Mehr Disziplin, weniger Drive

Wie verändert sich in Restaurants, Cafés, Bars und Kochschulen während der Pandemie eigentlich unser Erlebnis von Gastronomie?

 

Man habe die Hygienevorgaben nicht nur präzise umgesetzt, heißt es in der Pressemitteilung der Steakhouse-Kette »The Ash« an der Hahnenstraße. Man habe sie perfektioniert. Es ist die Rede von einem gut durchdachten, aber diskreten System aus Wegweisern, um die Laufwege der Gäste zu optimieren und Kontakte auszuschließen. »Desinfektionsstationen an zahl­reichen Stellen, sinnvoll platzierte Acryltrennwände und dezente Hinweisschilder für Verhaltensregeln im Restaurant rundeten das Konzept neben vielen weiteren Maßnahmen ab.« Botschaften wie diese sind derzeit allgegenwärtig. Sie sollen Orientierung bieten,  das Vertrauen der Gäste stärken. Dabei verliert man dabei schnell aus den Augen, dass sie im krassen Gegensatz zu dem stehen, was das »Erlebnis Gastronomie« noch bis in den März dieses Jahres ausmachte. Bis dato waren Restaurants, Bars und Cafés meist voll, heiß und laut. Der Status quo hingegen ist geprägt von Regulierung, Disziplin, Abstand, Zurückhaltung und Desinfektion. Aus dem Abenteuer ist ein getakteter Ablaufplan geworden. Nichts ist mehr dem Zufall überlassen, angefangen von der Reservierung für einen abgesteckten Zeitrahmen, über den Check-in per Smartphone bis hin zur umfassenden Desinfektion des Tisches, wenn die Gäste ihren Besuch beendet haben.

Diesen kühlen, bürokratischeren Ablauf bestätigt Jan Maier vom Restaurant Maibeck in der Altstadt. »Weniger Tische im Innenraum führen aber auch zu einem höheren Maß an Privatsphäre und zu einem niedrigeren Lautstärkepegel«, sagt Maier. »Das Erlebnis Restaurant findet derzeit bei uns in einer exklusiveren Atmosphäre statt.«  ­In den vergangenen sechs Jahren war das anders, eine lebendige Bistro-Atmosphäre mit Nähe und Gesellig­keit gehörte zum Konzept des Maibeck. Das Restaurant wurde rasch vom Guide Michelin mit einem »Kneipenstern«, wie Maier das nennt, ausgezeichnet. »Diese Stimmung können wir gerade nicht mehr umsetzen. Aber das Geschäft pendelt sich auf einem ruhigeren, stabilen Niveau ein. Die Gäste benehmen sich ähnlich, wie sie es im Alltag auch tun, wenn sie vernünftig sein möchten. Sie nehmen das aber als eine veränderte Realität war und nicht mehr als Ausnahmezustand.«

Dominique Simon von der Cocktailbar »Spirits« sieht das ähnlich. »Weil wir den Laden nicht mehr so voll machen, fehlt uns ein bisschen der Drive. Wenn du Leute in der zweiten und der dritten Reihe stehen hast und der DJ Gas gibt, dann heizt sich die Stimmung auf«, sagt Simon. »Das gibt es derzeit nicht mehr.«  Neben einer gewissen Verkrampfung, weil eine Bar nun einmal auch von spontanen Besuchen lebe, sieht er aber auch positive Aspekte. »Ich finde es manchmal gar nicht so schlecht, dass alles nicht mehr ganz so laut und hektisch ist«, sagt er. »Das hat was, aber es ist schon ein anderer Stil. Aber letztendlich können wir auch mit weniger Gästen eine schöne Atmosphäre kreieren.«

»Unser Geschäft ist Kommunikation«, sagt Marco Kramer, der die »Erlebniskochschule Marieneck« in Ehrenfeld betreibt. »Die Leute kommen im Idealfall als Fremde und gehen als Freunde — das ist im Moment etwas schwierig.« Der erste Kochkurs nach der Wiedereröffnung fand mit sechs, statt wie sonst rund zwanzig Gästen statt. »Die Teilnehmer dürfen nicht mehr im Stehen trinken, sondern müssen sich an einen Tisch setzen. Das bedeutet immer auch, irgendwie separiert zu sein«, sagt Kramer. Trotzdem waren die Reaktionen auf die erste Veranstaltung durchweg gut. »Weil man um die ganzen Regulierungen ein schönes Erlebnis schaffen kann«, findet auch Kramer.

Die Terrasse von »Dank Augusta« im Botanischen Garten ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Sonne scheint, die Gäste stehen geduldig Schlange, desinfizieren sich die Hände, gehen mit Atemschutz und dem Formular für die Kontaktdaten­erfassung zu den zugewiesenen Tischen. Ihre Bestellungen geben die meisten über die hauseigene App auf. Mit ihr können sie  auch bezahlen und sich Kaffee und Kuchen an den Tisch bringen lassen. Das verringert die Schlangen vor der Ausgabe, es erleichtert die Abrechnung, und für einen kurzen Austausch zwischen Gästen und Personal bleibt auch noch Zeit. Eigentlich ideal, mag mancher Gast das finden und hoffen, dass das System auch in der nächsten Saison zum Einsatz kommen wird. Denn noch ist es warm draußen und die luftigen Abstände auf den Terrassen lassen die Menschen die Pandemie für eine Weile vergessen. Wie weit sich unser Erlebnis beim Ausgehen durch Corona dauerhaft verändern wird, werden wir aber wohl erst frühestens nach dem Winter beurteilen können.