Die Geschichte der G.
Man kann Lars von Trier vieles nachsagen, aber sicher nicht, dass er selige Erinnerungen bei seinen Hauptdarstellerinnen hinterlassen würde. Keine wollte es bislang zweimal mit ihm aushalten, und
so trägt Bryce Dallas Howard jetzt die Kleider auf, die in »Dogville« noch Nicole Kidman schmückten. Das ist nicht der einzige Verfremdungseffekt in dem Fortsetzungsfilm, der Brechts Theater-Konzept mit der frivolen »Geschichte der O« zu einem Pamphlet über die Rassenunterdrückung in der amerikanischen Demokratie verbindet.
Gesetz der Sklaverei
Die Gangstertochter Grace hat es diesmal an die Tore einer Baumwollplantage verschlagen, auf der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Obwohl wir uns im Jahre 1933 befinden, herrscht hinter den Mauern von »Manderlay« noch das Gesetz der Sklaverei. Die weißen Herren gebieten mit der Peitsche über ein Dutzend Leibeigene, die es nicht anders kennen und sich auch gar nichts anderes vorstellen können. Wer »Dogville« gesehen hat, ahnt, dass Grace dem schreienden Unrecht nicht einfach seinen Lauf lässt. Sie trotzt ihrem Vater einen Teil seiner Bande ab und entlässt die Sklaven unter ihrer Aufsicht in die Freiheit. Da die damit nicht viel anzufangen wissen, übernimmt Grace bald den Vorsitz im von ihr geschaffenen Erziehungslager. Doch wie bringt man jemandem die Vorzüge der Freiheit bei? Mit sanfter Autorität, unendlicher Geduld und dem erklärten Willen, selbst über die Uhrzeit abstimmen zu lassen.
Wie »Dogville« ist auch »Manderlay« eine ästhetische Entrümpelung.
Scheitern der liberalen Utopie
Erneut hat Lars von Trier den Dekor mit Kreidestrichen auf den nackten Fußboden gemalt und sein Ensemble in einer trostlosen Lagerhalle kaserniert. Doch was beim ersten Teil seiner Amerika-Trilogie aufregend wirkte, ist diesmal nur noch ermüdend. Dass Graces Aufklärung alsbald in Totalitarismus umschlägt und dann an der Korrumpierbarkeit der Menschen zu Grunde geht, ist so sicher wie das Amen in der Kirche und bringt nach »Dogville« nichts Neues in die Trilogie – auch wenn die Schlusspointe schon beinahe an die überraschenden Wendungen der Filme M. Night Shyamalans (»Sixth Sense«) erinnert.
Vom allwissenden Erzähler wird Graces abermalige Wandlung vom Unschulds- zum Racheengel gleichwohl mit allen Mitteln der Ironie vorweggenommen. »Nur wenig kann ich geben«, steht als Warnung vor zuviel Weltverbesserungsfuror auf dem Portal von »Manderlay«, und entsprechend gründlich wird das Scheitern der liberalen Utopie dann auch an der Protagonistin vorgeführt.
Manderlay (dto) D/DK u.a. 05, R: Lars von Trier, D: Bryce Dallas Howard, Isaach De Bankolé, Danny Glover, 139 Min. Start: 10.11.