Lebensmittel aus der Region: Landwirt Thomas Neisse, © Momentsfotography by Robin Böttcher

In Lieferketten

Putins Angriff auf die Ukraine treibt auch die Preise für Lebensmittel in die Höhe. Was bedeutet das für die Ernährungswende in Köln und der Region?

Viele Lebensmittel könnten in den kommenden Wochen um bis zu 30 Prozent teurer werden. Das hängt auch damit zusammen, dass die Preise für Mineraldünger und Futtermittel steigen, die bislang aus Russland und der Ukraine importiert wurden. Zudem wird Energie teurer und damit ­unter anderem auch die Viehhaltung in Landwirtschaft, aber auch bei Transport und Logistik.

Das wirkt sich auch auf die Gastronomie aus. Da die Preise für Speiseöl auch nach oben geschnellt sind, haben manche Lokale schon die Pommes von der Speisekarte genommen.

Wie steht es bei den Landwirten der Region? Thomas Neisse, Landwirt in Erfstadt-Konradsheim, erreichen wir auf dem Handy, während er auf dem Trecker sitzt. Neisses Betrieb umfasst 220 Hektar, ein mittelgroßer Betrieb, sagt er. »Viehhaltung haben wir nicht, wir machen hauptsächlich Getreide — Dinkel, Weizen und Gerste — und außerdem Zuckerrüben und Eiweißpflanzen wie die Weiße Lupine«, so Neisse, der sich bei den  »R(h)einbauern« engagiert, einer regionalen Kooperative landwirtschaftlicher Familienbetriebe mit dem Ziel, dass wieder mehr Lebensmittel in der Region  produziert und auch verarbeitet werden.

Ja, sagt Neisse, es werde alles teuer. »Aber die Preise waren schon vor dem Krieg sehr hoch, etwa auch beim Dünger.« Bei Mineraldünger sei der Preis um das Vierfache gestiegen, und die Frage sei nun, ob man überhaupt noch welchen bekomme. »Dieses Jahr haben wir uns noch einigermaßen vorbereitet, wir haben letztes Jahr Dünger vorgekauft und mehr Diesel eingelagert, weil wir dafür die Möglichkeit geschaffen hatten«, so Neisse. »Aber viele Betriebe haben gar keine Möglichkeit dazu.« Wegen der Preissteigerungen beim Mineraldünger habe er sich zudem dafür entschieden, auch organisch zu düngen, die Quote liegt nun bei rund 35 Prozent, schätzt Neisse.


Alles wird jetzt teurer ­— denn alles wird transportiert und braucht Energie
THOMAS NEISSE LANDWIRT in ERFTSTADT

Auch die höheren Transportkosten treiben die Preise nach oben. Ein großer Teil des Getreides von Neisses Hof kommt zur gut 40 Kilometer entfernten Horbacher Mühle in Neunkirchen-Seelscheid. Dort, sagt Neisse, stiegen zudem die Kosten, weil auch Papier und Pappe für die Verpackungen des Mehls teurer werden. »Ich hab gehört, dass die Wartezeiten für Ein-Kilogramm-Tüten derzeit 24 Wochen beträgt«, erzählt Neisse. »Alles wird jetzt teurer — denn alles wird transportiert und braucht Energie, und Energie und Sprit sind teuer.«

Eine Besserung sieht Neisse derzeit nicht. »Die Verfügbarkeit von Getreide und Ölsaaten ist durch den Krieg in der Ukraine, die ein weltweit wichtiger Exporteur ist, erheblich gesunken. Die Ernte des vergangenen Jahres kann dort nicht abtransportiert werden, weil die Häfen blockiert sind. Und das Sommergetreide konnte  im März und April nicht gesät werden. Das Saatgut kommt nicht aufs Land«, so Neisse. »Es fehlt auch an Diesel, weil der fürs Militär gebraucht wird, und die Arbeiter stehen nicht zur Verfügung, weil sie im Krieg kämpfen.«

Schon werden weltweite Hungersnöte vorhergesagt und der Öko-Landbau steht in der Kritik, weil die Erträge niedriger sind als in der konventionellen Landwirtschaft. Umweltinitiativen empört das, weil in die Gesamtbilanz auch das dadurch erhöhte Artensterben, Nitrat im Grundwasser oder fehlender Klimaschutz bei der konventionellen Produktion eingerechnet werden müssten. Außerdem dürfe kein Getreide mehr für Sprit verwendet werden und der Fleischkonsum müsse sinken, weil Schweine und Hühner mit Getreide gefüttert werden.

Auch Florian Sander sieht das so. »Es wird immer noch Futtermittel um die halbe Welt gekarrt, um hier im Trog zu landen«, sagt der Geschäftsführer des Kölner Ernährungsrats. »Futtermittel kommen ja nicht nur aus Osteuropa, sondern teils aus Südamerika in Form von Sojaschrot.« Man könne viele Eiweiße ersetzen und in der Region Futtermittel anbauen, etwa Hülsenfrüchte, so Sander, zum Beispiel die Rheinische Ackerbohne. »Die wurde über Jahrhunderte hier im Rheinland angebaut, das wäre eine von vielen möglichen Alternativen«, sagt Sander, denn sie binde Stickstoff im Boden und reduziere den Einsatz von Düngemittel weitestgehend. »Dass wir regionale Wertschöpfung schaffen, regionale Kreisläufe etablieren, ist absolut notwendig für unsere Lebensmittelversorgung, für unsere Ernährungssouveränität«, sagt Florian Sander. »Ob Corona oder jetzt der Krieg — die Probleme mit globalen Lieferketten werden mit jeder neuen Krise deutlich. Es ist ein langer Weg, das zu ändern, aber wir müssen ihn endlich gehen.«