Erbsendosen erinnern an Kapstadt
Zugegeben, das sieht alles ziemlich gut aus, dieses kleine Labyrinth im Düsseldorfer Stadtmuseum, in dem sich durchsichtige Schaufensterpuppen luxuriösester Art aneinander reihen. An ihren Körpern junge Mode aus aller Welt: Aus Dakar und Kingston, aus Moskau und Mailand, natürlich auch aus London und Tokyo. Besucht wurden dreißig Modeschulen, ausgewählt wurden die Arbeiten einer neuen AbsolventInnen-Generation zwischen zwanzig und dreißig. Dazu der Titel: »Generation Mode«.
Weltsprache Mode
An der Wand eine Weltkarte, daneben ein paar Zeilen Text: Der mediale Traum eines großen Zusammenhangs, gar einer Jugendbewegung im MTV-Zeitalter sei vorbei. Eine neue Generation abseits sei in der »kulturübergreifenden« Sprache der Mode ausgebildet worden, einer visuellen Sprache unmittelbarer, spontaner Kommunikation. Internationale ökonomische (?) Gleichschaltung habe eine neue Lust nach Individualität und Lokalität erweckt, die sich vom globalen Einheitsbrei abwende und gleichzeitig die ganze Welt umspanne.
Daneben Schnappschüsse mit den Veranstaltern und Kuratoren, wie sie ein Blatt Papier hochhalten. Darauf Name und Alter, Verantwortungsbereiche und, ganz wichtig, E-Mail-Adressen. Hier soll es schließlich um Networking gehen, um Kommunikation, Auseinandersetzung, Diskussion. Dementsprechend ist auch der Kontakt jedes Designers hinterlassen.
Multikulturelles Miteinander
Es zeugt sicher von gutem, gar politisch korrektem Willen, was diese Modenschau im Museum erwecken will. Ein solch hierarchieloses Miteinander (die Exponate werden in alphabetischer Reihenfolge gezeigt) zwischen der Mongolei und Südafrika, Hong Kong und Italien hat man in solch einer Dimension noch nicht gesehen. Selbstredend wird diese Ausstellung durch alle dreißig Städte touren und damit fünf Kontinente umspannen. Ein Mammutprojekt. Schlüsselfigur und Hauptkuratorin ist eine alte Bekannte: Eva Gronbach (siehe unsere Februar-Titelgeschichte, »Pop und Nationalismus«), die nationale Senkrechtstarterin in Sachen Mode, Schülerin von Galliano und Yamamoto, Designerin der notorischen Schwarz-Rot-Gold-Klamotten, welche auf so provokante wie problematische Art den deutschen Adler in einen »neuen, positiven Kontext« übertragen sollten. Nach der geschichtsleerenden Neuglamourisierung der deutschen Flagge jetzt also die Mode-Multitude mit den Copyrights der United Colours Of Gronbach?
Mut zu vollen Farben
Damit sei nichts gesagt gegen die Exponate selbst: Mit Mut zu vollen Farben, außergewöhnlichen Clashs zwischen Tradition und Popismus, Experimentierfreudigkeit und Stil überbietet manch ein Ausstellungsstück das nächste. Ob ein Rock aus beiger Wolle die Wuscheligkeit eines Winterschals mit dem knappen Schnitt des Mini konterkariert (Sandra Backlund, Stockholm), Handtaschen aus blechernen Erbsendosen (Nadia Pool) an den Arbeitsalltag der Frauen in Kapstadt erinnern, oder ein anderer Mini, diesmal aus transparentem Kunststoff, beklebt mit Blumen (Laura Barvel, Kopenhagen) neben einem perlenbesetztem Woll-Cape (Elvira Sazesh, London) auftaucht, urban und archaisch zugleich – mit stilistischen Kabinettstückchen jenseits von trendy Schubladen und redundanten Klassizismen geizt »Generation Mode« nicht. Die neuen Wilden scheint ein stürmischer Drang zur Expression zu verbinden.
Tragbarkeit und Objekte
Dass man jeden von ihnen sogar einen persönlichen Fragenkatalog ausfüllen ließ, ist dabei weniger informativ als rührend. Neben Auflistungen der institutionellen Backgrounds inklusive Aufnahmezahl und Studiengebühren haben die Teilnehmer Fragen nach ihrer Kultur beantwortet. Ein Moskauer Student erwidert schlicht: »Hier gibt es sehr reiche und sehr arme Leute.« Eindeutig ist, dass die ökonomisch schwächeren Modenationen stärkeren Bezug zur Tragbarkeit ihrer Objekte haben. Dies fällt jedoch erst auf den zweiten Blick auf. Selbst wenn man sich in der Mitte des Raumes auf die Liegewiese flätzt und sich die kurzen Dokumentarfilme über die Protagonisten anschaut, bleiben ihre Arbeitsbedingungen außen vor. Stattdessen werden dreiminütige Urlaubsclips mit kurzen Statements präsentiert, die weniger an die in der Broschüre angekündigte Auseinandersetzung mit der lokalen Umwelt der Designer als an die Unverbindlichkeit des eingangs noch verabschiedeten Musikfernsehens erinnern.
Gut gemeint
Vielleicht hätten die Veranstalter bei ihrer Reise um die Welt auch mal bei der letzten Documenta vorbei schauen sollen, um sich mit Fragen der Repräsentation zu beschäftigen. So bleibt neben den aufregenden Kleidern eben doch nur die alte Gleichung, dass das Gegenteil von »gut« »gut gemeint« bedeutet.
Stadtmuseum Düsseldorf, Berger Allee 2, 40213 Düsseldorf, Di-Do und So 11-20 Uhr, Fr+Sa 11-24 Uhr, bis 25.9.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag Hatje Cantz.