Das schafft sonst keiner: Wettbüros treiben die Mieten in die Höhe, senken aber die Attraktivität der Umgebung, Foto: Dörthe Boxberg

Kulturfrage oder Suchtfaktor?

Um die Zahl der Wettbüros einzudämmen, planen CDU und Grüne eine Steuer

 

Den Innenraum des Wettbüros am Eigelstein prägen dunkle Holzmöbel, gedimmte, aber nicht schumm-rige Beleuchtung, eine lange Theke — und vor allem große Flachbildschirme. Die Besucher verfolgen Fußballspiele, fachsimpeln mit Mitarbeitern über Wettquoten und leihen sich bei ihnen Lesebrillen. »Die Tippscheine werden immer enger bedruckt«, sagt die Inhaberin, 37 Jahre alt, Mutter, und nach dem Architekturstudium als Quereinsteigerin zum Glücksspiel gekommen. Sie möchte nicht, dass ihr Name in der Zeitung steht — Sicherheitsbedenken. Das schlechte Image der Branche macht ihr dagegen wenig aus. In anderen Ländern seien Geldwetten völlig normal. »In Asien wetten die Leute aufs Wetter. Vielleicht ist das eine Kulturfrage«, sagt sie. Lesebrillen sind nicht die einzige Hilfe für die Spieler. Die große rote Digitaluhr geht fünf Minuten vor, damit auch der zögerlichste Kunde seinen Tipp rechtzeitig abgibt. Fußballprofis, Müllmänner, Angestellte und die Geschäftsfrauen aus der Nachbarschaft spielten hier, erzählt die Inhaberin. Gerade während der Fußball-EM gehören Wetten für viele zum Alltag. 

 

Mehren sich in einer Einkaufsstraße Wettbüros, protestieren Geschäftsleute und Nachbarn. Mit blickdichten Fenstern tragen sie wie Spielhallen nicht gerade zum Sicherheitsgefühl der Passanten bei, ebensowenig das fast ausschließlich männliche Publikum und der für manche ruinöse Suchtfaktor. Bei anderen Hauseigentümern sind die Betreiber dagegen als solvente -Mieter beliebt. Zuletzt waren Wettbüros in Zollstock und Porz-Urbach Anlass zur Sorge in den zuständigen Bezirksvertretungen. Auf eine Initiative von CDU und Grünen hin arbeitet die Stadt derzeit an der Einführung einer Wettbürosteuer, um ihre Zahl zu begrenzen. Bislang scheiterten Versuche, die privaten Wettanbieter zu regulieren, fast sämtlich vor Gericht. Die Anwälte der Branche argumentierten erfolgreich mit der Ungleichbehandlung von staatlichen und privaten Anbietern: Warum sollten für ein staatlich betriebenes Casino in Deutz oder die staatlichen Lotto-Spiele und Sportwetten andere Vorgaben als für private Wettbüros gelten?

 

Schon nachdem vor mehr als zehn Jahren das Monopol der staatlichen Lotto-Anbieter und Casinobetreiber fiel, wollte der Gesetzgeber den Markt für neue Wettveranstalter regulieren und die Zahl der Wettbüros begrenzen. Höchstens 40 Stück waren für Köln angepeilt. »Davon sind wir weit entfernt«, sagt ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Bis heute ist wenig an dem Geschäftsmodell der Wettbürobetreiber verbindlich geregelt, bislang ist keine einzige Konzession für die bundes- oder europaweit operierenden Sportwetten-Anbieter vergeben. Ohne eine gesicherte Rechtsgrundlage könne die Stadt wenig unternehmen, so die Verwaltung. 

 

Das Ordnungsamt geht derzeit von 150 aktiven Wettbüros in Köln aus. Sie werden regelmäßig kontrolliert: Wird der Jugendschutz eingehalten? Hängt das Notausgang-Schild an der richtigen Stelle? Sind verbotene Glücksspielautomaten aufgestellt worden? Einigen Büros wurde eine fehlende Baugenehmigung zum Verhängnis. Denn werden Spiele live übertragen, bedeutet dies für die Stadt, dass es sich um eine Vergnügungsstätte handelt. Dafür braucht der Betreiber im Gegensatz zur reinen Tippannahme eine entsprechende Baugenehmigung. Zur flächendeckenden Begrenzung eignen sich solche Kontrollen allerdings nicht.

 

Das Stadtplanungsamt ist dagegen zumindest räumlich begrenzt erfolgreich. Wettbüros gefährden die Einkaufsstraßen, in denen sie sich ansiedeln: durch steigende Mieten und sinkende Attraktivität. Beantragt ein Wettbüro eine Baugenehmigung, kann die Stadt die Entscheidung deshalb zurückstellen und in der Zwischenzeit einen Bebauungsplan erarbeiten, der diese Nutzung ausschließt. Gut ein halbes Dutzend Wettbüros habe man in den vergangenen Jahren so verhindert, heißt es. Für Ladenlokale mit gültiger Baugenehmigung gilt allerdings Bestandschutz. 

 

Der Plan, das Wetten nach dem Vorbild anderer Kommunen mit einer Steuer zu regulieren, dürfte der Kämmerei einige Hunderttausend Euro einbringen. Ob sich dadurch aber die Zahl der Wettbüros verringern wird, ist offen. Vor dem Bundesgerichtshof wird gerade geklärt, ob eine solche Abgabe überhaupt rechtens ist. Dass es positiv ausgeht, darauf will derzeit kein Politiker wetten.