Was passiert wenn...
Im November startet in Köln das Festival »Islandbilder«, ein Querschnitt durch die aktuelle isländische Kultur. Über hundert einheimische Künstler sind eingeladen, aber auch Andreas M. Kaufmann, ein 1961 in der Schweiz geborener und in Köln und Barcelona lebender Künstler, der noch nie isländischen Boden betreten hat und der mit Medienskulpturen bekannt geworden ist. Wie das?
»Den flachen Bildern Tiefe abtrotzen«
Kaufmann ist ein Bildersammler. Seit zwanzig Jahren archiviert er Bilder aus Büchern, Zeitschriften, Filmen und Fernsehen in Regalen, Kisten, Stahlschränken und digitalen Ordnern. Ihn beschäftigen Fragen nach den Bedingungen unserer Wahrnehmung, dem kollektiven Gedächtnis und dem Einfluss der Massenmedien bei diesen Prozessen. Kaufmann weiß, dass »mit der Vielfalt der bildgebenden Verfahren die Fähigkeit verschwunden ist, Bilder zu verstehen und zu verarbeiten.« So benutzt er als Künstler die Bilder anderer, transformiert sie, um »den flachen Bildern Tiefe abzutrotzen«.
Sonderschau am Malakoff-Turm
Island? Auf die Frage nach dem Einfluss von Bildern auf sein Leben fallen Kaufmann spontan die altisländischen Sagen von Edda, Loki und Thor ein, mit denen er als Waldorfschüler viel konfrontiert wurde und die, wie er heute sagt, »sensibilisieren für tiefmenschliche Zusammenhänge«. Gemeinsam mit dem 1959 in Reykjavik geborenen Finnbogi Pétursson, der sein Land 2001 bei der Biennale Venedig vertrat, wird Kaufmann während des Island-Festivals in einer Sonderschau den Malakoff-Turm am Rheinufer mit einer Installation bespielen. Wie genau, daran arbeitet er derzeit noch.
Ortsverbundene Inszenierungen
Aktuelle Einblicke in Kaufmanns doppelbödige Bildinszenierungen gibt es schon vorher: Ende Oktober eröffnet seine neue Einzelausstellung in der Kölner Galerie Gabriele Rivet, die ihn parallel auch auf der Art Cologne präsentiert. Bereits fertig ist die jüngste seiner ausgetüftelten Lichtinstallationen und Projektionen, mit denen er bekannt wurde. Alle sind eng mit dem Ort verbunden, an dem sie gezeigt werden – so auch das Kunst-am-Bau-Projekt in Köln-Braunsfeld. Für den Neubau der DKV hat Kaufmann neue, überaus komplexe Projektoren entwickelt, mit denen die Empfangshalle und ein großer Flur des Westriegels nicht nur horizontal, sondern auch vertikal »berührt« werden. Das Material der immateriellen Lichterscheinungen entstammt einem anatomischen Werk aus dem Jahr 1543. Der Anatom Andreas Vesalius begründete mit seinem berühmten Körperatlas eine enge Wechselbeziehung zwischen Medizin und Kunst. Projektionen seiner Zeichnungen von Knochen und Organen ziehen sich in Kaufmanns Inszenierung langsam über Böden, Decken und Wände. Sie erscheinen mal klein und frontal, mal groß und verzerrt, spiegeln sich in Glasflächen, tasten die Architektur ab, verschwinden nach draußen im Tageslicht bzw. setzen sich im Dunkeln fort bis in den Außenbereich. Sezierend und roboterhaft formen sich Sichtweisen auf den Menschen.
Referenzen an die Technik
In manchen seiner Werke bindet Kaufmann die Rezipienten direkt ein. Für die Arbeit »Nein« hat er Jugendliche eines Kölner Gymnasiums in ihren Muttersprachen »Nein« rufen lassen. Das Video wird auf eine Wasserfläche projiziert, die sich bricht, wenn der Schrei erklingt. Es ist zugleich der Moment der filmischen Blende, wenn ein neuer Akteur auftritt und seiner Verweigerung Ausdruck verleiht. Kaufmann liebt solche Referenzen an die Technik. Hier galt es, den Schall zu analysieren, um sich dessen Druck durch Lautsprecher unterhalb des Wasserbeckens zunutze zu machen.
Unsicherheit gegenüber den Bildern
Fragen und Forschen ist ein entscheidender Impuls in Kaufmanns künstlerischem Handeln. Das »Was-passiert-wenn...?« bildete auch den Ausgangspunkt für das Künstlerbuch »Your eyes are not pained by what you see«. Kaufmann konfrontierte Dritte mit einem riesigen Bilderfundus: Darstellungen von Bibliotheken, Museen, Stars, Politikern, Filmküssen, Katastrophen, Terror, Folter, Elend, alten Maschinen, Planeten, Menschenmassen, verletzten Körperteilen... Er bat Kollegen, Freunde, Kuratoren und Kritiker, diese mit Texten oder Bildern zu kommentieren; die Ergebnisse sammelte er in dem Buch. »Indem ich die Bilder teile, teile ich auch meine Unsicherheit ihnen gegenüber. Diese ist es, die mich ständig beschäftigt«, schreibt er im Editorial.
Galerie Gabriele Rivet, 29.10.-23.12.,
Eröffnung Sa, 29.10., 18 Uhr.
Island-Festival: Malakoff-Turm,
ab 19.11.