So zufrieden wie seine Gäste: Sterne-Koch Marlon Rademacher

»Ich kann mich ein bisschen mehr austoben«   

Marlon Rademacher, der in Dellbrück seinen Michelin-Stern verteidigt hat, über Jakobsmuscheln, Gabeln auf dem Boden und das Rechtsrheinische

Herr Rademacher, Sie sind im vergangenen Jahr mit Ihrem Restaurant »La Cuisine Rademacher« erstmals mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet worden. Jetzt haben Sie den Stern verteidigt. Was war aufregender?

Es war beides total aufregend. Wir hatten vor dem neuen Guide Michelin eineinhalb Wochen Betriebsferien um Karneval herum. Da war die Nervosität schon hoch. Obwohl wir ja kein schlechtes Gewissen haben mussten. Wir haben eine tolle Leistung erbracht in diesem Jahr: bestmögliche  Lieferanten, bestmögliche Produkte — trotzdem ist man angespannt. Die Auszeichnungen werden ja bis zuletzt geheim gehalten. Wir wissen vorab nicht mehr als alle anderen.

Wissen Sie, wann die Tester bei Ihnen waren?

Nein. Man kennt das ja aus Filmen: Wenn eine Gabel auf dem Boden liegt, dann ist das ein Testesser. Die Realität sieht anders aus. Wir wissen nicht, wann die Tester kommen und wer die Tester sind. Ich muss aber auch klar sagen: Es ist wunderschön, die Auszeichnung zu bekommen. Aber ich koche nicht für Testesser, sondern für meine Gäste. Der Testesser ist im Idealfall einer von vielen zufriedenen Gästen.

Was macht es mit einem Restaurant, einen Stern zu bekommen?

Als wir 2021 den Stern bekamen, hatten wir komplett mit Küchenhilfen gekocht. Die Personalsituation in der Gastronomie ist ja nicht gerade blendend. Und ohne Stern gutes Personal für die Küche zu finden, war total schwierig. Mit dem Stern ist es leichter, sehr gute und motivierte Mitarbeiter zu bekommen. In der Küche standen wir noch nie so gut da seit unserer Eröffnung 2018. Natürlich spürten neue Mitarbeiter — gerade die, die noch keine Sterne-Erfahrung hatten — dann anfangs Druck und haben eine gewisse Nervosität. Aber das legt sich nach ein, zwei Monaten.

Kommen mehr und andere Gäste, wenn man einen Stern hat?

Der Zuspruch ist hoch, aber der war bei uns — dreimal auf Holz geklopft! — schon immer sehr gut. Wir hatten nie große Probleme, den Laden voll zu machen. Was anders ist mit einem Stern: Man hat eine Auslastung über drei, vier Wochen, gerade an den Wochenenden. Man freut sich richtig, im Reservierungsbuch auch mal ein paar Seiten nach vorne zu blättern. Die Gäste kommen von weiter her, wir haben auch immer mehr internationale Gäste. Letztens kamen welche aus Valencia, die in Deutschland eine Sterne-Tour machen. Für mich als Koch gibt es kein schöneres Gefühl, als wenn jemand einen so weiten Weg auf sich nimmt, um bei mir essen zu gehen.

Man freut sich richtig, im Reservierungsbuch auch mal ein paar Seiten nach vorne zu blättern Marlon Rademacher

Was hat es für Ihre Arbeit bedeutet, einen Stern zu verteidigen? Verändert man wenig oder fängt man an, zu experimentieren?

Dellbrück ist nicht Berlin, Dellbrück ist ein Dorf. Da wird auf große Portionen geachtet. Seit dem Stern haben die Leute ein gewisses Vertrauen in mich bekommen. Sie sind mutiger, Menüs zu bestellen. Es fällt ihnen leichter, Essen als Genuss wahrzunehmen. Früher wurde gesagt: »Oh, da ist ja nur eine Jakobsmuschel auf dem Teller, da wird man ja nicht satt!« Diese Jakobsmuschel ist innerhalb von 15 Stunden aus dem Wasser in Köln, ein tolles Produkt! Mittlerweile sagen die Gäste: »Wow, was ist das für eine tolle Jakobsmuschel!« Die Leute geben mir Vertrauensvorschuss, und ich kann mich als Koch ein bisschen mehr austoben.   

In Köln findet Fine Dining vor allem in der Nähe der Innenstadt statt. Ist Dellbrück da ein Nachteil?

Für mich ist es ein Vorteil! Meine ersten Jahre im eigenen Restaurant waren ein Heimspiel. Ich bin hier aufgewachsen. Ich war bekannt. Das hat mir den Start schon leichter gemacht. Und für mich gibt es nichts Schöneres, als das erste Sterne-Restaurant in Dellbrück zu haben und auch im Rechtsrheinischen Sterneküche zu bieten.

Die Hochküche hat in den vergangenen Jahren in Köln, vor allem durch junge Köchinnen und Köche, enormen Aufschwung erfahren.

Ja, es ist wahnsinnig viel passiert! Ich habe von einem Stammgast ein cooles Geschenk bekommen: einen Michelin-Guide von 1995, meinem Geburtsjahr. Damals gab es nur ein Sterne-Restaurant in Köln. Dass Köln da zuletzt so aufgeholt hat, ist richtig schön. Da kann gerne noch was dazukommen.