Etikettenschwindel

So ziemlich am Ende der Geschichte stehen sich Johnny Depp und Penelope Cruz in Jogginganzug und ekelig bunten Blousons gegenüber. Wir sind im Jahr 1990 angelangt und das ehemalige Glamour-Paar George und Mirtha auf dem (nicht nur ästhetischen) Tiefpunkt ihrer Karriere als Gangsterpärchen geschieden, gealtert, zerrupft, desillusioniert und mittellos. Dass dieses Bild aber keines des Jammers oder der Besinnung, sondern zum Brüllen komisch ist, liegt an den unglaubwürdigen Kostümen und Masken. Erinnert sich noch jemand an Iris Berben und Dieter Krebs in »Sketchup«? Im Vergleich zu Cruz und Depp sind das Paradebeispiele von Dezenz und Realismus.
Begonnen hatte Regisseur Ted Demme die Gangsterbiografie »Blow« mit dem Hinweis »Based on a true story«. Könnte spannend werden: »Mein Name ist George Jung« lautet die Einleitung der vertrauten Mischung aus Biopic, Gangsterfilm und Period-Picture aus dem Off erzählt die Stimme der Hauptfigur und zugleich schwingt unhörbar »In memoriam GoodFellas und Casino mit. Wenig später taucht auch schon der »GoodFellas«-Star Ray Liotta auf; hier ist er Georges Vater und gleichzeitig der lebende Verweis auf ein Kino, das »Blow« nicht werden kann.
Seinen Kindheitsschwur, niemals arm zu sein, will George im südlichen Kalifornien der 60er verwirklichen. Dort steigt er locker zum allseits beliebten Marihuana-Dealer auf Sonne, Strand, Partys, Kiffen, etc verliebt sich in die Stewardess Barbara (Franke Potente) und baut mit ihrer Hilfe und ein paar Freunden einen florierenden Drogenhandel auf. California Dreaming, dann geht es Schlag auf Schlag: Zwei Jahre Knast, Barbara stirbt an Krebs, George steigt ins Kokaingeschäft ein, Kontakt mit dem Medelin-Kartell, Aufstieg zum Kompagnon von Pablo Escobar (Cliff Curtis), Heirat mit der Kolumbianerin Mirtha, Geld bis über beide Ohren, Geburt von Tochter Kristina, Ärger, Betrug und Verrat, Bankrott, Gefängnis.
Derart im Stakkato die Ereignisse abzuhaken, sagt vielleicht ebenso viel über »Blow« wie die Ereignisse selbst. Denn »Blow« erzählt weniger eine Geschichte, als dass er ihre Eckdaten (und es gibt viele davon) aneinander reiht, durch einen Kommentar verbindet und somit wie ein einziges Versprechen auf die Geschichte funktioniert. Weder Johnny Depp noch Franka Potente oder Penelope Cruz können da etwas anderes werden als eindimensionale Stellvertreter von etwas, das irgendwie mehr sein muss als das, was wir sehen dürfen. Die Distanz zum Film, die daraus erwächst, ist der Unglaubwürdigkeit der späteren Kostümierung von Depp und Cruz nicht unähnlich. Alles bleibt Zeichen anders gesagt: »Blow« ist der zwei-Stunden-Trailer eines Filmes, den ich gerne gesehen hätte.

Blow (dto) USA 01, R: Ted Demme, D: Johnny Depp, Franka Potente, Penelope Cruz, 124 Min. Start: 26.7.