»Wir können nicht streiken«
Frau Wüpping, sind Sie gerne Tagesmutter?
Es ist ein toller Beruf! Ich habe Bürokauffrau gelernt, aber durch meine eigenen Kinder erlebt, wie schön es ist, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten. Seit 2013 betreue ich nun im eigenen Haus fünf Kinder. In dieser Zeit hat sich der Beruf professionalisiert: Wir besuchen mehr Fortbildungen, und inzwischen arbeiten 54 Prozent der Kolleginnen in angemieteten Räumen. Großtagespflegen, wo zwei Tagespflegepersonen bis zu neun Kinder betreuen, sind regelrechte Mini-Kitas geworden.
Trotzdem geben immer mehr Tageseltern auf.
Zu Spitzenzeiten gab es mehr als tausend Tageseltern in Köln, jetzt sind es noch 823. Sie geben auf, weil Mieten und Energiekosten steigen, aber das Einkommen kaum. Für viele ist es nicht mehr auskömmlich.
Wie viel verdienen Sie?
Wir erhalten 3,61 Euro pro Kind und Stunde, wobei die Kolleginnen in angemieteten Räumen noch einen Zuschuss von einem Euro pro Kind und Stunde erhalten. Diese Förderleistung ist seit 2013 kaum gestiegen, damals lag sie bei 3,27 Euro. Das gleicht die Inflation nicht annähernd aus. Immerhin haben wir kürzlich eine Einmalzahlung vom Land erhalten. Insgesamt verdiene ich netto weniger als 1900 Euro — für 36 Wochenstunden, wobei noch Arbeit hinzukommt: Dokumentations- und Verwaltungsarbeiten, Elterngespräche, Putzen, Kochen, Bastelangebote vorbereiten.
Haben Sie überlegt, aufzuhören?
Ich habe überlegt, umzuziehen und woanders als Tagesmutter zu arbeiten. Die Kommunen entscheiden, wie sie Tageseltern vergüten. Die Unterschiede in NRW sind enorm: Bis zu sechs Euro pro Kind und Stunde zahlen manche Kommunen. Köln liegt unter dem Durchschnitt — bei sehr hohen Lebenshaltungskosten. Doch ich bin hiergeblieben und habe mit Kolleginnen den Verein Kölner Kindertagespflege gegründet. Nun haben wir erstmals eine Interessensvertretung und führen Gespräche mit Politikern und dem Jugendamt.
Ohne Tageseltern wäre Köln bei der U3-Betreuung aufgeschmissen: Der Rechtsanspruch auf Betreuung könnte gar nicht mehr eingelöst werden.
Köln ist auf Tagespflege angewiesen. Doch es gibt keine Richtlinie, die Bezahlung und Anforderungen der Qualifizierung transparent regelt. Dazu sind die Kommunen eigentlich verpflichtet. Uns Selbständigen fehlt das Druckmittel. Wir können nicht streiken.
Es wird übersehen, was Tagespflege leistet, gerade im U3-Bereich Kirsten Wüpping
Was wäre eine angemessene Bezahlung?
Wir fordern pro Kind und Stunde 5,30 Euro für Betreuung plus mindestens 1,88 pro für Sachleistungen wie Miete, Strom und Gas. Wer extra Räume anmietet, soll einen Mietzuschuss von 1,30 Euro erhalten. Außerdem soll die Zahlung nach Qualifizierung und Erfahrung gestaffelt werden. Wer anfängt, bekommt zurzeit so viel Geld wie ich nach elf Jahren.
Fühlen Sie sich gegenüber Kitas benachteiligt?
Sie stehen viel weniger im Fokus der Öffentlichkeit. Es wird übersehen, was Tagespflege leistet, gerade im U3-Bereich. Die Gruppen sind klein, familiennah, man hat den täglichen Austausch mit den Eltern. Das ist sehr wichtig bei der ersten Trennung von den Eltern. Die muss sanft und gut begleitet sein. Zudem benötigen Eltern die Betreuung! Kitas können das nicht leisten, weil die Stadt den Personalausbau hat schleifen lassen. Benachteiligt fühlen wir uns auch bei der jährlichen Landesförderung: Eine U3-Kita-Gruppe mit zehn Kindern erhält jährlich 246.000 Euro, eine Großtagespflege mit neun U-3-Kindern dagegen nur 10.500 Euro an öffentlichen Mitteln.
Wirkt sich die schlechte Bezahlung auf Ihre Arbeit aus?
Jede Tagesmutter, die sich Gedanken machen muss, wie sie Rechnungen zahlt, ist nicht nur fromm und frei in der Ausübung. Viele neigen dazu, krank zu arbeiten, denn wenn mehr als 21 Krankheitstage jährlich anfallen, muss Geld zurückgezahlt werden. Das kann so nicht weitergehen.