Kohlkompromiss

Brokkoli und Blumenkohl gehen in die Saison. Aber wieso hat immer der Brokkoli bei der Kundschaft die Nase vorn?

Mit der Saison taucht wieder das Mysterium auf: Warum genießt der Brokkoli einen besseren Ruf als Blumenkohl? Dass der Blumenkohl in der klassischen französischen Hochküche mit den edelsten Zutaten konkurrierte, kann man sich heute kaum noch vorstellen. Er ist ein Allerweltsgemüse geworden. Wie kam das?

Noch in Maria Stubers Megaseller »Ich helf dir kochen« von 1955 tauchen etliche Blumenkohlrezepte auf — und nirgends Brokkoli. In der »Fresswelle« der BRD gab der Blumenkohl den Ton an. Doch mit der dann einsetzenden Italien-Reisewelle wird der Brokkoli auch hierzulande bekannt. Anfang der 60er Jahre findet man ihn schon in Roland Gööcks »Das neue große Kochbuch«, jedoch nur mit dem Hinweis, er werde zubereitet wie Blumenkohl. Dann kamen die 80er Jahre, und Brokkoli wurde — wie Kiwi in der Obstabteilung — zum ersten Hipster-Food. Lag’s an der frischen grünen ­Farbe? Oder am damals noch ­üblichen und weltgewandt wirkenden Doppel-C im Namen? Vor ­allem doch wohl daran, dass die deutsche »Plumpsküche« (Wolfram Siebeck) bis in die 80er Jahre hinein den Konkurrenten Blumenkohl so morbide präsentierte: totgekocht und ­unter dicken Soßen beerdigt.

Anders der Brokkoli, denn er traf mit den Ausläufern der Nouvelle Cuisine in der Alltagsküche ein. Man kochte nun al dente. Inzwischen hat der eigentliche Italien-Import hierzulande auch eine erstaunliche Laufbahn in den asiatischen Imbiss­küchen absolviert. Oft aber zerfallen seine Röschen dabei vollends, und die modische Kombination mit Ingwer oder Sojasauce drängt den Eigengeschmack in den Hintergrund. Es geht auch anders! Wer Brokkoli mit Bedacht röstet, braucht kaum noch weitere Zutaten, jedenfalls nicht, wenn man Wert auf geschmackliche Präsenz legt. Das gilt gleichfalls selbstverständlich für Blumenkohl. Beide schmecken auch roh! Was die Aromatisierung betrifft, kann man mit beiden tatsächlich ähnliches anstellen. Interessant und nicht zu auftrumpfend ist die Kombination mit Ei, Parmesan oder auch Kapern. Und die gegarten Strünke des Brokkoli erinnern sogar an grünen Spargel, wenn sie ähnlich schonend behandelt werden. Nicht umsonst heißt der Brokkoli auch: Spargelkohl. Hat er womöglich auch deshalb bei den spargelversessenen Deutschen das größere Renommee?