Auf die Zuweisung folgt der Schock: Flüchtlinge in Köln, Foto: Manfred Wegener

Bloß nicht nach Köln

Um Flüchtlinge unterzubringen, setzt die Stadt auf Leichtbauhallen. Doch die sind kaum besser als Turnhallen

 

Vierundzwanzig Stunden Neonlicht, Feldbett an Feldbett, Essen im Schichtbetrieb: Es ist nichts Neues, dass ein großer Teil der Flüchtlinge in Köln unter unwürdigen Bedingungen leben muss. Laut dem aktuellen, von der Verwaltung veröffentlichten Kölner Flüchtlingsbericht leben mehr als 4000 der insgesamt 13.590 von der Stadt untergebrachten Flüchtlinge in Turn- Gewerbe- oder Leichtbauhallen, hinzu kommen die Plätze in so genannten Hotels, die zwar nach Komfort klingen, aber oftmals völlig überfüllt und heruntergekommen sind.

 

Wie abschreckend die Situation für Flüchtlinge in Köln tatsächlich ist, lassen zwei weitere Zahlen aus dem aktuellen Flüchtlingsbericht erahnen: Von März bis Mai 2016 brachte die Stadt Köln monatlich im Schnitt 329 Menschen zusätzlich unter — obwohl ihr von der Bezirksregierung jeden Monat 975, also fast dreimal so viele Menschen, zugewiesen worden waren. Die Menschen ziehen häufig auf eigene Faust weiter, in andere Kommunen, kommen bei Verwandten unter oder kehren in ihre Heimat zurück. Was im Flüchtlingsbericht unter »diversen Fluktuationsgründen« zusammenfasst wird, erklärt sich Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat so: »Als Familienvater könnte ich es auch nicht verantworten, meine Kinder unter solchen Bedingungen in einer Massenunterkunft schlafen zu lassen. Ob gewollt oder nicht — unterm Strich bedeutet die Kölner Unterbringungssituation Abschreckung.« 

 

Insgesamt 24 Kölner Turnhallen sind mit Flüchtlingen belegt, manche davon seit bald einem Jahr. Weil der Druck auf die Stadt wächst, die Turnhallen endlich wieder den Schulen und Vereinen übergeben zu können, setzt sie nun auf den Bau von Leichtbauhallen. Darin sollen pro Standort bis zu 480 Menschen unterkommen. »Es geht darum, zügig temporäre Unterkünfte für eine große Anzahl von Menschen zu schaffen, um die Turnhallen wieder freigeben zu können«, so Dommer. Die Verwaltung hat bereits eine Liste von 18 möglichen Standorten erstellt. Ende Juni stimmen die Ratsmitglieder in ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause über die Flächen ab, die — da sie eine gewisse Größe haben müssen — meist am Stadtrand oder in Gewerbegebieten liegen. Es ist kaum vorstellbar, dass die dort lebenden Menschen irgendwie an der Stadtgesellschaft teilhaben könnten.

 

Auch wenn die Leichtbauhallen immerhin den Vorteil haben, dass man unter dem gleichen Dach Duschen, Toiletten und einen Aufenthaltsraum unterbringen kann, so gilt auch für sie: Es sind Massenunterkünfte, die den Bewohnern keinerlei Privatsphäre lassen und die für sie besonders belastend sind. In Ostheim, wo bereits seit Januar 400 Menschen in Leichtbauhallen leben, gibt es nicht einmal Trennwände oder irgendeine Form von Sichtschutz. »Natürlich können auch die Leichtbauhallen nur eine temporäre Lösung auf dem Weg zur Integration der Menschen sein«, versichert Dommer. Doch wer garantiert, dass aus den Übergangslösungen nicht ein dauerhafter Zustand wird? Die Stadt baut zurzeit keine einzige Flüchtlingsunterkunft, die den Leitlinien für die Flüchtlingsunterbringung entsprechen würde. Auch ein Konzept für Mindeststandards, mit dem der Rat die Verwaltung angesichts der stark ansteigenden Flüchtlingszahlen bereits im März vergangenen Jahres beauftragt hatte, ist noch immer nicht beschlossen. Sollte es nach der Sommerpause so weit sein, ist der Doppelhaushalt für 2016 und 2017 längst beschlossen.

 

So leben Familien mit kleinen Kindern, Traumatisierte und Behinderte zum Teil seit beinahe einem Jahr in Turnhallen. »Es ist einer Stadt wie Köln unwürdig, Menschen, die besonderen Schutz benötigen, so zu behandeln«, findet Prölß. Dabei hat die Stadt jetzt immerhin den Vorteil, dass sie genau weiß, wie viele Flüchtlinge ihr in naher Zukunft zugewiesen werden: Bis Ende August sind es 150 pro Woche. Für viele bedeutet der Umzug nach Köln eine drastische Verschlechterung, wie Rita Schillings vom Flüchtlingsrat Leverkusen schildert: Aus der dortigen Landesunterkunft seien Mitte Juni drei Familien Köln zugewiesen worden — sie wurden in Turnhallen geschickt. »Sie sind völlig entsetzt zurück nach Leverkusen gefahren, aber leider konnten wir sie ja nicht zurücknehmen«, so Schillings.