Stadt in Kauflaune
Das Spektakel um die Interimsspielstätte der Oper geht in die zweite Runde. Im September des vergangenen Jahres lieferten sich die Betreiber des Staatenhauses in Deutz und der MMC-Filmstudios in Ossendorf während einer Ratssitzung eine Bieterschlacht, wer günstigter sei. Nun steht eine Neuauflage ins Haus. Mit anderen Beteiligten, doch wieder geht es ums Geld.
Die Bühnen prüfen derzeit im Auftrag von Politik und Verwaltung, wo die Oper ab der Spielzeit 2017/2018 bis zur Wiedereröffnung des Hauses am Offenbachplatz unterkommen kann. Im Gespräch sei, so Patrick Wasserbauer, Geschäftsführende Direktor der Bühnen, nicht nur eine Verlängerung des Mietvertrages mit der BB Group, die das Staatenhaus betreibt. Auch MMC habe wieder ein Angebot abgegeben. Geprüft werde außerdem ein mobiler Bau auf dem Offenbachplatz sowie ein Zelt, wie es zuletzt die Brüsseler Oper genutzt hat. Und: das Palladium in Mülheim, das die Oper bereits von 2010 bis 2014 als Interim bespielt hat. »Das Palladium war damals eine zweite Spielstätte neben dem Offenbachplatz und dem Musical Dome«, so Patrick Wasserbauer.
Dass das Palladium, ein Veranstaltungszentrum für bis zu 4000 Besucher, plötzlich im Gespräch ist, hat mit einem Angebot zu tun, von dem die Politiker glauben, es nicht ungeprüft ablehnen zu können. Die derzeit als Halle für Popkonzerte genutzte Location gehört dem Immobilienmakler Bernd Odenthal, dem die erste Vermietung an die Stadt allerdings noch im Magen liegt. »Man kann eine Halle wie das Palladium nicht so lange vom Markt nehmen«, erklärt er. Das wolle er den Konzertveranstaltern nicht ein zweites Mal antun. Deshalb hat Odenthal der Stadt das Palladium, zu dem auch die benachbarte »Halle 490« gehört, zum Kauf angeboten. »Das Palladium steht nur zum Verkauf, nicht zur Anmietung«, betont Odenthal. Beide Hallen seien spielfertig eingerichtet und für rund 12 Mio. Euro zu haben. Odenthal verhehlt nicht sein wirtschaftliches Interesse, will aber der Stadt auch empfohlen haben, nicht nur Geld für die Interims-Anmietung rauszuwerfen, sondern Eigentum zu bilden. Der Immobilienmakler Odenthal ist bestens vernetzt und verfügt über ein umfangreiches Flächen-Portfolio, auch im Schanzenstraßen-Areal. Was auch immer der eigentliche Grund für sein Angebot sein mag, die Politik hat Verwaltung und Bühnen beauftragt, den Kauf des Palladiums in die Überlegungen für das Operninterim einzubeziehen.
Die Wünsche von Opern-Chefin Birgit Meyer sind klar: Ihr Trommelfeuer im vergangenen Jahr zugunsten des Staatenhauses in Deutz schrillt einem noch heute in den Ohren. Bühnen-Chef Patrick Wasserbauer sagt, dass die Oper im Palladium nur 60 bis 70 Abende spielen könne und eine zusätzliche Spielstätte brauche. Odenthals Kaufangebot würde sich durch diese »Nebenkosten« also erheblich verteuern. Zudem ist ungeklärt, was die Stadt mit den beiden Palladium-Hallen nach dem Operninterim anstellen sollte. Die Idee der Politik: Da das Schauspiel außer den Bühnen am Offenbachplatz auch unbedingt eine Spielstätte im Rechtsrheinischen behalten möchte, könnte das Palladium doch die Lösung sein.
Das Schauspiel trägt seine Verankerung in Mülheim derzeit wie eine Monstranz vor sich her. Das war anfangs anders. Erst als die Reaktionen auf seine Ästhetik zwiespältig ausfielen, hat Intendant Stefan Bachmann die Lage in Mülheim zum zentralen Identitätsfaktor seines Hauses gemacht. Stücke wie »Die Lücke« oder »Glaubenskämpfer« holen Mülheimer Bürger ins Haus, Projekte im Stadtraum sollen in das Viertel zurückwirken, man war Mit-Initiator des antirassistischen »Birlikte«-Festivals. Auch wenn sich die Bachmann-Truppe als Patenonkel der Keupstraße inszeniert, spricht Meral Sahin von der IG Keupstraße emphatisch von einem »Dialog auf Augenhöhe«. Man fühle sich endlich verstanden und sei in der Stadtgesellschaft angekommen. Sie sei schon jetzt traurig, wenn das Schauspiel an den Offenbachplatz zurückkehre, sagt die Sprecherin der IG Keupstraße.
Unbestritten ist, dass das Schauspiel mit vielen Projekten ein migrantisches Publikum angesprochen hat – und dass dem Schauspiel auch das bürgerliche Stammpublikum darin gefolgt ist. Nach einem Umzug an den Offenbachplatz dürfte das anders aussehen. Dann droht, falls die Mülheimer den Weg in die Innenstadt nicht finden, die Gefahr der Segregation zwischen linksrheinischem und rechtsrheinischem Theater, gerade weil Bachmann in Mülheim — darin liegt der Fluch der guten Tat — eine Spielstätte behalten und eine »Bürgerbühne« für Projekte mit Laien einrichten will. So steht es in einer Machbarkeitsstudie, die der Schauspielchef im Auftrag von Politik und Verwaltung zur Weiternutzung des Depots in Mülheim noch im Februar vorgestellt hat. Die mögliche Verpflanzung ins Palladium empfindet Bachmann nun offenbar als Affront: »Es geht nicht um Alternativen. Es geht um den speziellen Ort Depot, der aufgeladen ist mit Inhalten, mit Ideen, mit einer Vernetzung in den Stadtteil.« Die Frage einer dritten Spielstätte sei eine »absolut künstlerische Entscheidung« — also keine der Verwaltung oder der Politik.
Bachmanns Machbarkeitsstudie zum Depot sieht vor, zwei Probebühnen für das Schauspiel und ein Zentrallager für Kostüme, Requisiten, Möbel und Dekoration von Oper und Schauspiel im »Depot 1« einzurichten. Das »Depot 2« soll als Spielstätte für die Profis, das Foyer als Laienbühne genutzt werden. Der Umbau würde ein Jahr dauern und rund 6 Mio. Euro kosten. Ein Mietvertrag mit dem Eigner BEOS über eine 20-jährigen Laufzeit und zu einem Quadratmeterpreis von 5,20 Euro für 7600 Quadratmeter, also rund 470.000 Euro im Jahr, so Bühnen-Chef Patrick Wasserbauer, sei in einem Letter of Intent vereinbart — vorbehaltlich der Zustimmung des Rates. Doch weil die Politik nun das Palladium ins Spiel gebracht hat, verhandeln die Bühnen auch um eine Fortschreibung des bestehenden Vertrags für weitere fünf Jahre. Auf Nachfrage bestätigt die Presseabteilung der Firma BEOS, dass der ausgehandelte Vertrag keine Rechtsverbindlichkeit besitze. Zu einer möglichen Veräußerung des Carlswerks heißt es: »Der Verkauf des Depots ist kein Thema.«
Es läge nun nahe, die Vorteile des Depots und des Palladiums zu vergleichen. Doch Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach teilt auf Nachfrage mit, dass sich »der Prüfauftrag der Politik hinsichtlich des Palladiums ausschließlich auf dessen Tauglichkeit als Operninterim bezieht.« Insofern könne man keine Angaben zu Einrichtungs- und Umbaukosten für einen Schauspielbetrieb machen; »voraussichtlich« seien im Palladium kein Bühnen-Zentrallager und ein Probebühnenzentrum möglich; »eventuell« ein bis zwei Probebühnen in der Halle 490 des Palladiums. Die Antworten der Kulturdezernentin sind ein Festival der Vagheiten und gipfeln triumphal in dem Satz, dass auch der Vergleich zwischen Depot und Palladium »fundiert geprüft und geplant werden« sollte. Schallender kann die Ohrfeige für die Politik nicht ausfallen.
Auch von anderer Seite kommt heftige Kritik am möglichen Kauf des Palladiums. »Das wäre eine fatale Entscheidung für die Musikszene in Köln«, sagt Jan van Weegen. Für den Vorsitzenden der »Klubkomm« ist die Location »ein unverzichtbarer Baustein im Gefüge der Konzerthallen«. Sollte das Palladium wegfallen, so van Weegen, würde eine gewaltige Lücke zwischen dem E-Werk mit 2000 Plätzen und der Lanxess-Arena mit 12.000 Plätzen klaffen. Van Weegen sieht eher Bedarf für eine zusätzliche Halle mit 7000 bis 8000 Plätzen.
Der Rat wird voraussichtlich Ende Juni in der Causa Operninterim über einen Kauf des Palladiums entscheiden, ohne offenbar die finanziellen, ästhetischen oder kulturpolitischen Kollateralschäden ausreichend bedacht zu haben. Sollten das die Lehren sein, die aus dem Sanierungsdebakel am Offenbachplatz gezogen wurden, dann steht es nicht gut um die Zukunft der Bühnen.