»Gefährliche Falle«
Erst 2023 wurde Köln vom Online-Magazin Lust zur freizügigsten und liberalsten Stadt der Welt gekürt — weil Menschen ihre Sexualität hier am offensten und sichersten ausleben könnten, so das Magazin. Die Schaafenstraße mit ihren sieben Gay-Bars wird von Kölntourismus als »Hotspot für die LGBTQIA+-Community« beworben. Doch ausgerechnet dort mehren sich nun die Berichte über Übergriffe gegen homosexuelle und trans* Personen.
Anfang März traf es ein Paar, das sich anschließend an die Stadtrevue gewendet hat. An einem Samstagabend spazierten Alex Weber und Thimo Busser (Namen geändert) von der Schaafenstraße Richtung Rudolfplatz. Am Mauritiuswall, auf Höhe der Stadtsparkasse, seien sie von drei dunkel gekleideten Männern nach einer Zigarette gefragt worden. »Als wir verneint haben, sind wir von den Angreifern umgerannt worden«, sagen sie. Während sie am Boden liegend um Hilfe gerufen hätten, hätten die Täter sie geschlagen und getreten, was zu Gehirnerschütterungen, einer Platzwunde am Kopf und einem Muskelbündelriss in der Wade geführt habe. Die Täter seien in Richtung Rudolfplatz geflüchtet, als Polizei und Krankenwagen eintrafen.
Die attackierten Männer gehen davon aus, dass die drei Angreifer zuvor Lachgas inhaliert hatten — eine Modedroge, die angstmindernd wirkt. Weber und Busser teilten den Übergriff in den Sozialen Medien, um andere zu warnen. Daraufhin meldeten sich Passantin*innen, denen ebenfalls die dunkel gekleideten Männer, die einen schwarzen Luftballon dabeigehabt haben sollen, aufgefallen seien. Auch ein Krankenpfleger in der Notaufnahme, der am Bankautomat Geld abheben wollte, soll die drei bemerkt haben. Wenige Tage vorher sei eine weitere Person mit einer ähnlichen Geschichte in der Notaufnahme versorgt worden.
Die Ermittlungen dauerten derzeit noch an, so ein Sprecher der Kölner Polizei. Die Pressestelle bestätigt jedoch nicht, dass die Gewalt rund um die Schaafenstraße in den vergangenen Monaten grundsätzlich zugenommen habe. Seit Mitte 2021 erfasst die Kölner Polizei in einer gesonderten Auswertung Straftaten mit queerfeindlichem Beweggrund. »Im Bereich der Schaafenstraße sind in den Jahren 2022 und 2023 jeweils nur zwei Anzeigen erfasst, bei denen ein queerfeindliches Motiv angenommen wird«, so ein Sprecher.
Es ging den Angreifern wohl wirklich um den Spaß am ZuschlagenThimo Busser
Jedoch ist unklar, wie hoch die Dunkelziffer ist. In einer EU-Studie beteiligten sich 2020 mehr als 16.000 LGBTQI* aus Deutschland — nur 13 Prozent gaben an, nach einem Übergriff die Gewalttat angezeigt zu haben. Um dieser Tendenz und der Gewalt gegen queere Menschen entgegenzuwirken, hat sich die Stadtarbeitsgemeinschaft Queerpolitik in Köln gegründet: ein Bündnis, dem neben Queer-Organisationen auch Stadt, Polizei und Staatsanwaltschaft angehören. Außerdem gibt es seit 2024 eine zentrale Meldestelle für Queerfeindlichkeit in NRW. So versichert auch der Kölner Polizeisprecher gegenüber der Stadtrevue, dass die Ängste und Sorgen von Wirt*innen und Besucher*innen der Schaafenstraße ernst genommen würden und die Polizei dort Präsenz zeige.
Die Geschädigten hingegen empfinden die derzeitige Situation am Mauritiuswall als »kontraproduktiv«. Seit einiger Zeit versperrt ein blickdichter Bauzaun die Sicht von der Schaafenstraße in die Passage. Zuvor hatte Securitypersonal der benachbarten Bars Einblick in den dunklen Durchgang. Das mache die Passage nun zu einer »gefährlichen Falle, die sich die drei Angreifer zunutze gemacht haben«, so Busser. Denn: »Die Angreifer gingen gezielt und effizient vor und wussten genau, was zu tun ist. Es ging ihnen wohl wirklich um den Spaß am Zuschlagen«, so Weber.
Ob es sich um einen gezielt homophoben Angriff gehandelt hat oder der Ort durch die unübersichtliche Situation als günstig ausgemacht und Busser und Weber »als vermeintlich wenig wehrhafte Opfer identifiziert« wurden, sei unklar: »Jedenfalls sorgen wir uns um den Safe Space Schaafenstraße.«