»So ein Gebäude nutzen zu dürfen, ist ein Privileg«: Offene Jazzhausschule in der Eigelsteintorburg

Gemeinwohl vertagt

Initiativen hoffen auf neue Regelung zum Erbbaurecht

Joscha Oetz und sein Team warten seit Monaten auf den erlös­enden Ratsbeschluss. Von dem hängt ihr Pachtvertrag für die denkmalgeschützte Eigelsteintorburg und damit der Standort der Offenen Jazzhausschule ab. Doch der Liegenschaftsausschuss vertagte Anfang März einen Grundsatzbeschluss zu Erbbaurechtsverträgen. Betroffen ist auch die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM). Die Verträge für beide Gebäude laufen am 30. Juni aus.

Dabei sind Verwaltung und Politik sich eigentlich einig. Gemeinnützige Initiativen und Vereine, die eine städtische Liegenschaft nutzen, sollen einen besonders günstigen Zinssatz von 0,75 Prozent zahlen. Eine Sanierung, wie sie bei der Eigelsteintorburg demnächst ansteht, kann außerdem künftig mit der Zinszahlung verrechnet werden. Der Deal lässt sich so zusammenfassen: Die Initiativen stecken Arbeit in die oft denkmalgeschützten Gebäude und beschaffen Fördergelder, zu denen die Kommune selbst keinen Zugang hat. Dafür können sie Gebäude in oft zentraler Lage nutzen — zu Kosten, die weit unter marktüblichen Mieten liegen. Für Joscha Oetz geht das auf: »So ein Gebäude nutzen zu dürfen, ist ein Privileg. Das wissen wir zu schätzen«, sagt er.

Liegenschaftsdezernent William Wolfgramm, der den Grünen nahesteht, verantwortet die Vorlage. Sie folgt als zweiter Baustein auf einen Beschluss, nach dem städtische Grundstücke nicht mehr verkauft, sondern bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich in Erbpacht vergeben werden sollen. Die Idee: Städtischer Boden soll so eingesetzt werden, dass bezahlbare Wohnungen ­entstehen und soziokulturelle Räume trotz allerorts steigender Mieten und Kaufpreise erhalten bleiben.

Zunächst beschloss der Rat eine Regelung für den Wohnungsbau. Wer eine Quote für bezahlbare Wohnungen erfüllt, bekommt einen reduzierten Pachtzins von 1,5 Prozent. Für frei finanzierte Wohnungen zahlen Investoren vier Prozent auf den Grundstückswert. Nun sollen die 0,75 Prozent für gemeinnützige Träger folgen.

Das Liegenschaftsdezernat spricht von einem »Instrument ­einer gemeinwohlorientierten ­Bodenpolitik.« Eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe soll sie auswerten und Anpassungen ­vorschlagen. In Abgrenzung zur Renditeorientierung tritt damit der Begriff der Gemeinwohlorientierung in den Vordergrund. Doch ist der Begriff nicht ganz klar. ­Bezahlbares Wohnen ist zwar oft ­damit gemeint, wird aber nach Skandalen Ende der 80er Jahre nicht mehr als gemeinnütziger Zweck anerkannt. »Wohnungsbau unterliegt einem anderen Geschäftsmodell als soziokulturelle Nutzungen«, sagt Niklas Kienitz (CDU) und erklärt so die unterschiedlichen Zinssätze. Gemeinwohlorientierung sei ein undifferenziert und häufig genutzter ­Begriff, der »im jeweiligen Kontext einer Definierung« bedürfe. »Jede Nutzung muss sich am Ende rechnen.«

In der Stadtentwicklung tritt der Begriff Gemeinwohl­orientierung in den ­Vordergrund — doch er ist nicht ganz klar

Lehrreich sind Erfahrungen der Mietergenossenschaft in Zollstock. Mehr als hundert Sozialwohnungen in 16 Häusern plante sie am Kalscheurer Weg. Als eine der ersten vereinbarte sie mit der Stadt einen Erbpachtvertrag unter den neuen Bedingungen. Doch auch mit dem ermäßigten Zinssatz von 1,5 Prozent und einem Grundstückswert, der sich nicht an der maximalen Verwertung ­orientiert, blieb die Finanzierung schwierig. Künftige Bewohner*­innen müssen neben dem Wohnberechtigungsschein Kapital ­mitbringen, um sich über Genossenschaftsanteile an der Finanzierung zu beteiligen.

»Es gibt keine Lösung für alle«, sagt Dorothee Frings aus dem ­Vorstand des Vereins, der den seit Jahren leerstehenden Petershof in Müngersdorf in ein Gebäude mit Wohnungen, soziokulturellen Nutzungen und Kita verwandeln will. Frings begrüßt die neuen Regelungen, kritisiert aber das Verständnis von Gemeinwohlorientierung. Bezahlbarer Wohnraum stehe nicht auf einer Stufe mit der Arbeit gemeinnütziger Vereine. Bei der gegenwärtigen Wohnungsnot sei das unverständlich: »Das ist unser zentrales Problem.« Jeder Euro Pachtzins schlage sich letztlich im Preis für die Wohnungen nieder. Die Stadt sei mutlos, so Frings.

Auch wenn der Rat der Stadt den niedrigen Zins für soziokulturelle Projekte beschließt, kommt er für den Petershof zu spät. Der Entwurf für ihren Vertrag sei in der Endabstimmung, sagt Frings. Sie ist dennoch guter Dinge, dass ein Teil ihrer Investitionen auf die Zinszahlungen angerechnet werden kann. Auch sie kümmern sich schließlich um ein denkmalgeschütztes Gebäude. Die Sozialwohnungen sollen an Menschen vermietet werden, die auf dem Wohnungsmarkt besonders benachteiligt sind. Aus dem Rathaus ist derweil zu hören, dass es Überlegungen gibt, die Regelungen zum Erbbaurecht auch für den Wohnungsbau zu überarbeiten.