Das Rendering der 60.000

Sci-Fi-Animationsfilm: »Final Fantasy« von Hironobu Sakaguchi

Plansequenz, Totale, Close-up? Es ist an der Zeit, den cineastischen Wortschatz zu erweitern. Zum Beispiel um das Wort »rendering«. Beim Rendering – der Begriff stammt aus der Computergrafik – kann es um Haaresbreite gehen. Nehmen wir Aki, die Hauptfigur in dem Film »Final Fantasy«. Sie hat 60.000 Haare. Jedes einzelne dieser Haare wurde in ein computergrafisches Gittermodell übertragen (»gerendert«). Virtuelle Lichtquellen bringen das Rendering der Sechzigtausend in erstaunliche Licht/Schatten-Verhältnisse. Ergebnis: sieht aus wie echt.
Was aber ist von einem Film zu halten, bei dem das Rendering auf Hochtouren läuft und der Verleih damit wirbt, »kein Stück menschlicher Haut« sei eingescannt worden, um diese »authentischen, menschlichen Charakteristika zu schaffen«? »Final Fantasy« ist ein Endspiel des Films, werden viele sagen. Andere, nicht zuletzt die Regisseure Hironobu Sakaguchi und Motonori Sakakibara, sehen es anders. Ihnen gilt der erste komplett digital animierte Film mit fotorealistischen »menschlichen« Akteuren als Auftakt zu einer neuen Ära des Kinos, in der die Welten von Film und Computerspiel endlich jene Synergie eingehen, die von den Techno-Auguren schon so lange herbeiprognostiziert wird.
»Final Fantasy« ist ein seit Jahren und in vielen Generationen erfolgreich verkauftes Rollenspiel-Game. Im Unterschied zu »Tomb Raider« arbeitet dieser Film allerdings ohne einen einzigen Schauspielermenschen, mit Ausnahme der Synchronstimmen.
Erzählt wird eine Allerwelts-Science-Fiction-Story: Irgendeine Bedrohung der Erde durch Aliens, die üblichen Finstermänner der Macht, das Unbewusste der Heldin.
Aki, die Frau mit den 60.000 Haaren, wie Lara Croft eine Vertreterin des neuen Typs der Action-Wissenschaftlerin, träumt viel und selten Gutes. Esoterische Eingebungen bringen sie auf die Spur des spirituellen Weltgeheimnisses, das schließlich, in einem Showdown der Virtualitäten ... aber lassen wir das. Die schnöde Diegese, die veraltete Narration, sie fallen nämlich kaum ins Gewicht. Die Aufmerksamkeit wird ganz auf die Oberflächen, Texturen und Renderings der Bilder gelenkt. Die Augen tasten dieses hochvirtuelle Stück Visualität auf seine Webfehler ab. Gebannt werden Farbverläufe gemustert und die Motorik der Figuren überprüft. Für diesen Film ist jede Vorführung ein Testlauf. Verfängt die Revue der Realitätseffekte? Nimmt man ihm ab, was er vorgibt zu sein?
Vorläufiges Testergebnis: Dem Film »Final Fantasy« gelingt es nicht, die Computerspiel-Logik der gestaffelten Levels und interaktiven Einbindungen in das alte Medium Film zu übersetzen. Aber laufende Kolonisierung des Kinos durch Game-Anmutungen nährt zumindest die Fantasie von der finalen Fantasie: die gelingende Transformation des Kino zur Konsole. Ohne ein Stück Haut, wohlgemerkt.

Final Fantasy – die Mächte in dir (Final Fantasy: The Spirits Within) J/USA 01, R: Hironobu Sakaguchi, Motonori Sakakibara, 90 Min. Start: 23.8.