Kölsche Tön

Grosse Emotionen, mit Abstand betrachtet

Wolke beschreiten den Weg der Reduktion

»Es ist wichtig, bei all den potenziellen Einflüssen, die auf einen einprasseln, den Abstand zu finden; den Moment, wo man sagt: Das ist alles geil, aber ich will jetzt mein eigenes Ding finden«, sagt Oliver Minck. Für ihn ist das nicht eine der üblichen Musikerphrasen. Oliver arbeitet als Musikjournalist, betreut normalerweise unsere Kolumne »Kölsche Tön«. Sein Brotjob besteht gerade darin, sich allen möglichen Einflüssen auszusetzen. Aber wenn es um Wolke geht, muss der Kopf frei sein.
Wolke ist die Band von Oliver und Benedikt Filleböck. Beide spielen seit 13 Jahren zusammen, haben seit ihrer Schülerband musikalisch alles zusammengemacht, meistens mit anderen, Wolke ist ganz ihr eigenes Ding: ein Duo, die kleinstmögliche Form der Band. Seit einem dreiviertel Jahr verzichten sie auch
live auf zusätzliche Unterstützung. »Wir machen Musik, die weniger rockt, sondern vor allem Zuhör-Musik ist«, führt Oliver aus. »Und die Frage ist, wie setzt man das live um? Zuerst dachten wir: Wir müssen unseren Sound aufblasen, lauter, dreckiger werden, haben einen Schlagzeuger hinzugenommen. Das war ein Trugschluss. Die Intensität unserer Songs entsteht durch Reduktion, das funktioniert auch live. Es hat halt länger gebraucht, bis wir dahinter gekommen sind.«
»Sus<caron>enky« heißt ihr erstes Album, sehr sparsam, sehr zurückgehalten. Oliver singt und spielt Bass, Benedikt Klavier, den spärlichen Rhythmus gibt eine analoge Beatbox vor. Es gibt viele Pausen zwischen den Akkorden. Dennoch ist die Musik nicht minimalistisch oder spröde. Oliver fixiert in seinen Texten emotionale Zustände von großer Intimität. Um darüber zu singen, muss man nüchtern sein, gefasst, präzise. Sonst wird es Kitsch.
»Wir folgen keinem Schema F, die Songs entstehen alle unterschiedlich«, erläutert Benedikt die Arbeitsweise. »Unser Vorteil ist nun mal, dass wir uns gut verstehen. Wenn wir unsere Ideen nicht gut finden, dann sagen wir uns das direkt. Das hört sich banal an, aber die Eitelkeiten von Leuten, die Musik machen, sind sehr groß. Man muss höllisch aufpassen, jemandem nicht zu nahe zu kommen. Aber das gibt es bei uns nicht, wir kennen uns fast schon zu gut.« Dieses »Problem« haben Wolke angemessen in den Griff bekommen. Ihre Musik klingt distanziert, aber es ist keine Distanz, geboren aus Unsicherheit, sondern eine höfliche, elegante.
Benedikt: »Die Rechnung ist eigentlich ganz einfach: Wenn man fast nichts hat, wirkt das, was man hat, umso wichtiger: Eine Note mehr, und der Song klingt anders.« Und Oliver ergänzt: »Wir sagen uns oft, in dem oder dem Teil eines Songs fehlt doch was! Aber am Ende kommen wir zu dem Schluss: Da muss noch mehr weg.«

Wolke, »Sus<caron>enky« erscheint am 29.3. auf Tapete/
Edel.