Vergessener Genuss

Kakao gilt als Kindergetränk. Aber so unterschätzt man ihn

 

Es sind düstere Zeiten, da hilft ab und an ein Witzchen. Kennen Sie den? »Kommt ein Kakao aus der Mikrowelle spaziert, trifft ’ne Tasse Kaffee. Fragt die: Wer bist denn du? Sagt der Kakao: Ich heiße Schokolade.« Ja, der Kakao ist eine heiße Schokolade, aber das kann leider alles bedeuten, und meistens eben, dass Kakao oder was man dafür ausgibt unglaublich süß schmeckt. Dabei ist der eigentliche Kakao herb, ja bitter. Die Azteken tranken ihn kalt und aufgepeppt mit Maismehl, Vanille und scharfem Pfeffer. So besehen ist modisches pairing eine Jahrhunderte alte Tradition.

Im Zuge des Vernichtungskriegs spanischer Militärs in Mittel­amerika gelangt der Kakao Mitte des 16. Jahrhunderts wie Kartoffel und Tomate nach Europa. Erst unbeachtet, avancierte er schließlich zum Kult-Drink des Adels. Alles, was teuer war und als exotisch galt, mischte man hinein: Rosenwasser, Muskat, Pfeffer, Gewürznelken. Erst um 1700 wurde der Kakao in Europa erhitzt und kräftig gezuckert. Und bald trat der Kakao in Konkurrenz zum Kaffee. Über deren Für und Wider entfachten sich weltanschauliche Kontroversen! Der Kaffee galt als protestantisch, weil man annahm, er beflügle den Geist und rege zur tüchtigen Arbeit an. Der Kakao dagegen wurde polemisch dem Katholizismus zugeordnet, er galt als sinnlich und als Aphrodisiakum. Aber auch heute sind Getränke ja nicht nur Genussmittel oder Durstlöscher, sondern zeigen an, wo man hingehören will: Dosenbier, Prosecco, Weißer Tee.

Wie beim Kaffee, kommt’s bei Kakao auf die Bohne an. Criollo gilt als edel, Forastero als schnöde — ähnlich wie beim Kaffee Arabica höher im Kurs steht als Robusta. Allein, die Kakao-Auswahl selbst in Feinkostläden ist kaum auf ein gesteigertes Interesse vorbereitet. Während Kaffee und Tee schon lange Gegenstand kulinarischer Fachdebatten sind, spielt Kakao keine Rolle. Warum? Zu sehr ist er vom Image eines Kindertranks geprägt und ist in seinen vulgären industriellen Varianten am weitesten verbreitet. Anders als Kaffee und Tee ist er auch kein Wachmacher. Die anregende Wirkung, die man ihm bisweilen zuschreibt, ist — ebenso wie die aphro­disische — bloße Phantasterei. Sein Koffeingehalt ist minimal. Anregend ist wohl eher der viele Zucker, den Kakaogetränke aus dem Supermarkt besitzen. Zucker aber ist das blödeste pairing für Kakao. Dann lieber wieder Rosenwasser und Pfeffer!