Brauer in vierter Generation: Paul Nolte

»Man braucht keine Honigmelone«

Der Brauer Paul Nolte über die Vormacht von Kölsch, die Rolle der Gastronomie und seine Begeisterung für Cristall-Bier

Herr Nolte, Ihre Vorfahren gründeten die Marke »Sester«. Sie verkaufen »Nolte Bier«, ein Cristall. Brechen Sie mit der Tradition?

Wir begründen eine neue Tradition! Ich bin die vierte Generation an Brauern in der Familie. Mein Großvater hat die Sester-Kölsch-Brauerei gegründet, die Braustätte lag gegenüber von unserem jetzigen Standort an der Vogelsanger Straße in Ehrenfeld. Sester war eine Biermarke, die die Identität der Stadt prägte, auch weil wir mit Pferdekutschen ausgefahren haben. Das »Sester Päd« ist Teil der Stadtgeschichte.

Aber Sie machen kein Kölsch.

Sester hatte nicht nur Kölsch, ­sondern auch Pils und Cristall. Ich habe unser Cristall nach alten Sudprotokollen nachgebraut. Dort sind alle Details festgehalten: Welches Wasser, welchen Hopfen hat man verwendet? Wie war das Verhältnis von Malz zu Wasser? Wann hat man wie lange Pause im Brauprozess gemacht? Ein Rezept für ein Bier ist schnell geschrieben: Wasser, Malz, Hopfen, dann Hefe — fertig. Aber ein Bier zu brauen, ist vielfältiger. Ich wollte unser Cristall wieder zum Leben erwecken. Aber wenn mich Leute fragen »Paul, schmeckt das Cristall so wie früher?«, muss ich trotzdem sagen: Weiß ich auch nicht. (lacht)

Cristall gab es bis in die 70er Jahre, aber es ist wie Pils oder Weizen vom Kölsch verdrängt worden

Was ist Cristall für ein Bier?

Die edle Form eines untergärigen Lagerbiers: sehr ausgewogen, weich, aber charaktervoll. Es hat was von einem Hellen, weil es eine hohe Trinkbarkeit hat, aber auch von Pilsener, weil es am Ende eine Herbheit hat. Das macht Cristall sehr zeitgemäß. Mich wundert, dass es vom Markt verschwunden ist.

Mit Kristallweizen hat es aber nichts zu tun?

Nein. Das müssen wir aber häufiger klarstellen.

Warum ist Cristall aus Köln verschwunden?

Cristall gab es bis in die 70er Jahre, aber es ist wie Pils oder Weizen vom Kölsch verdrängt worden. Bis in die 90er Jahre haben die Brauereien noch andere Stile produziert. Das hörte auf, als die Zahl der Brauereien zurückging und Kölsch überregional zur Marke wurde. Früher war Kölsch ein regionales Ding, mittlerweile trinkt man es in den USA. Die Vielfalt der Bierstile ist in Köln nach und nach ausgestorben. Aber Märkte ändern sich, gerade ist viel in Bewegung. Man muss aber sagen: Was kein Kölsch ist, ist in Köln derzeit eher ein Spezialitäten-Bier. Vielleicht schaffen wir den Turnaround.

Ist der kölsche Biertrinker offener geworden?

Der Kölschtrinker aus der Eckkneipe, der seit 40 Jahren am Tresen sitzt, vielleicht nicht. Aber gerade in der Altersspanne von 30 bis Ende 40 ist die Bereitschaft größer, Neues zu probieren. Bier ist ein Lifestyle-Produkt ge­worden. Auf der anderen Seite sinkt der Konsum, vor allem in unserer Region. Jede Kiste, die man verkauft, verkauft ein anderer weniger. Mittel- und langfristig tut mehr Vielfalt einer Bierregion aber gut.

Welche Rolle spielt Ihre Familiengeschichte für die Gründung Ihrer Biermarke?

Das Interesse an Bier war immer da. Das erste Praktikum in der Brauerei habe ich mit zwölf bei Sünner gemacht. Ich habe BWL studiert, aber für mich war immer klar: Es muss Bier sein! Nach dem Master habe ich eine Ausbildung bei Sünner und Früh gemacht, dann den Braumeister. Ich habe vier Jahre in das Handwerk investiert. Bier ist ein sensibles Produkt, für das ich mit meinem Namen einstehen will.

Wie wichtig ist Gastronomie, wenn man ein Bier einführen möchte?

Wir vertreiben Nolte auch über Büdchen, Getränkemärkte und Schnelllieferdienste. Aber Gastronomie ist der Weg, um ein Bier zu etablieren. Das ist markenbildend. Man findet Nolte im Zwei-Sterne-Restaurant wie dem Le Moissonnier, im Brauhaus im Speckgürtel und in der Szenekneipe. Das Schöne ist das Feedback. Der Gastronom kann dir sagen, wie die Leute das Bier finden.

Sie brauen nach Reinheitsgebot. Warum?

Ich bin Braumeister. Ich stehe für das Handwerk und die Rohstoffe, die wir verwenden dürfen, ein. Wenn man brauen kann, braucht man nicht mehr. Man kann über den Hopfen so viele Geschmacksrichtungen in ein Bier bringen, ohne zu pfuschen. Da braucht man keine Honigmelone, um ein Bier nach Honigmelone schmecken zu lassen. Craftbeer ist cool, weil es den Stellenwert von Bier erhöht hat. Aber die größte Kunst ist es, Lagerbiere zu brauen, weil man jede Nuance und jeden Fehler schmeckt.