Bildschirmherrschaft
Viva bleibt – aber nein, nicht in Köln, wohl aber auf der Agenda. »Musik liegt in der Gruft«, wortspielte keck die taz und lud zum Podium in den Stadtgarten. Den Abzug des Pop-Senders Viva aus Köln galt es noch mal zu reflektieren. Die Stimmung, so der Tenor bei aktuellen wie ehemaligen Vivanern, habe sich geändert, als die Firma sich in eine Aktiengesellschaft verwandelt habe und die Quote zum Maß aller Dinge wurde. Es gehe eben gar nicht mehr um die Musik, sondern um deren Verwertung. Da man die harten Gesetze des Kapitalmarktes jetzt auf die Schnelle grad nicht außer Kraft setzen konnte, wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk in die Pflicht genommen. Gut zu Gesicht stünde es dem, das Kulturgut Popmusik im Fernsehen zu fördern, das im freien Spiel der Marktkräfte unterzugehen drohe. Nicht erschienen auf dem Podium waren die Konzernstrategen, und auch die NRW-Medienpolitik blieb fern. Nicht von ungefähr: Deren Engagement, Köln als Viva-Standort zu erhalten, hatte sich als merkwürdig kraftlos erwiesen. Zuletzt hatte man den Kahlschlag am Standort einfach schöngeredet. Und dennoch: Wahlkampf geht anders. So war man im Stadtgarten ganz unter sich und konnte sich zum Abgesang beherzt im Polit-Bashing üben.
30. Juni ist Stichtag für taz NRW
Dabei könnte es den Veranstaltern bald ebenso ergehen, denn ein Abgesang droht möglicherweise auch der taz NRW. Sollte das Blatt bis zum 30. Juni dieses Jahres an Rhein und Ruhr nicht 1000 zusätzliche Abonnenten hinzugewinnen, so taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch, stehe »die Existenz des Engagements für NRW auf dem Spiel«. Seit Dezember 2003 ist die Auflage in NRW um 1100 auf insgesamt 10.800 verkaufte Exemplare gestiegen. Außerdem habe das Blatt im Startjahr 2003 die geplanten 1,2 Million Euro für ihre NRW-Redaktion einwerben können. Aber im vergangenen Jahr seien von den weiter eingeplanten Investitionsmitteln in Höhe von 2,4 Millionen Euro lediglich 520.000 Euro geflossen. NRW retten, taz abonnieren, heißt deshalb die Losung, um das zarte Pflänzchen alternativer Regionalberichterstattung am Rhein zu erhalten. Zuletzt schien das einst so ambitionierte taz-Regionalisierungskonzept schon ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein. Als publizistisches Produkt wurde es in der Berlin-Zentrale nur noch selten thematisiert und ist neben taz-Fahrrad und -Kaffee etc. nurmehr ein Projekt unter vielen. So mancher tazler in der Hauptstadt sieht das Projekt als ungeliebtes Anhängsel, das vor allem unbotmäßig Geld kostet. Dennoch mag mit der Einstellung so richtig niemand rechnen. Näher läge da möglicherweise eine Verschlankung des Projekts, das derzeit noch von zwei Standorten aus in Köln und Bochum operiert.
medien-forum.nrw doch wieder in KoelnMesse
Ein einziger Standort soll es nun endlich werden für das medienforum.nrw, diesem in der Vergangenheit so versprengten wie prestigereichen internationalen Branchentreff, der Anfang Juli zum Glanze des Medienstandorts NRW zum 17. Male stattfinden wird. Beinahe wäre alles ganz anders geworden, denn klammheimlich und abseits von Medienrummel und städtischem Klüngel entsteht derzeit in Köln ein neues Kongresszentrum mittlerer Größe, und zwar eines, das den Uncharme der leblosen Messe-Hangars für kleinere Veranstaltungen in Zukunft durchaus verzichtbar machen könnte. Expocenter Köln heißt das multifunktionale Veranstaltungszentrum, das die britische Expomedia-Gruppe am Gladbacher Wall zwischen Innerer Kanalstraße und Hansaring auf einem ehemaligen Bahngelände errichtet (www.expocentres.de). Nach der Insolvenz des Bauträgers Walter Bau konnten jedoch die Fristen für die Fertigstellung bis zum Sommer nicht garantiert werden. So ist es heuer doch wieder die KoelnMesse, die die mehreren tausend erwarteten Teilnehmer des medienforum.nrw aufnehmen soll, allerdings in neuen Räumen.
Histrio-Typen durch Fernsehkonsum
Mit dem diesjährigen Motto »Prinzip Verantwortung« liegt der Branchentreff voll im Trend. Nachdem jahrelang Markt und Marken das Kongresswesen bestimmten, wird jetzt auch wieder mal des Zuschauers gedacht. Höchste Eisenbahn, denn der Histrio geht um. Das ist lateinisch und bedeutet soviel wie Schauspieler, doch Medienpsychologen meinen mit Histrio-Typen Leute, die emotional aufdringlich und selbstdarstellerisch, kurzzeitig erregbar und leicht zu beeinflussen sind, verführungsbereit, aber auch sexuell in Not, zudem egozentrisch und labil – und das alles erzeugt durch Fernsehkonsum. Ein weiteres Thema: das Partnerland Türkei. EU-Beitrittsverhandlungen, interkulturelles Medienschaffen und die (integrative?) Rolle der türkische Medien in Deutschland – selten, so heißt es, habe es soviel (Kooperations-) Interesse im Vorfeld gegeben. Und last but not least ist auch der WDR wieder dabei. Nach dem öffentlichen Zerwürfnis von histriorischem Ausmaß mit der Landesregierung inklusive Medienforums-Boykott hat man sich jetzt doch wieder lieb und die Ausgelassenheit darob schlug sich auch gleich auf den Jargon durch: Eine »Bildschirmherrschaft« (Pressemeldung) des Senders für einen der Programmteile sei nun geplant. Wenn’s mal läuft, dann läuft es eben. (Programm unter www.medienforum.nrw.de).