Mattscheibe

Was ist nur los mit der Medienpolitik? Die Landesregierung streitet mit dem WDR, tv.nrw zeigt kaum NRW und in Köln sollen rasende Video-Reporter das Fernsehen retten

Sicher, auseinandergelebt hatten sie sich schon seit langem, die NRW-Landesregierung unter Ministerpräsident Peer Steinbrück und der große WDR, Platzhirsch auf den blühenden Medienlandschaften NRWs. Doch was bislang mit eher feinen verbalen Spitzen und latenten Bockigkeiten getan war, geriet zuletzt geradezu zum Kettensägen-Massaker der nordrhein-westfälischen Medienpolitik. In young-gifted-and-black-shades-Pose ließ sich die NRW-Staatssekretärin für Medien, Miriam Meckel, im Kölner Stadt-Anzeiger ablichten und gab sich anspielungsreich im Interview. Einsparungen im Programm des WDR halte sie für grundsätzlich falsch. Man solle nicht den Ast absägen, auf dem man sitze. Bereits jetzt, so Meckel, klagten die hiesigen Fernsehproduzenten über Knebelverträge. Ganz schön forsch, wieder mal, wenn auch nicht unbedingt die Ebene einer besonnenen Politik, die doch eher Rahmenbedingungen besorgt anstatt sich direkt in die Waden einzelner Akteure zu verbeißen. Und so war der Reigen eröffnet – judgment day zwischen Köln und Düsseldorf.

Schlechte Stimmung bei der Abrechnung

Knebelverträge für Produzenten, retournierte WDR-Fernsehsehdirektor Ulrich Deppendorf, »das hat der WDR nie getan, das wird er niemals tun.« Und war man hier noch im Detail unterwegs, gönnte sich WDR-Intendant Fritz Pleitgen gleich die Generalabrechnung. Unsinn seien die Appelle der Landesregierung. Man solle erstmal vor der eigenen Türe kehren. Das Scheitern der NRW Medien GmbH, die den Medienstandort NRW mindestens zu Weltruhm befördern sollte, das Abwandern der Popkomm und wohl auch des Musiksenders VIVA und nicht zuletzt die Pleite des Europäischen Medieninstituts – alles in allem müsse die NRW-Staatskanzlei unter Steinbrück eine grandiose Minus-Bilanz ziehen.

Dabei war die Stimmung beim WDR eh schon ruiniert. Sparen heißt die Devise der nächsten Jahre, und das macht bekanntlich schlechte Laune. Die Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk war deutlich geringer ausgefallen als angenommen, und hier hat sich eben vor allem Peer Steinbrück als Frontmann gegenüber ARD und ZDF in Szene gesetzt. Aber schlimmer noch: Steinbrück hatte sich nie so richtig für die Medienbranche interessiert. Zu sehr war das Segment von seinem Vorgänger Wolfgang Clement besetzt, der die Transformation des Landes von Coalmining zu Cool Media maßgeblich vorangetrieben hatte. Steinbrück hingegen widmete sich immer nur dann der Branche, wenn er sich kurzfristig Profilgewinn und Wählergunst versprach. Für ein eigenständiges medienpolitisches Konzept oder gar die Fürsorge für die Landessender war da weder Zeit noch Muße.
Einen Ausstieg, ätsch, erwägt der WDR zudem aus dem >medienforum.nrw, der Prestige-Veranstaltung der NRW-Staatskanzlei. Dabei will sich das Forum in diesem Jahr wieder mal neu positionieren – mit der Türkei als Partnerland und einer neuen Veranstaltungsstruktur. Ein öffentliches Streitgespräch zwischen Pleitgen und Steinbrück zum Auftakt der Veranstaltung, vielleicht auch ein zünftiges Armdrücken oder Wetttrinken, könnte zumindest bei den Besucherzahlen in diesem Jahr Wunder wirken.

Regionale Mängel

Auch nicht gerade ein Vorzeigeprojekt ist derzeit der private Regionalsender tv.nrw: Zu wenig lokal gefärbt sei das Programm des privaten Regionalsenders, monieren die Medienwächter der Landesanstalt für Medien NRW (LfM). Die derzeit 6,4 Prozent Anteil regionaler Berichterstattung am tv.nrw-Programm, wie ein Gutachten zuletzt hervorbrachte, seien zu wenig. Bereits seit Monaten und Jahren mahnen die Medienwächter den Sender, ohne jedoch Konsequenzen zu ziehen. Doch scheint es jetzt zum Showdown zu kommen. Sollten dem Versprechen von tv.nrw, mehr regionale Inhalte zu senden, bis Juni 2005 keine Taten folgen, so die Landesmedienanstalt, werde der Sender sein Vorrecht auf einen landesweiten Kabelplatz verlieren – und damit seine Existenzgrundlage.

»Emotiononalisierung des Nahraums« privat finanziert

Privates, werbefinanziertes Regionalfernsehen, das zeigen Erfahrungen in der ganzen Republik, ist hierzulande kaum profitabel zu betreiben – schon gar nicht, wenn es sich an journalistischen Grundsätzen orientieren muss. Und doch macht sich ein weiterer Player bereit. Bereits im März 2005 möchte die Kölner AZ Media AG mit einem neuen privaten Lokal-Sender für den Großraum Köln auf Sendung gehen. Die Lizenz ist bereits beantragt. Auch hier soll es ein landesweites Vollprogramm sein – allerdings mit ganz neuem Sendekonzept. »Wir werfen klassische Fernsehregeln weitgehend über Bord«, so AZ-Media-Chef Andre Zalbertus im Branchenmagazin kress. Emotionalisierung des Nahraums und intensive Bürgerbeteiligung laute das Programmkonzept, kostengünstig umgesetzt von Video-Journalisten und IT-basierter Sende-Technologie. Ein erfolgreiches Vorbild, der kanadische Sender CityTV, war bereits Ende der 80er auf Sendung gegangen. Mit Ein-Mann-Kamera-Teams, die die Stadt durchstreifen, einem gläsernen Sendezentrum und einer »Speaker’s Corner«, in der jeder Bürger auf Sendung gehen kann. Dazu proklamierte CityTV-Gründer Moses Znaimer seine Zehn Gebote des modernen Fernsehens. »The best TV tells me what happened to me, today«, so etwa das fünfte Gebot. Demnächst vielleicht auch in Köln.