Nächstenliebe mit Abstand: Essensausgabe am Vringstreff

»Es geht um Würde«

Die Corona-Krise ist für obdachlose und arme Kölner*innen auch eine Versorgungskrise

Es gibt Menschen in der Stadt, für die abgerissene Lieferketten bedroh­licher sind als für den Großteil, der sich über fehlende Bio-Linsen ärgert. Für Obdach- und Wohnungslose brechen Strukturen weg. Wegen des Infektionsschutzes mussten Tafeln schließen, ebenso wie Anlauf- und Beratungsstellen. Darum verteilt die Stadt seit dem 24. März, unterstützt von kirchlichen und weltlichen Initiativen, täglich 365 »Care-Pakete« an Obdachlose. Mittlerweile werden die Papiertüten an neun Standorten ausgegeben, darin zwei Sandwiches, Kekse, Obst, Müsli- und Schokoriegel, etwas Süßes sowie Wasser und Apfelschorle. Manche Kölnerinnen und Kölner wollen zusätzlich helfen, indem sie sogenannte Gabenzäune errichten. An deren Gittern kann jeder Plastiktüten mit Lebensmitteln hängen. Rund zehn solcher Gabenzäune gibt es derzeit.

Almosen gegen Würde

»Jetzt mache ich mich unbeliebt«, sagt Pfarrer Hans Mörtter von der Lutherkirche in der Südstadt. »Aber nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut.« Obdach- und Wohnungslose bräuchten keine Almosen oder das, was andere übriglassen, sagt der Pfarrer. Was an den Gabenzäunen hänge, werde kaum kontrolliert, oft seien die Lebensmittelspenden in keinem guten Zustand, allein schon, weil oft lange die Sonne darauf scheine. »Am Chlodwigplatz gehen abends auch die Ratten dran.« Mörtter stört auch etwas anderes. »Menschen, die auf der Straße leben, brauchen keine Almosen, sondern Unterstützung für ein selbstbestimmtes Leben — es geht um Würde.«

Mörtter ist auch Vorsitzender des Vringstreffs, einer der Stellen, an denen Wohnungs- und Obdachlose Beratung und Unterstützung erfahren. Wegen der Corona-Krise musste das Restaurant des Vereins schließen, aber seit 14. April wird ein »Mittagstisch to go« angeboten: Nasi Goreng, Chili on carne, Kalbsragout mit Nudeln. »Alles frisch gekocht«, sagt Mörtter. »Nicht das, was andere nicht mehr brauchen oder nicht mehr wollen.«

Zwar freue er sich über das Engagement, aber Mörtter rät dazu, besser die professionellen Einrichtungen mit einer Spende zu unterstützen. »Man kann auch mal einem Menschen von der Straße einen Schein zustecken, damit er selbst entscheidet, was er braucht und einkaufen kann«, sagt er. »Es hilft auch, einfach mal das Gespräch zu suchen, auf Augenhöhe. Das fehlt vielen am meisten in der jetzigen Lage, und das geht auch mit dem jetzt gebotenen Abstand.«

Auch Sterneköche helfen mit

Eine der Initiativen, die auch den Helfern helfen will, ist »Kochen für Helden« aus Berlin. Bundesweit haben sich bereits knapp hundert Restaurants angeschlossen, in Köln sind derzeit zwei: Neben Sternekoch Maximilian Lorenz ist Marc Schinköth dabei, Geschäftsführer von Wilma Wunder und Coyacan, zwei Restaurants, die zum Systemgastronomie-Unternehmen Enchilada aus Bayern gehören und erst vergangenen Sommer in der Nähe von Friesenplatz eröffnet haben.

Das Kochen sei nicht aufwändig, sagt Schinköth, umso mehr aber die Verteilung. »Derzeit beliefern wir mehrere Apotheken und Kitas mit Notbetreuung, aber auch einen Drogeriemarkt und eine Telefonseelsorge«, sagt Schinköth. »Wir liefern mit Zweier-Teams mit dem Lastenfahrrad aus, drei bis sieben Portionen pro Station.« Hühnchnencurry, Suppe, Pasta mit Gemüse, auch mal Sauerbraten. Die Portionen müssen noch erwärmt werden. »Klar, die Mitarbeiter von Telefonseelsorge oder Kita können nicht sagen: So, jetzt esse ich aber erst mal was.« Die Situation der Wohnungs­losen beschäftigt Schinköth auch. Er hat in Hannover früher schon Projekte mit der Caritas organisiert. In Köln sieht er die Not fast täglich am Friesenplatz. »Man muss den Menschen helfen«, sagt Schinköth. »Wir machen gern mehr, als zu spenden, und werden aktiv, nur benötigt es Profis, die die Hilfe in die richtigen Bahnen lenken.« Pfarrer Hans Mörtter vom Vringstreff wird das gern hören.

Die Corona-Krise geht auch an der Stadtrevue nicht spurlos vorbei. Auch uns sind wichtige Einnahmen weggebrochen. Auf stadtrevue.de/support könnt ihr uns unterstützen. Danke!