To go ist kein No go mehr — Die Corona-Pandemie hat auch die Gastronomie völlig verändert

Wellenbrecher

Die Corona-Krise sorgte 2021 für viele Neuerungen in der Gastronomie. Das meiste wird bleiben. Ein Rückblick

Das Jahr 2021 begann in Kölns Gastronomien spät. Am 31. Mai endete für Restaurants und Cafés, für Im­bisse und Bars der Shutdown. Gastgeber und Gäste mussten sich nach fast sieben Monaten Entfremdung wieder aneinander gewöhnen. Zögerlich, unter Auflagen. Und doch war es eine erfreuliche Nachricht, vielleicht die erfreulichste des Jahres aus Sicht der Gastronomie: Der Großteil der Betriebe, von denen man im Shutdown nicht wusste, ob ihre Türen nur zeitweise oder dauerhaft verschlossen sein würden, kehrte zurück. Das befürchtete »Gastrosterben« blieb vorerst aus.

Nur wenige Wochen später schien die Krise schon weit weg. Menschen strömten im Sommer in die Lokale. Es dürstete sie nicht nur nach Kölsch, sondern auch nach Gesellschaft — vor allem an der frischen Luft in der Außengastronomie. Mittlerweile ist diese ­Aufbruchsstimmung verflogen.

Die Temperaturen sinken, die Inzidenzen steigen, die Umsätze brechen wieder ein. Die »IG Kölner Gastro« sprach Anfang Dezember von Umsatzrückgängen von 40 bis 70 Prozent. Die Interessensvertretung warnt: »Köln kollabiert.« Die Gastronomie blickt ungewiss auf den Winter. Die Wellenbewegungen der Corona-Pandemie sind auch die Wellenbewegungen der Gastronomie. Wird Gastgewerbe zum Saisongeschäft?

Dass es die meisten Betriebe überhaupt bis in den Winter 2021 geschafft haben, liegt nicht nur an Corona-Hilfen und Rücklagen. Viele Gastronomen haben in den vergangenen zwei Jahren eine Kreativität und Agilität bewiesen, wie sie Unternehmensberater predigen. Bars organisierten im Verbund Glühwein-Wanderungen, Sterne­küchen verkauften Menüs in Kochboxen, Braten und Cocktails gab es zum Mitnehmen für zu Hause. Das brachte zwar bei Weitem nicht die Umsätze aus dem Regelgeschäft — aber es hielt viele Betriebe im Gespräch und steigerte die Wertschätzung gegenüber der Branche. Schon im ersten Corona-Jahr war vielen Menschen vor allem in Städten die Bedeutung der Gastronomie bewusst geworden, als plötzlich die Zapfhähne trocken und die Küchen kalt blieben. Die wechselhafte Konjunktur brachte ungewohnte Probleme.

Das größte war der Personalmangel nach der Rückkehr in den Regelbetrieb. Viele nicht festangestellte Kräfte, die in der Gastro­nomie den Großteil der Belegschaft ausmachen, hatten sich im Shutdown andere Arbeit suchen müssen, vor allem bei Lieferdiensten für Getränke oder Lebensmittel. Sie kehrten nicht zurück. Der »Wir suchen«-Aushang am Eingang von Restaurants ist obligatorisch geworden. Manche Betriebe mussten gar in Zeiten hoher Nachfrage ihre Öffnungszeiten einschränken, weil ihnen das Personal fehlte.

Überdauern wird eine Verän­derung im Stadtbild: Schon 2020 ­hatten Politik und Verwaltung den Weg freigemacht für eine unbürokratische Umwidmung von Parkplätzen zu Außengastronomie. Über Jahre hatten Gastronomen um jeden Quadratmeter kämpfen müssen, erst recht, wenn er Stellplätze von PKW betraf. Nun aber ging es schnell: Wer einen Parkplatz vor dem Geschäft hatte, widmete ihn um. Zwar spricht man weiterhin von »temporär erweiterter Außengastronomie«, aber nach der Krise wird es wohl kein Zurück zum Blech geben. Zwar entschied der Rat der Stadt im November, dass die Gastronomie die Flächen auch 2022 nutzen darf — aber anders als in den beiden Vorjahren werden nun wieder Sondernutzungsgebühren erhoben. Auch wenn die Corona-Pandemie abebbt, werden wohl auch künftig mehr Menschen draußen essen und trinken wollen.

Trotz der schwierigen Bedingungen gab es in Köln nicht nur Wieder-, sondern auch Neueröffnungen. Viele dieser neuen Angebote sind niederschwellig, die meisten denken ein Liefer-Konzept gleich mit. Was nicht in die Box passt, schafft es nicht auf die Karte. Eine Sonderrolle nimmt die Hochküche ein. Für sie ist weder zentrale Lage noch Laufkundschaft bedeutsam. Im November eröffnete mit dem »Rays« eine Fine-Dining-Adresse am Gottesweg in Klettenberg, wo früher im ABS geschwoft wurde. Für den Jahreswechsel ist die mit Spannung erwartete Neueröffnung von Julia Komps »Sahila« angekündigt. Zudem hat Daniel Gottschlich die Gasträume und Menüs im Zwei-Sterne-Lokal »Ox & Klee« umgebaut — womöglich, um nach dem dritten Michelin-Stern zu greifen. Nachdem mit dem »Pottkind« in der Südstadt und »La Cuisine Rademacher« in Dellbrück 2021 zwei weitere Restaurants in Köln von den Kritikern ausgezeichnet wurden, darf Köln auch 2022 neue Sterne-Auszeichnungen erwarten. Die Hochküche geht voran, und die Kölner Gastronomie trotzt der Krise.