Pommes sezieren
Früher gab es Experten. Die verfassten Rezensionen für überregionale Tageszeitungen oder Fachmagazine. Dann kam das Internet, und mit ihm die Food-Blogs und Bewertungsportale. Auf einmal konnte jeder mitreden. Man sollte das nicht nur als »Demokratisierung« begreifen — sondern zumindest auch als massenhafte Verbreitung von Halbwissen.
Mit all den neuen Burger-Buden hat sich dieser Trend noch verstärkt. So ein Hamburger — die Truckerkappe unter den Gastro-Erlebnissen — ist die Eintrittskarte in die Welt der Gastro-Kritik. Mit rund zehn Euro ist man dabei, und direkt geht’s los mit den Bewertungen, Vergleichen, Rankings. Drei Burgerbuden in einer Woche? — Zeitlich machbar und die Kosten halten sich im Rahmen. Persönliche Erlebnisse werden in epischer Breite ausgeleuchtet. Über diesen Eifer könnten Grandseigneurs der bundesdeutschen Gastro-Kritik wie Wolfram Siebeck oder Jürgen Dollase vergnügt sein, wenn es sich denn um kulinarisch Relevantes und nicht bloß um Fleischbrötchen mit Sonderaufbauten handelte. Doch in den Food-Blogs und auf den Portalen wird jedes Salatblatt und jede einzelne Fritte seziert (»daneben ein Friedhof schlaffer Pommes«) — als ginge es um Sterne-Küche. Zum Wichtigsten — in diesem Fall: dem Rindfleisch — wird selten Essentielles gesagt. Stattdessen wird Erlebnisberichten (»Der Zuständige war sehr frech!«) Allgemeingültigkeit verliehen — und die fröhliche Runde darf sich retrospektiv als Gourmet fühlen.
Offenbar geht es gar nicht so sehr darum, wie es schmeckt. Sondern darum, mit im Gespräch zu sein, wenn über neue Burger-Brutzler geredet und gestritten wird.
Amüsant zu lesen ist das, wenn die kritisierten Gastronomen die Nerven verlieren und antworten. Denn viele Burgerbudenbetreiber sind nicht nur markant tätowierte, robuste Originale — sondern auch erstaunlich dünnhäutig. Jeden Anflug von Kritik fegen sie aus den Kommentarspalten oder reagieren patzig. Fast wähnt man sich wie im weltberühmten Edel-Restaurant Tour d’Argent am linken Seine-Ufer. Dort soll ein Gast rausgeflogen sein, als er um Salz bat.