Domumgebung ist überall

Die neu entdeckte Sorge um das Kölner Zentrum verdeckt, dass die Probleme dort nicht angegangen werden

 

Der Kölner zerstört, was er liebt. Übertrieben? Zumindest muss man fragen, was das für eine Liebe sei. Fürsorglich ist sie nicht. Man gucke nur mal, wie die penetrant besungenen Natur- und Kunstdenkmäler Rhein und Dom behandelt werden. 

 

Dass die Stadtspitze nun den Dom und sein Umfeld in den Blick nimmt, kann nicht verkehrt sein. Es stimmt: Der Dom steht im Chaos von Geschmacklosigkeit und verfehlter Stadt-planung — jedoch seit mehr als anderthalb Jahrhunderten. 1857 wurde der Botanische Garten am Dom geopfert, um den heutigen Hauptbahnhof zu errichten. Eine säkulare Kathedrale der Industrialisierung, deren Weihrauch der Dampf der Lokomotiven war. Seitdem Dom und Bahnhof vis-à-vis stehen — noch mehr aber, seit hinter dem Dom lieblose Shopping-Schneisen geschlagen wurden —  darf man sich nicht wundern, dass das Umfeld würdelos erscheint. 

 

Was sich heute rund um den Dom zeigt, ist dabei nur der vorläufige Höhepunkt zunehmender Eventisierung und Kommerzialisierung Kölns. Dabei offenbart sich, dass die bisherige Planung bloß kaschierendes Stückwerk anzubieten hat: Die Umgestaltung der Ostseite des Domes lindert das Tunnel-Wirrwarr kaum und am Heinrich-Böll-Platz werden weiterhin Touristen verscheucht, weil sie auf der Platzmitte die Proben und Konzerte der Philharmonie darunter stören; und solange entlang des Doms der Autoverkehr tost, wird sich hier atmosphärisch nichts ändern. Die geplante »Historische Mitte« mit neuem Stadtmuseum an der Südseite — eine Mega-Baustelle, die zehn Jahre dauern und mindestens 160 Mio. Euro kosten wird — wird die Probleme nur verschärfen, selbst wenn es besser liefe als bei der Oper. Noch mehr Zentralisierung, noch mehr Ballung.

 

Wo bleiben die kleinen, guten Ideen? Wie zum Hohn, wurden uns vor kurzem die neuen digitalen Werbetafeln als Verbesserung verkauft. Wo bleibt stattdessen die Entrümpelung des öffentlichen Raums? Wann wird das Gestaltungshandbuch umgesetzt? Und wo wird eigentlich das Rheinufer aufgewertet? Fällt uns mehr ein, als eine monumentale Treppe in Deutz?

 

Die neuerliche Debatte um das Dom-Umfeld verstellt auch den Blick auf die Stadtteile. Denn dort weicht die neu entdeckte baukulturelle Sorge schnödem Pragmatismus. Jüngstes Beispiel: In Porz will man den Marktplatz mit einem »City-Center« zubauen, und etikettiert das als »Revitalisierung«. 

 

Es mag angebracht sein, sich rund um den Dom für den Besuch aus anderen Städten und Ländern herauszuputzen. Aber es ist auch geboten, an die Menschen zu denken, die hier wohnen und nicht nach durchschnittlich 1,7 Tagen wieder abreisen.