Wartet noch auf den Termin: Sterne-Köchin Julia Komp hat viel vor in Mülheim

Ausblick auf den Dom und einen Stern

Sterneköchin Julia Komp wollte ihr erstes eigenes Restaurant eröffnen — dann kam Corona

Die dunkelblaue Metallwand ist zur Seite geschoben, und durch die beiden Fenster der Essensausgabe kann man einen Blick in die Küche werfen. Vor Mittag ist hier schon Betrieb, aber noch kein Verkauf. Auch wenn auf der Rheinpromenade schon die ersten Ausflügler auf dem Rad unterwegs sind. Flussabwärts verbindet eine steile Fußgängerbrücke, der »Katzenbuckel«, das Ufer mit der Landzunge auf der anderen Seite des Hafens. Stromaufwärts bilden Dom, Colonius und Seilbahn vor dem Grün der ehemaligen Bundesgartenschau eine spektakuläre Kulisse. »Der Blick ist schon außergewöhnlich«, sagt Julia Komp und steuert einen der Tische vor dem Lokschuppen an.

Die gebürtige Odenthalerin, die sich im Schloss Loersfeld in Kerpen den ersten Michelin-Stern erkochte, hat in den vergangenen Monaten eine Menge spektakuläre Ausblicke gehabt. »Indien, Korea, Thailand, Indonesien«, antwortet sie auf die Frage, was sie auf ihrer »kulinarischen Weltreise« am meisten beeindruckt habe. Alles begann mit ein paar Tagen Urlaub in Doha, Katar. Von da aus ging es weiter in den Oman, nach Dubai, Abu Dabi, Bangkok. »Ich koche ja immer mit asiatischen und orientalischen Einflüssen«, sagt die 31-Jährige. »Aber wie soll ich beispielsweise wissen, ob mein Kimchi gut ist, wenn ich noch nie vor Ort echtes Kimchi gegessen habe?« Geplant war ein halbes Jahr — soweit die Netzwerke tragen und solange das Geld reicht. Mit ein paar kurzen Heimatstopps war Julia Komp insgesamt 14 Monate unterwegs: als Freundin zu Besuch, als Gastköchin im Restaurant und als Touristin auf Rundreise. Eine Mischung aus Recherche und Abenteuer, rückblickend ein großes Abenteuer, sagt sie. Die Route war vorab grob abgesteckt, die meisten Ziele habe sie besuchen können, lediglich den Libanon und Jordanien musste sie streichen. Während der Reise machte Komp sich viele Notizen. »Ich habe versucht, alles aufzuschreiben, während ich gearbeitet habe. Hier fliegen so viele indische Zettel herum, das würde Monate dauern, bis ich die alle entziffert habe.« Aber es gehe ihr auch nicht darum, Gerichte nachzukochen. »Ich will ja nicht kopieren«, sagt sie. »Ich wollte wissen, wie das richtig schmeckt.«

Seit Anfang März ist sie zurück in Deutschland. Gerade rechtzeitig, um nicht irgendwo auf der Welt auf eine Rückführung in die Heimat warten zu müssen. Eigentlich hatte Komp dann geplant, ein eigenes Restaurant in einem historischen Gebäude auf dem Lindgens-Areal, der Industriebrache eines 1851 gegründeten Herstellers von chemischen Farben in Mülheim, zu eröffnen. Nach ein paar erfolgreichen Pop-up-Veranstaltungen vor Weihnachten vergangenen Jahres besiegelte Komp mit dem Eigentümer eine dauerhafte Kooperation. Ein geplantes Konzept mit Restaurant und Markthalle in einem historischen Gebäude stieß bei der Stadt Köln allerdings nicht auf Gegenliebe. Als dann noch der Kollege absprang, der als Alternative einen Biergarten eröffnen wollte, wurde das Teilstück am Rhein kurzerhand komplett zur Spielwiese von Julia Komp. »Mich hat erst einmal keiner so richtig gefragt«, sagt Komp und lacht. »Die anderen sind weg, hieß es, und: Das ist jetzt alles für Sie!«

»Wie soll das gehen?«, fragte Komp sich. Ihre Antwort: »Entweder ganz oder gar nicht«, sagt sie. »Entweder wir machen hier auch ein täglich geöffnetes Bistro auf, während wir auf den Bau des Sternerestaurants warten — oder gar nichts.« Die Pläne wurden entsprechend geändert, das Bistro im Lokschuppen war schließlich so gut wie fertig. Dann wurden alle Restaurants wegen der Corona-Krise geschlossen. »Im Prinzip fahren wir jetzt nach dem Restart hier zwei Konzepte«, sagt Komp. »Wir haben zum einen die Anker 7-Bar mit Wiese, Liegestühlen und ein paar Tischen und zum anderen bald das geplante Bistro im Lokschuppen mit größerer Terrasse, Sonne am Nachmittag und Blick auf den Dom.«

Ein Kollege aus dem Küchenteam tritt vor die Türe, um die Tafeln mit dem aktuellen Angebot der Bar an die Fassade zu hängen. Frühlingssalat mit Feta gibt es an diesem Mittwoch, eine Lumpia-Rolle mit Rindfleischfüllung und Erdnusssoße und einen Filetspieß vom Holsteiner Rind mit Couscous und Minzjoghurt.

Das Restaurant wird aller Voraussicht nach auf der Rückseite des Gebäudes neu gebaut. »Irgendwann«, sagt Komp und seufzt. »Es gibt noch keinen Termin.« Bis dahin bleibt ihr Zeit, neue Ideen umzusetzen, etwa regelmäßige Pop-up-Termine auf Sterne-Niveau. Ihren eigentlichen Plan möchte sie nicht aus den Augen verlieren. »Ich bin ja losgezogen, um danach in einem kleinen, schönen Restaurant wieder durchzustarten. Jetzt mache ich was ganz anderes — mit einem jungen und motivierten Team, tollen Gästen und viel Freiheit. Aber mein Ziel ist wieder ein Stern, auch wenn der sich gerade mal gedulden muss.«