ein Grundstück direkt am Deutzer Bahnhof erworben.
»Köln Triangle« und »Cologne One« als Überlebende einer zu groß gedachten Rahmenplanung? Ein mögliches Torso-Gebilde, über das der Vorsitzende des Kölner BDA Christian Schaller nur schmunzeln kann: »Eine typische kölsche Paketlösung, die wie beim Kulturzentrum am Neumarkt oder bei den Bügelhäusern im Rheinauhafen in der Sackgasse endet. Jahrelange Debatten, und am Ende steht ein unbefriedigender Kompromiss. Beste Kölner Planungstradition also.«