Der Feind in mir
Der mittlerweile 46-jährige Kevin Bacon zählt wohl zu den am meisten unterschätzen Schauspielern seiner Generation. Das mag daran liegen, dass er seinen Durchbruch in den 80er Jahren mit dem Teenie-Film »Footlose« hatte und danach als Charakterdarsteller häufig im Schatten berühmterer Kollegen agierte. Und: Bacon ist ein teamplayer, keiner, der sich mit seiner Darstellung in den Vordergrund drängt. Das gilt auch für »The Woodsman«, und das, obwohl er hier die vielleicht beste und reifeste Leistung seiner Karriere abliefert.
Bacon spielt den Pädophilen Walter, der nach zwölf Jahren Gefängnis versucht, in der Gesellschaft wieder Fuß zu fassen. Im Sägewerk, wo er einen Job angenommen hat, ahnt niemand etwas von seinen Neigungen; nur sein Vorgesetzter und seine Familie wissen Bescheid. Als jedoch die Wahrheit ans Tageslicht kommt, erfährt Walter mit aller Härte, was die Arbeitskollegen in ihm sehen: ein wertloses Stück Dreck – wie es Sergeant Lucas, der ein Auge auf ihn hat, einmal ausdrückt. So lebt Walter in permanenter Angst vor den Repressalien seiner Mitmenschen. Doch sein ärgster Feind ist er selbst, ist sein Trieb, der ihn auf Schritt und Tritt verfolgt. Wie Walter verzweifelt versucht, diese Seite seiner Persönlichkeit in den Griff zu bekommen – davon erzählt der Film.
Dabei vermeidet »The Woodsman« den im Kino vorherrschenden Gut-Böse-Antagonismus und zeigt stattdessen, wie sein Protagonist – ähnlich dem Kindermörder aus Fritz Langs »M« – im Spannungsfeld dieser beiden Pole gefangen ist. Darin liegt seine innere Tragik begründet: Im vollen Bewusstsein der moralischen Verwerflichkeit seiner Neigungen muss er immer wieder dagegen ankämpfen, stets im Ungewissen, ob er den Kampf je gewinnen wird.
Mit äußerst sparsamen Mitteln verkörpert Kevin Bacon diesen innerlich zerrissenen Charakter: Ein verstohlener Blick, eine knappe Geste – mehr braucht er nicht, um zu zeigen, was in Walter vor sich geht. Bereits seine Körperhaltung macht deutlich, welche Bürde die Figur mit sich herumträgt. Bacons nuancierter Darstellung ist es zu verdanken, dass wir wenn nicht unbedingt Sympathie, so doch Mitgefühl für diesen Getriebenen entwickeln. So differenziert der Film in der Zeichnung seiner Figuren ist, so sehr verweigert er sich einer psychologisierenden Erklärung für Walters Taten. Neben dem Verzicht auf einfache Lösungsangebote macht das die Stärke dieser eindringlichen Charakterstudie aus.
The Woodsman (dto) USA 04, R: Nicole Kassell D: Kevin Bacon, Kyra Sedgwick, Mos Def, Benjamin Bratt, 87 Min. Start: 5.5.