In allen Abspielgeschwindigkeiten
Rund um den Kleinen Griechenmarkt gibt es nichts, was zum längeren Verweilen einlädt. Fast nichts. Denn seit fünf Jahren befindet sich hier die Firma a-Musik – Plattenladen, Vertrieb, Schaltzentrale. Der Umzug aus dem damals schwer angesagten Belgischen Viertel in die Kleinbürgerlichkeit war riskant, hat sich aber laut Betreiber Georg Odijk ausgezahlt: »Wir haben einfach mehr Platz hier. In den alten Räumen wurde es zu eng. Ständig kamen Leute, die den exzellenten Ruf der Kölner Elektronik-Szene kannten, ein Paradies erwarteten und unser Kämmerlein sehr merkwürdig fanden«. So war das damals: a-Musik residierte in einem Keller.
Männer-WG am Brüsseler Platz
1995 waren die drei Freunde Georg Odijk, Jan Werner (Mouse on Mars, Microstoria) und Marcus Schmickler (Pluramon, Wabi Sabi) an den Brüsseler Platz in eine Souterrain-WG gezogen. Odijk war Betreiber eines Mailorders, trotz der Enge in der gemeinsamen Wohnung bot sich zur Neuen Maastrichter hin ein kleiner Plattenladen an. Die Gründung des Ladens a-Musik war mehr oder weniger Zufall, weit entfernt von jeglicher Positionierungsstrategie. »Hätten wir damals eine dieser Hallen in Mülheim bezogen, wäre alles anders gekommen«, lacht Odijk. Doch nun war man im Belgischen gelandet, zu der Zeit auch musikalisch das Viertel Kölns. Hier gab es vier Plattenläden, neben a-Musik noch Formic, Groove Attack und Kompakt, die Wege waren kurz, auch für die Künstler.
Medieninteresse am Sound of Cologne
Es war eine produktive Zeit. Labels wurden gegründet – Sonig, Staubgold, Karaoke Kalk, Tomlab, die Kompakt-Familie, das von der EMI reaktivierte Harvest-Label – Netzwerke geschaffen, Festplatten voller Tracks auf CD veröffentlicht. a-Musik war ein wichtiger Baustein diese musikalischen Tempels. Das Interesse der Medien am »Sound of Cologne« war gigantisch, das britische Avantgarde-Magazin Wire, immer auf der Suche nach den Nachfolgern von Can und Kraftwerk, widmete dem Kölner Phänomen im Mai 1997 eine Titelstory. Odijk hatte sein eigenes Label bereits 1996 ins Leben gerufen und zugleich über eigene Vertriebsstrukturen nachgedacht, damit »meine Platten auch woanders als in meinem Laden stehen«. Lange gepflegte internationale Kontakte waren hilfreich, der neu geschaffene Vertrieb entwickelte sich ökonomisch zufriedenstellend. Der Laden alleine hätte nicht genügend abgeworfen. Tut er bis zum heutigen Tag nicht.
Exportschlager Mouse on Mars
An einem gewöhnlichen Mittwochnachmittag ist einiges los bei a-Musik: Zwei italienische Touristen sind auf der Suche nach Krautrock und Stockhausen, an der Theke werden neue CDs begutachtet. Frank Dommert, Betreiber der Label Entenpfuhl (seit 1987) und Sonig (seit 1997) und ein alter Schulfreund Odijks, steht hinter dem Tresen. Zweimal in der Woche tut er das, Labelarbeit allein macht nicht reich, trotz eines Exportschlagers wie Mouse on Mars. Ansonsten ist Wolfgang Brauneis, Kunsthistoriker und Betreiber des Künstlerplatten-Labels Eventuell, der einzige Vollzeitangestellte des Betriebes. Anders als Kompakt, das sich zum mittelständischen Unternehmen etabliert hat, ist a-Musik im Prinzip die kleine Subsistenz-Klitsche an der Ecke geblieben.
30.000 Artikel werden gelistet
Mit einem unglaublichen, bundesweit einzigartigen Sortiment: alle abseitigen Stile, aus allen Kontinenten, in allen Formaten, in sämtlichen Abspielgeschwindigkeiten. Italienischer Free Jazz, russische Electronica, japanischer Lärm obskure gebrannte CDs aus Neuseeland, britischer Post-Industrial, Fluxusanthologien in dekorativer Pappbox, limitiert auf 99 Exemplare, Field Recordings aus Grönland und Chicago. Sammlerstücke stehen neben Alltagsmusik. Nur der gemeinen Techno-Maxi, auch die gibt es im Laden, ist der Umzug nicht richtig bekommen, »hier in der Gegend gibt es nicht genügend Laufpublikum«. Dem sonstigen Repertoire habe der Umzug gut getan: »Die Kunden kommen spezifischer, wissen, was sie erwarten können und was eben nicht«. Klassische Bestseller gibt es nicht, im Gegensatz zu früher. »1996/97 habe ich etwa die Rather-Interesting-Reihe von Atom Heart gut verkauft, heutzutage gibt es selten eine Platte, von der ich mehr als fünf bis zehn Exemplare verkaufe. Man muss einfach einsehen, dass sich für gewisse Aufnahmen genau 25 Leute interessieren. Bundesweit«.
Die Homepage listet rund 30.000 Artikel. Kann irgendjemand diesen gigantischen Fundus noch überblicken? Odijk muss lachen: »Sicher gibt es irgendwelche Kassetten, die hier seit zehn Jahren irgendwo rumfliegen. Da kann man nur hoffen, dass die niemand bestellt.«
Die Lage für Zwischentöne wird schwieriger
Die aktuellen Entwicklungen insbesondere in der Kölner Techno-Szene hat Odijk ziemlich aus den Augen verloren. »Dieses Sound-of-Cologne-Ding zog sich ja wie Kaugummi, da durfte nach Jahren der Praktikant bei der Deutschen Welle auch noch mal ein Feature drüber machen. Das reitet sich tot. Ich kann auch mit Lokalpatriotismus nicht viel anfangen. Musik aus Köln war für mich nie ein relevantes Label.«
Die letzten zehn Jahre waren gute Zeiten. Man saß am Brüsseler Platz, trank Dosenbier und verkaufte fast nebenbei die Erstauflage der neuen CDs von Marcus Schmickler, C-Schulz, Fx Randomiz oder Schlammpeitziger en gros nach Japan. Na ja, so ungefähr. Die Lage ist allgemein schwieriger geworden, erst recht für die Zwischentöne. »Durchhalten«, gibt Odijk dann auch als Parole für die Zukunft aus, »weitermachen«. Und er hat einen Wunsch: Dass für ein halbes Jahr mal gar nichts erscheinen möge, keine einzige Single. Das böte ihm und seinen Kunden die Möglichkeit, das a-Musik-Universum mal richtig in Ruhe durchzuforsten und dabei eventuell einen kleinen Hype loszutreten, mit dem niemand rechne. Mit einer Platte, die es vielleicht seit Jahren gibt.
a-Musik feiert während der c/o pop am 26. und 27.8. ab 16 Uhr im Laden (Kleiner Griechenmark 28-30) mit vielen musikalischen Gästen.
Am 27.8. findet während der c/o-pop-Deutschlandreise eine a-Musik-Clubnacht im Bluenote mit Hrvatski statt.