die medienkolumne
Freuen wir uns ohne Neid für den Südwesten: Das SWR-Fernsehen konnte 2015 seinen Marktanteil zum dritten Mal in Folge auf nun sieben Prozent steigern. Das Erfolgsgeheimnis: weniger Erstausstrahlungen, mehr Wiederholungen. Kostet nix, bringt Quote. Alchemie durch Arithmetik! WDR-Intendant Tom Buhrow muss sich gar nicht grämen, wenn er weitere Einschnitte im Programm vornehmen muss, weil ihm Werbeeinnahmen verloren gehen — das gerade vom Landtag novellierte WDR-Gesetz lässt nur noch 75 Werbeminuten pro Tag im Radio zu. Buhrow könnte doch bei Funkhaus Europa sämtliche Musik-Spezialsendungen wie Globalista, 5 Planeten, Soulfood, Balkanizer, Mestizo FM, Indigo, Beat the Night, DJ Edu Show und World Live abschaffen. An ihre Stelle könnten Wiederholungen treten. Nur eine kühne Idee des Watchdog? Mitnichten, die WDR-Programmreform sieht sogar die Abschaffung von 17 Formaten bei dem interkulturellen Sender vor. Wird dieses Potenzial der Programmabschaffung nach dem SWR-Prinzip genutzt, steht eine einzigartige Erfolgsgeschichte ins Funkhaus.
Gibt es ihn nun, den redaktionellen Schießbefehl von ganz oben in den öffentlich-rechtlichen Anstalten? Also die Order, nicht die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung samt Kanzlerin zu dissen? Im Januar hatte eine freie Mitarbeiterin des WDR dem niederländischen Radiosender L1 erzählt, sie und ihre Kolleginnen und Kollegen seien angehalten, »ausschließlich pro Regierung zu berichten«. Diese Anweisung, die an Erdo?ans oder Putins oder Orbáns feuchte Träume vom Staatsfunk denken lässt, sei »von mehreren Ausschüssen« gekommen. Dass keiner benannt wurde und auch keine Namen fielen, passt in die Verschwörungswolke, die seit geraumer Zeit über den Redaktionsstuben der Republik hängt, in der gleichgeschaltete Pinocchios eine Lüge nach der anderen in die Schreibmaschine hauen. Immer pro Asyl und contra »die Wahrheit«. Der WDR war entsetzt und widersprach, auch über Flüchtlinge werde »ausgewogen und unabhängig« berichtet. Wenig später meldete sich die Mitarbeiterin wieder über den WDR zu Wort und dementierte sich selbst: Unter dem Druck der Live-Situation habe sie »totalen Quatsch« verzapft, »ungeheuer peinlich« sei ihr das. Nie sei sie aufgefordert worden, tendenziös zu berichten »oder einen Bericht in eine bestimmte Richtung zuzuspitzen.«
Es gibt Dementis, die noch verheerender sind als das, was sie dementieren sollen. Der ehemalige Moderator der ZDF-Kultursendung »aspekte« Wolfgang Herles erzählte im Deutschlandfunk von »Anweisungen von oben«, schriftlichen gar, im ZDF so zu berichten, »dass es Europa und dem Gemeinwohl dient. Und (…) wie es der Frau Merkel gefällt.« Blogger ermittelten, von welcher Anweisung die Rede war: dem Rundfunkstaatsvertrag. Er verpflichtet die öffentlich-rechtlichen Sender auf das Grundgesetz. Nun ja, hier kann es tatsächlich im Einzelfall zu Überschneidungen mit der Bundeskanzlerin kommen, wenn auch sie das Grundgesetz beachtet. Auch Herles dementierte dann vehement, dass es Anweisungen von oben gebe: »Da ist nichts von oben befohlen.« Wozu also die so bizarren argumentativen Pirouetten in gleich mehreren Interviews? Man ahnt es, wenn man Buchhandlungen betritt. Dort liegt gerade das brandneue Buch des Ex-Moderators aus.