Kenzaburo¯ O¯e zu Gast in Köln

Mit dem Nobelpreis ist das so eine Sache. Er kann als Krönung eines Lebenswerkes gelten. Doch hat diese Auszeichnung auch immer etwas Endgültiges an sich. Unausgesprochen steht der Verdacht im Raum, der Ausgezeichnete habe seine besten Zeiten bereits hinter sich. Davon, dass dies beim japanischen Autor Kenzaburo¯ O¯e, der den Preis 1994 erhalten hat, nicht der Fall ist, kann man sich diesen Monat bei seiner Lesung im Japanischen Kulturinstitut überzeugen.

Yakuza und Freitod

In seinem neuen Buch »Tagame. Berlin – Tokyo« beschäftigt sich Ōe mit seiner bis in die Jugend zurückreichenden Beziehung zu seinem Freund und späteren Schwager. Das klingt zunächst einmal so, als habe sich der Schriftsteller, der in Deutschland vor allem durch einen Roman über seinen geistig behinderten Sohn (»Eine persönliche Erfahrung«) bekannt geworden ist, wieder einmal in erster Linie seinem Privatleben zugewandt. Doch handelt es sich bei diesem Freund um den japanischen Filmregisseur Juzo Itami, der sich am 20. Dezember 1997 vom Dach eines Hochhauses in Tokio in den Tod stürzte. Auslöser für diesen Freitod waren sowohl der massive Druck der Boulevardpresse, die ihm eine Affäre nachsagte, sowie die Bedrohung durch die Yakuza, die japanische Mafia, deren romantisierten Mythos er in einem Film bloßgestellt hatte.

Drängende Fragen des Lebens

Durch die Wahl des Sujets kommt unweigerlich eine gesellschaftspolitische Komponente ins Spiel, die über den aus anderen Büchern Ōes bekannten Mikrokosmos hinausreicht. So lässt sich der mittlerweile 70-jährige Autor in diesem Roman noch einmal auf die abenteuerliche Frage ein, wie aus dem Privaten heraus politisch geschrieben werden kann. Mühelos gelingt es Ōe einmal mehr, die Balance zwischen einem das Leben abbildenden Erzählen und einer komplexen Gedankenprosa zu halten. Mit gelassener Unerschrockenheit zielt er dabei auf die drängenden Fragen des Lebens ab. Und es dürfte eine wahre Freude sein, diesen literarischen Meister einmal in Person zu erleben.

Lesung:
Kenzaburō Ōe »Tagame. Berlin – Tokyo«, Moderation: Hubert Winkels, deutsche Texte: Bernt Hahn, 14.9., Japanisches Kulturinstitut, 20 Uhr.