Klimaschutz, Genosse!
Köln soll bis 2035 klimaneutral werden. Hinter diesem Ziel haben sich Stadtverwaltung, Politik und weite Teile der Kölner Bevölkerung versammelt. Wie ambitioniert es ist, weiß Frank Schillig. Der Experte für erneuerbare Energien ist Mitglied des Kölner Klimarats. Das Gremium, 2020 zusammengestellt aus Fachleuten verschiedener Bereiche, hat Handlungsempfehlungen für Kölns Weg zur Klimaneutralität erarbeitet. »Das eine ist, zu sagen: Wir wollen klimaneutral werden«, so Schillig. »Das andere ist, es konkret runterzubrechen auf viele kleine Aufgaben, an denen man arbeiten muss.«
Schillig will diese Aufgaben mit einer ungewöhnlichen Herangehensweise lösen: Er hat eine Genossenschaft gegründet. »Wir haben ein Instrument gesucht, das agiler ist und möglichst viele Menschen mitnehmen kann«, sagt der Co-Vorstand von »HeuteStadtMorgen«. Eine Genossenschaft sei ideal. »Sie kann unendlich viele Mitglieder aufnehmen und ist gleichzeitig basisdemokratisch.« Zudem müsse Klimaschutz »anfassbar und erlebbar werden, und das möglichst schnell«. Und er betont noch einen Vorteil für Klimaschutz-Maßnahmen, die viele als Einschränkung empfinden: »Eine Genossenschaft schafft auch ein Gefühl von Zugehörigkeit.«
HeuteStadtMorgen möchte lokale Klimaschutz-Projekte ausfindig machen und finanzieren. »Wir wollen in allen Bereichen, in denen klimaschädliche Stoffe emittiert werden, wirksam werden«, sagt Schillig. Das seien nicht nur Felder wie Photovoltaik oder Ladestationen für E-Autos, sondern auch Landwirtschaft und Ernährung oder Bildung. Sogenannte Aktivkreise sammeln Vorschläge für Projekte in Feldern wie Mobilität, Begrünung oder Gebäudebestand.
Wir sind keine Stiftung. Was wir machen, muss wirtschaftlich seinFank Schillig, heutestadtmorgen
Ein Genossenschaftsanteil kostet 111 Euro. Das Geld nutzt HeuteStadtMorgen als Eigenkapital, um es in Projekte zu investieren. Das erste läuft gerade an: Auf fünf Mehrfamilienhäusern der Wohnungsgenossenschaft Köln-Süd in Zollstock sollen noch in diesem Jahr Photovoltaik-Anlagen entstehen. Der Strom soll den Bewohnern als Mieterstrom zur Verfügung gestellt werden. Welche Projekte wann folgen, ist abhängig davon, wie schnell die Genossenschaft wächst. Bisher hat sie 150 Mitglieder. »Wir wollen Richtung 10.000 Mitgliedern gehen, um eine repräsentative Zahl an Menschen aus der Stadtgesellschaft zu vereinen«, sagt Schillig, einer von 18 Gründungsgenossen. Dafür braucht es viele, aber auch unterschiedliche Menschen. »Deshalb sprechen wir mit Kirchen, Sportvereinen, Wohnungsgenossenschaften, migrantischen Vereinen.«
Seinen Mitgliedern verspricht HeuteStadtMorgen eine solide Rendite. »Wir sind keine Stiftung. Was wir machen, muss wirtschaftlich sein«, erklärt Schillig. Auch das soll Menschen von der Klimagenossenschaft überzeugen. »Wir glauben, dass uns viele Menschen ihr Geld anvertrauen, wenn sie sehen, dass sie damit in gute Projekte investieren, die obendrein eine Verzinsung von vielleicht vier Prozent bringen.« Neben der Genossenschaft will man eine gemeinnützige GmbH gründen, um auch Spenden und Zuwendungen annehmen zu können und Projekte zu realisieren, die nicht wirtschaftlich sind. »Photovoltaik oder Windkraft bringt Erlöse. Einen Baum zu pflanzen, nicht. Aber auch solche Felder möchten wir bedienen, um die gesamte Bandbreite an Maßnahmen zum Klimaschutz abzudecken.«
Dafür denkt HeuteStadtMorgen groß. »Wir glauben, dass man mit einem regionalen Rahmen auch große Unternehmen ins Boot bekommt. Wir sprechen bereits mit der Rheinenergie über Photovoltaik auf dem Dach des Rheinenergiestadions und an anderen Standorten. Oder warum sollte Rewe nicht in Kooperation mit uns seine Filialen in Köln grüner machen?«, sagt Schillig. Überhaupt hoffen die Klimagenossen, dass von Köln ein neuer Impuls im Klimaschutz ausgeht: »Viele Genossenschaften im Bereich Klimaschutz konzentrieren sich auf Solar- oder Windenergie, weil es sich wirtschaftlich gut darstellen lässt«, sagt Vorstand Frank Schillig. »Aber das gesamte Thema Klimaschutz zusammengefasst in einer Genossenschaft — das gab es in Deutschland bisher nicht. Das könnte zu einer Blaupause für andere Städte werden.«