»Verderbung der Moral Jugendlicher«
»Es wird nie wieder einen Star wie mich geben«, hat Mae West einmal von sich gesagt. Bereits mit fünf Jahren trat die Tochter eines Preisboxers vor Publikum auf — und wurde in New Yorker Vorstadtrevuen als »Baby-Vamp« zum Verkaufsschlager. Später machte Mae West den lasziven Tanz »Shimmy« am Broadway populär: Die Schultern werden geschüttelt, der gesamte Körper gebeugt, dazu X-Beine. Doch der Durchbruch kam erst später.
Nämlich 1926, als sie unter dem Namen Jane West ihr erstes Theaterstück, die Komödie »Sex« über eine New Yorker Hafennutte, schrieb und inszenierte. 375 Vorstellungen spielte man im »Dalys Theatre«, bis die »Gesellschaft zur Bekämpfung des Lasters« eine polizeiliche Schließung erreichte. Wegen »Verderbung der Moral Jugendlicher« wurde Mae West zu einer achttägigen Haft verurteilt, der Vorwurf: frivole Dialoge und ein unzüchtiger Bauchtanz, der angeblich den Liebesakt suggerierte. Mit einem Arm voller Rosen traf Mae West im Frühjahr 1927 schließlich auf der Strafinsel ein. Vor Gericht hatte ihr Verteidiger für sie erstritten, dass sie während der Haft seidene Unterwäsche tragen dürfe.
Zwei weitere Theaterstücke schrieb die Komödiantin in den darauf folgenden Jahren noch, darunter »The Drag« über die Probleme eines Homosexuellen. Mae West hatte es dem Juristen Karl Heinrich Ulrichs gewidmet, der schon 1867 auf dem »Deutschen Juristentag« die Abschaffung aller gegen Homosexualität gerichteten Paragraphen gefordert hatte. Ihrer Karriere tat dieses politische Engagement keinen Abbruch: Mae West spielte in zahlreichen Hollywood-Filmen mit, zum Boykott riefen die Sittenwächter dennoch auf. Doch sie setzte noch einen drauf und empfing in ihrem Appartment in der Rossmore Avenue — gold getönte Möbel im Louis-Quatorze-Stil und ein Doppelbett mit einem mit Ornamenten geschmückten Baldachin und riesigem Spiegel — männliche Besucher, die aus unterschiedlichen Gründen zu ihr kamen. Im Alter von 87 Jahren starb Mae West am 22. November 1980. Ihr Kampf für die Freiheit der Liebe und die Gleichheit der Geschlechter hat bis heute Spuren hinterlassen.
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