Zurück zur Herausforderung

Antonio De Luca plädiert für irritierende Musik

»Musik Wozu« — am Anfang des Solodebüts von Antonio De Luca steht der konfrontative Titel. Was will uns De Luca, den man als Mitglied der Kölner Band Colorists kennt, vermitteln? »Der Titel hat verschiedene Konnotationen«, führt er aus, »die Orte, die Menschen und die Schwierigkeiten, die mit Musik einhergehen: Was will man befriedigen? Eitelkeiten? Erwartungen?«

 

Die Rezeption ist nur ein Aspekt des Albumtitels. Der andere ist »die eigenartige Lage, in der man sich befindet. 2015 hat politisch alles überrollt. Es fällt einem schwer, sich vor sich selbst darin zu rechtfertigen, Kultur zu schaffen.« Deutlich wird dieses Hadern in einem Stück wie »Europa (in drei Akten)«, mit dem De Luca seinem dringlich gefühlten politischen Auftrag als Künstler nachkommt: »Man ist in der Verantwortung — zumindest ästhetisch — eine Position einzunehmen, die schwierig ist. Es geht nicht um Parolen, sondern um Herausforderung. Es gibt zu viel Angst vor irritierender Musik. Vieles wirkt auf mich Eskapistisch in dieser komplizierten Zeit. Aber da bin ich auch froh, dass Musik kein Essay ist und man sie sich als Zuhörer selbst drehen und wenden muss, um da einen Sinn heraus zu kristallisieren.«

 

Das Album besitzt nicht den Sound, von düsteren, pessimistischen Stücken wie »This will not revive your soul« über das streng formalistische »La Quiete (for Morton Feldman)« bis zu Stücken, die an Mark Hollis’ Soloalbum «The Color of Spring« erinnern, reicht das Spektrum. An weiteren konkreten musikalischen Referenzen fallen Musiker wie Nina Simone mit »all ihrer Wut«, der amerikanische Konzept-Jazzer Colin Stetson, dessen »Klangbollwerk« er neulich im Verbund mit Sarah Neufeld im Stadtgarten als »grandios« empfunden hat, sowie viel Musik des 20. Jahrhunderts von Komponisten wie Luigi Nono oder Michael Radulescu. Aber: »Ich liebe vor allem Olivier Messiaen«, bekräftigt De Luca enthusiastisch. Dessen achtsätziges Kammermusikwerk »Quatour pour la fin du temps« sei sehr wichtig für ihn, gerade wegen der Umstände der Entstehung — Messiaen schrieb das Quartett  als Insasse des Görlitzer Kriegsgefangenlagers, die Instrumentierung folgte den dort verfügbaren Musikern.

 

Das Album endet sehr bewusst mit »Ascending a Staircase«, einen im Kontrast zum sonstigen Material geradezu lebensbejahenden Song. »Mir wird oft privat gesagt, dass ich keine unbedingt positive Stimmung verbreite, mit dem Stück wollte ich etwas Euphorie als Geste schenken«, klärt De Luca auf. »Das Stück haben wir als letztes aufgenommen, das zu schreiben musste ganz schnell gehen.«