Wie cool ist Deutschland

Quotenforderung, schicke Klamotten aus der Deutschland-Flagge, »deutscher Techno« – Konrad Feuerstein hat sich in der Kölner Popszene umgehört

Das Epizentrum der Deutsch-Pop und Radioquoten-Debatte ist – wie könnte es auch anders sein – Berlin, die Hauptstadt. Aber wie ist die Situation hier? Was sagen Kölner Repräsentanten der Popkultur zur derzeitigen Nationalisierungswelle? Nun, nichts nennenswert anderes als die Vertreter der jeweiligen Pop-Fraktion in Hamburg oder Berlin. Köln ist zu diesem Thema so repräsentativ wie jede andere deutsche Großstadt – mit weitgehend voneinander unbehelligt agierenden Fraktionen.

Quotenrocker und nationale Hipster

Zwei pop-nationalistische Großtrends lassen sich unterscheiden. Der eine ist die Forderung einer »Deutschrock-Quote« von vierzig Prozent fürs Radio, ausgehend von der Initiative »Musiker in eigener Sache«. Die vereint die Prominenz des inländischen Pop-Mainstreams: Udo Lindenberg, Frank Zander, Inga Humpe, Max Herre, Pur, Xavier Naidoo, der notorische Heinz Rudolf Kunze und 600 andere. Der Bundestag hat sich trotz Fürsprechern wie Antje Vollmer und Wolfgang Thierse fürs Erste gegen eine gesetzlich verbindliche Quote entschieden.
Der andere Trend ist der Versuch urbaner Youngster, klassischer deutsch-nationaler Symbolik die Hipness-Weihen zu verleihen. Vorangetrieben wird diese »kontroverse« Idee seit etwa drei Jahren vor allem vom Berliner Label R.O.T. (Respect Or Tolerate) und dessen bekanntester Band Mia. Und von der Kölner Modedesignerin Eva Gronbach, in den letzten Jahren bekannt geworden für ihre Kollektionen, die sehr offensiv deutsche Nationalsymbolik (Schwarz-Rot-Gold, Bundesadler) zur Geltung bringen.

Entspannte Mode: »neue deutsche Polizeiuniform«

»Nationalismus« sei das nicht, sagt Gronbach, überhaupt ist ihre Arbeit »nicht politisch«: »Ich mache Mode. Mode ist Ausdruck einer Gesellschaft.« Und die deutsche Gesellschaft ist nach Gronbach entspannt und multikulturell. Sie behauptet ein Ideal, gegen das nicht das Geringste einzuwenden ist, als Ist-Zustand: »Wenn der Reggae-Sänger Patrice meine Klamotten auf der Bühne anzieht – ein Junge, der eine Geschichte hat, für etwas steht und eine klare Aussage hat -, dann ist das wunderbar, das ist das neue Deutschland.« Sie beruft sich auf Punk und Provokation, nimmt für sich sogar in Anspruch, den Rechten die nationalen Symbole »wegzunehmen«, hat aber kein Problem mit der staatstragenden Qualität ihres Werks: Die aktuelle Gronbach-Kollektion ist ein Vorschlag für eine »neue deutsche Polizeiuniform«.

Kulturelle Identität als defensive Haltung

Für Eva Gronbach, die die zweite Hälfte der 90er Jahre in Paris, Brüssel und London verbrachte und sich dann entschlossen hat, nach Köln zurückzukehren, existiert immerhin die Differenz zwischen Zufälliges-Privileg-Genießen und Darauf-auch-noch-stolz-Sein: »Ich bin ein Mensch, der keinen Stolz in sich trägt. Stolz hat was sehr Angespanntes, Aufrechtes, wenn nicht sogar Offensives. Wenn ich von einer Liebe zu einer Identität spreche und sage ›Deutschland ist cool‹, dann ist das entspannt, zurückgelehnt und eher eine defensive Haltung. Ich bin dann eher bei mir. Was ich mache, hat sehr viel mit mir zu tun.« Bleibt die Frage, warum ihr Werk diese Differenz platt zu walzen scheint und warum sie sich schwer tut, sich eine »glaubhafte«, nicht »oberflächliche« kulturelle Identität ohne nationale Identifikation vorzustellen. Mit dem Problem allerdings steht sie nicht alleine da.

Nationalistische Allianz von linken Gutmenschen

Ein Kölner Musiker, der die Quotenforderung unterschrieben hat, ist Wolfgang Niedecken. Nach einigem Hin und Her über sein Management hat er sich entschlossen, keine Zeit für ein Kurzinterview zum Thema zu haben. Es wäre erhellend gewesen, zu erfahren, wie die Unterstützung der Quotenforderung sich mit seinem früher obligatorischen Antinationalismus verträgt. Man denke nur an das BAP-Stück »Denn mer sinn widder wer«, mit dem er 1990 die Folgen von Wiedervereinigung und Fußball-WM beschrieb: »Wo man auch hinsieht: Nur noch Deutschland / So penetrant, wie ich es noch nicht kannt’«. Heute ist offensichtlich, dass große Teile der von 1968 geprägten deutschen Linken die völkisch-tümelnde Ideologie kaum hinreichend reflektiert haben: Antisemitisimus, Antiamerikanismus, bizarre Natur- und Authentizitätsmythen sind auch auf der Linken verbreitet.
Ein amerikanischer Präsident, der Antiamerikanern den Gefallen tut, sich als einfaches Feindbild anzubieten, eine rot-grüne Regierung, die sich zur globalen Friedensmacht stilisiert und eine Wirtschaftslage, die auch bei gut gebetteten Kulturschaffenden Torschlusspanik erzeugt – das dürften Faktoren sein, die eine zur Deutschquote fest entschlossenen unheilige Allianz aus fast vergessenen Altrockern und poppig linken Gutmenschen enorm begünstigen. Noch vor knapp zehn Jahren standen Kunze und Ole Seelenmeyer, der Sprecher des Deutschen Rockmusikerverbands, der ungeniert von Deutschland als »besetztem Land« und von »kulturellem Genozid« sprach, mit ihrer Quotenforderung ziemlich allein da.

Keine Wegbereiter der Deutschtümelei

Wolfgang Voigt, Chef des Label-Vertriebs-Laden-Verbundes Kompakt und Godfather aller Kölner Qualitätstechno-Schulen, kann der Quotenidee nichts abgewinnen: »Meines Erachtens jammern oft die, die mit ihrer eigenen Musik über ihren bornierten, provinziellen Tellerrand nicht hinauskommen. Auch ehemals zu Recht populäre Musiker fangen irgendwann an, einem die Tasche voll zu heulen, weil ihr Sternchen gesunken ist, und schlagen dann laue Töne an, die zum Teil verwechselbar sind mit dem, was man aus der dumpfen rechten Ecke kennt.« Voigt gibt sich offensiv: »Wir bei Kompakt haben nicht gejammert oder nach einer Regulierung geschrieen, als es uns wirtschaftlich schlecht ging, und werden es erst recht nicht jetzt tun, wo es uns gut geht.«
Obwohl Voigt zumindest früher einen Hang zur schwermütig-deutschromantischen Emblematik hatte, zumindest wurde das seinen Projekten häufig unterstellt, sieht er sich nicht als Wegbereiter der Schwarz-Rot-Gold-Mode. Mia kennt er »nur vom Weghören«. Sein Interesse an einer »originär deutschen Popmusik« wurzelt in einer individuellen Geschichte und hat sich inzwischen erledigt: »Wir sehen Techno als Weltsprache, als globale Musik, die keinem bzw. allen gehört. Damit ist das Problem, als jemand, der zufällig in Deutschland geboren wurde, keine international relevante, unpeinliche Popmusik produzieren zu können, für mich gelöst.«

Deutsches Ego fürs Radio keine Qualitätssteigerung

Noch konsequenter spitzt es Thomas Mahmoud zu, Sänger der Kölner Postpunk-Bands Von Spar und Oliver Twist. Er vertritt einen ungeschmälerten Antinationalismus: »Bei dieser Quote geht es um national-ökonomische Interessen, nicht um eine Qualitätssteigerung im Radio. Bezeichnend, dass gerade die danach brüllen, die eh schon seit Jahren das Radioprogramm mit ihrer fiesen Musik besetzen. Überhaupt ist Deutschtümelei wieder en vogue. Das deutsche Ego will sich nicht mehr verstecken müssen, sondern mal wieder stolz sein dürfen – und stilisiert dafür die USA zum Übel dieser Welt.«


Mehr Texte zum Thema »Pop und Nationalismus« stehen in der aktuellen StadtRevue, die ab dem 27. Januar im Handel ist