»Ich war direkt verliebt«: Für Giovanni Aveta ist Pizza nicht mehr einfach bloß Pizza

Pizza wunderbar

Giovanni Aveta will die perfekte neapolitanische Pizza backen. Eine Bestellung bei der Kölner Pop-up-Pizzeria

Ich sehe zwei Menschen mit einer Thermo-Tragetasche am Straßenrand und weiß: Ich bin richtig!  »Pizza?«, fragt der junge Mann. Ich nicke. »Wie ist dein Name?« Die Übergabe verläuft schnell und unkompliziert. Geld gegen Ware: eine »Buffalo Bianca« und eine »Mediterranea« für abgezählte 21,50 Euro. Ein paar Meter weiter steht ein schwarzer PKW. Die Fenster sind runtergelassen. Die drei Männer haben weiße Papierser­vietten auf dem Schoß. »Wart ihr auch beim Dealer?«, frage ich . »Ja. Verrückte Sache«, sagt einer von ihnen vom Beifahrersitz. Dann kauen die drei weiter.

Im zweiten Shutdown im Frühjahr hat Giovanni Aveta begonnen, aus einer Küche im Agnesviertel neapolitanische Pizza zum Mitnehmen zu verkaufen. Der 24-Jährige ist gelernter Koch und arbeitet als stellvertretender Küchenleiter für ein Kölner Catering-Unternehmen. Und Aveta kocht auch in seiner Freizeit. Seit 2018 betreibt er den Youtube-Kanal »Giovanni’s Küche«. »Zu der Zeit bin ich auf Youtube auch drauf gestoßen, dass es neapolitanische Pizza gibt«, erzählt Aveta. »Bis dahin war für mich Pizza einfach nur Pizza.« Aveta informiert sich, reist im Herbst 2019 nach Neapel zum weltbekannten Pizzabäcker Gino Sorbillo. »Als ich das erste Mal in eine echte neapolitanische Pizza gebissen habe, war ich direkt verliebt«, sagt er und lacht. Pizza con passione nennt er das — Pizza mit Leidenschaft. Zurück in Deutschland unternahm er erste eigene Versuche. »Ich habe viel ausprobiert, auch viele Mehle, Tomaten, Öle getestet.« Und er begann, Videos zu erstellen, die ihn beim Backen zeigen. »Immer mehr Leute haben gefragt, ob man meine Pizza auch probieren kann.« Im vergangenen Winter kam Aveta dann die Idee mit dem Pop-up, bei dem man sich seit Januar an fast jeden Samstag seine Pizza Napoli abholen kann. Anfang Oktober bin auch ich Kunde.

Wart ihr auch beim Dealer?«, frage ich. »Ja. Verrückte Sache«, sagt einer auf dem Beifahrersitz und kaut weiter

Aveta wickelt alles über seinen Instagram-Kanal »Giovanni kocht« ab. Schon lange, bevor ich am Samstag die Pizzakarton mit seinem Logo in der Hand halte, nähere ich mich allmählich meiner Pizza an: Am Mittwoch wird auf Instagram die neue Karte veröffentlicht, am Donnerstag bestelle ich per Direktnachricht. »Passt 17.30 Uhr?« Am Freitag sehe ich zunächst, dass es nur noch wenige freie Plätze für eine Bestellung gibt. Kurze Zeit später dann: »Sold out!« — ausverkauft! Am Freitagabend kann ich in einem Clip verfolgen, wie mein Teig mechanisch geknetet wird. Dazu läuft R’n’B. Dann fliegen Bilder von Dosentomaten und Büffelmozzarella aus Italien über meinen Bildschirm — »solo qualità!«. Am Samstagmorgen sehe ich ein Blech mit kleinen Teigrohlingen. Einer davon ist meiner, denke ich. Die Vorfreude wächst. Noch sechs Stunden.

»Ich finde es wichtig, dass die Leute sehen, wie alles abläuft. Ich hab ja nichts zu verstecken«, sagt Aveta. Auf seinen Kanälen bei Youtube und Instagram, die jeweils mehrere Tausend Follower haben, geht es um Feinheiten beim Backen einer Pizza Napoli. Welche Dosentomaten? Welches Mehl? Welcher Ofen? Welcher Pizzaschieber? Aveta beantwortet die Fragen ­seiner Community. Nach dem Feierabend am Freitag »gehen eineinhalb Tage für meine Leidenschaft drauf«, sagt er. Normalerweise backt er 60 bis 80 Pizzen pro Woche in zwei kleinen Pizzaöfen, jeder groß genug für je eine Pizza. Immer im Angebot sind Margarita und Marinara. »Das sind die Pizzen, die in Napoli an erster Stelle stehen«, sagt Aveta. Sein kleines Business nutzt er auch, um der perfekten Pizza Napoli immer näher zu kommen. »Man lernt jede Woche etwas Neues.«

Was eine gute neapolitanische Pizza ausmacht? »Wenn sie ein ­Leoparding hat«, sagt Aveta. Die dunkle Musterung des Teigs ist typisch. Außerdem sei die Konsistenz wichtig. »Wenn man das Pizzastück in die Hand nimmt, muss es sich biegen, es darf nicht gerade stehen.« Pizza sei in Napoli früher Streetfood gewesen und zum Verzehr wie Papier gefaltet worden. »Deshalb heißt sie auch Pizza a Portafoglio. Man muss das Pizzastück falten können wie ein Portemonnaie«, erklärt Aveta. Viel Wert legt er auf seine Zutaten. Etwa die länglichen San-Marzano-Tomaten. »So wie sie früher und immer noch in Napoli verwendet werden. Das ist Ge­schich­te, da will ich nichts dran ändern«, sagt Aveta. Seinen Fior di Latte bekommt er aus Agerola, einem Gebiet an der Amalfiküste, das bekannt ist für seinen Käse. Sein Olivenöl wird aus den Bäumen seines Großvaters gewonnen. »Irgend­wann«, sagt der 24-Jährige, »würde ich gerne eine kleine Pizzeria oder einen Foodtruck eröffnen.«

Giovanni Avetas Pizzen sind kross und doch weich. Drückt man den Rand ein, bäumt er sich wieder auf. Der Geschmack einzelner Zutaten wie den aromatischen Tomaten oder dem cremigen Fior di Latte bekommt viel Raum. Mit jedem Bissen verstehe die Leidenschaft für »Pizza Napoli« ein bisschen besser.

instagram.com/giovannikocht/