Zu viel Benjamin Blümchen und George Clooney — Die Kontaktnachverfolgung wird immer schwieriger

Betreutes Trinken in der Zettelwirtschaft

Nicht nur die Sperrstunde ist ein Problem: Die verschärften Corona-Maßnahmen stellen die Gastronomie vor neue Herausforderungen

Die zweite Welle der Seuche droht über das Land zu schwappen, Köln ist nun schon seit dem 10. Oktober Risikogebiet. Während die Infektionszahlen bereits wieder ein exponentielles Wachstum aufweisen, wird es immer schwieriger Infektionsketten zurückzuverfolgen. Nicht nur die Hygienemaßnahmen, auch die Kontaktnachverfolgung ist umso wichtiger, auch in der Gastronomie. Von Gastwirten ist allerdings zu hören, dass ihre Gäste oft misstrauisch darauf reagierten.

Aufgrund der häufigen bewussten Falschangaben von Gästen werden diese seit Oktober mit einem Bußgeld von 250 Euro belegt. Gastronomen sind außerdem angehalten, nicht nur für die Angabe der Kontaktdaten zu sorgen, sondern auch zu prüfen, ob diese schlüssig sind. Allein, wer nicht gerade den Namen von Comicfiguren oder Hollywoodstars einträgt, wird kaum auffallen. Allerdings können Gastronomen im Zweifel auch verlangen, sich den Personalausweis oder Führerschein des Gastes vorzeigen zu lassen. Ob Servicekräfte dazu gewillt sind, zumal bei laufendem Betrieb, ist eine andere Sache. Insofern appellieren Politik und Verwaltung immer wieder an die Solidarität der Gäste und deren Verantwortung für die Allgemeinheit.

Doch weil manche Gäste den Datenschutz nicht gewährleistet sehen, sträuben sie sich, ihre Daten auf den Formularen einzutragen — derweil viele aber keine Bedenken haben, private Fotos über notorische Messenger-Dienste wie WhatsApp zu versenden. Offenbar erfordert es mehr Überwindung, persönliche Daten auf Papier einzutragen und darauf zu vertrauen, dass damit ordnungsgemäß umgegangen wird, als bei großen Internetkonzernen durch allgegenwärtige Algorithmen ein sich immer weiter verfeinerndes persönliches Profil erstellen zu lassen.

Womöglich sind daher spe­zielle Apps für den Gastronomie-Besuch geeigneter, Menschen dazu zu bewegen, dass mögliche Infek­tionskette zurückverfolgt werden können. Entscheidend sei, dass die Daten jederzeit vom Ordnungsdienst der Stadt einsehbar sind und dass eine Rückverfolgung für das Gesundheitsamt gewährleistet wird, so ein Sprecher der Stadt. Ob das nun auf Papier geschehe oder per App sei unwesentlich.

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) unterstützt diese Maßnahmen. Der Verband befürchtet einen erneuten Shutdown, was viele Gastronomen finanziell endgültig ruinieren würde. Rund 70 Prozent der Betriebe sähen bei einem Fortgang der Pandemie ohnehin ihre Existenz gefährdet. Damit die Infektionen nicht weiter steigen, unterstützen daher die Kölner Gastwirte in großer Mehrheit auch die Auffor­derung der Stadt, ihre Betriebe am Elften im Elften zu schließe.

Eine andere Maßnahme hingegen stößt weitgehend auf Unverständnis bei den Wirten: Seit dem 15. Oktober gilt auch in Köln eine Sperrstunde für die Gastronomie. Von 23 Uhr nachts bis morgens um 6 Uhr müssen Bars und Kneipen schließen. Der Krisenstab der Stadt hatte Tage zuvor ausdrücklich keine Sperrstunde erlassen. Die Interessenvertretung der Kölner Gastronomen, die IG Kölner Gastro, hatte das nach eigenen Angaben gegenüber dem Krisenstab durchsetzen können. Ihr Sprecher Daniel Rabe hält die jetzt eingeführte Sperrstunde für falsch. Die Gastronomie verhalte sich weitgehend vorbildlich, so Rabe. Daher sei es auch kaum zu Infektionen in Kneipen und Restaurants gekommen, außer bei privaten Feiern in Gast­stätten.

»Mit der Sperrstunde wird das Problem nur verlagert«, sagt Rabe. »Die Leute gehen dann nach Hause und feiern da weiter, wo es keine so strengen Hygienemaßnahmen gibt wie in der Gastronomie.« Er fordert auch, dass Vertreter der Gastronomie einen festen Sitz im Krisenstab der  Stadt bekommen. »Das ist elementar wichtig, wenn Restriktionen besprochen werden«, so Rabe. »Wir haben einen besseren Blick auf die Szene.«

Unterdessen hat am 15. Oktober die Dehoga eine Klage gegen die Sperrstunde in NRW eingereicht. Die gastronomischen Betriebe seien keine Hotspots, heißt es dort. Die Dehoga verweist auf eine Studie des Robert-Koch-Instituts: Von 55.000 untersuchten Covid-19-Fällen zwischen Februar bis Mitte Juli gehen demnach nur 1,6 Prozent auf den Aufenthalt im Gastgewerbe zurück.

Doch Alkohol verhindert offenbar die Eindämmung der Pandemie. Deshalb ist es in Köln mittlerweile ab 22 Uhr verboten, auf Straßen und Plätzen Alkohol zu trinken. Am Wochenende darf an viel besuchten Plätzen in der Stadt zudem kein Alkohol mehr verkauft werden. Es scheint, dass das beaufsichtigte Trinken in der Gastronomie tatsächlich weniger gefährlich ist für die Allgemeinheit als der private Umtrunk.