Den Rhein überwinden
Köln ohne den Rhein? Unvorstellbar. Allein die Karnevalslieder, die uns dadurch fehlen würden! Aber so oft der Rhein auch besungen und so sehr der Rhein von Köln touristisch vermarktet wird — er schafft Probleme, und die werden augenscheinlich immer größer. Denn ein Fluss mitten durch die Stadt ist eben auch immer ein Hindernis. Umso wichtiger sind die sieben Kölner Rheinbrücken. Denn sie sind ganz wesentlich für den (Auto-)Verkehr durch die Stadt, für die Verkehrsströme über den Strom: von der Mülheimer Brücke im Norden, die gerade saniert wird, bis zur Rodenkirchener Brücke im Süden, die möglicherweise abgerissen und neu gebaut werden soll. Die Leverkusener Brücke, deren linksrheinische Auffahrt in Merkenich liegt, zählen wir als achte Kölner Brücke hinzu. Im Februar wurde ihr Neubau für den Verkehr freigegeben, das alte Bauwerk steht vor dem Abriss.
Abriss und Neubau oder Sanierung und Ausbau — das sind auch die Themen, um die es bei den Brücken zumeist geht und die für erbitterte Debatten sorgen. An den Brücken zeigt sich nämlich vor allem zweierlei:
zum einen, wie sehr man in Köln über Jahrzehnte die Instandhaltung der Infrastruktur vernachlässigt hat, und zum anderen, wie man heute die so oft angekündigte Verkehrswende vollziehen will — oder eben nicht.
Die Brücken sind nicht nur, aber vor allem Brücken für den Autoverkehr — das erleben wir bei den Planungen zur Rodenkirchener Brücke, die 2034 abgerissen und deren Neubau zwei Fahrspuren mehr haben soll. Auch weiter südlich sollen noch mehr Autos ohne Umwege den Rhein queren können. Die Autobahn GmbH des Bundes hat über Jahre das Mega-Projekt Rheinspange 553 mit einer breit angelegten Bürgerbeteiligung vorangetrieben, um die A 59 bei Spich mit der A 555 in Wesseling zu verbinden. Die Möglichkeit, auf den Ausbau zu verzichten, war schnell vom Tisch. Stattdessen ging es nur um Varianten der Trassenführung. Allerdings wird es nun keine Brücke, sondern einen Tunnel geben. Es wäre der erste Rheintunnel in Köln; wobei das Projekt streng genommen knapp hinter der Stadtgrenze umgesetzt wird. Doch sind die Auswirkungen durch den Tunnel auf den Verkehr in Köln von entscheidender Bedeutung.
Und im Süden ist noch eine weitere Brücke geplant, allerdings nicht noch einmal für den Autoverkehr. Weil es rechtsrheinisch eine durchgehende Stadtbahnstrecke nach Bonn geben soll, die auch ans linke Rheinufer anschließt, könnte es eine Stadtbahnbrücke vom Bahnhof Sürth nach Porz-Langel geben — so zumindest die recht neuen Überlegungen der Städte Köln und Bonn sowie des Rhein-Sieg-Kreises. Andere ÖPNV-Varianten über den Rhein werden schon seit Jahren im Kölner Stadtrat diskutiert: Wasserbusse mit mehreren Haltestellen entlang der beiden Rheinufer; ein Seilbahn-System in der Innenstadt, und immer wieder auch Vorschläge für neue Fährverbindungen, etwa in Niehl. Trotz vieler Diskussionen und Machbarkeitsstudien geht das alles aber kaum voran. Schneller könnte es zwei neue Radbrücken geben — das klingt schon eher nach Verkehrswende, aber auch hier gibt es Kritik: Helfen sie tatsächlich bei der Verkehrswende oder dienen sie nur als Symbol dafür?
Schnelle Lösungen erscheinen jedenfalls geboten, denn der Verkehr nimmt immer weiter zu. Jeden Tag pendeln fast 360.000 Menschen nach Köln — und eine ähnlich große Menge verlässt täglich die Stadt. Digitalisierung und Home Office zeigen offenbar keinen nennenswerten Effekt, und auch in der Freizeit nimmt die Mobilität immer weiter zu. Ob das nun die oft zitierte Teilhabe befördert oder bloß das Verkehrschaos mit seinen Folgen für Umwelt, Klima und Lebensqualität — auch darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Den Rheinbrücken jedenfalls kommt bei dieser Entwicklung eine wichtige Rolle zu. Welche genau, das wird heftig debattiert. Das sprichwörtliche Brücken bauen ist beim Brückenbauen nicht zu erwarten. Es scheint vielmehr, dass die Rheinquerungen die Stadt eher spalten, so wie der Strom, der so oft besungen wird, gewissermaßen auch.
Bernd Wilberg
Den Bogen überspannen
Die Erweiterung der Hohenzollernbrücke hat eine Debatte um die künftige Gestaltung von Brücken entfacht
So wie sie sich am Dom vorbei zwängt, wundert es kaum, dass die Hohenzollernbrücke, Deutschlands meistbefahrene Eisenbahnbrücke, schon immer ein Nadelöhr war. Geplant als Ersatz für die von den Hohenzollern errichtete zweigleisige Dombrücke, fertiggestellt 1911 unter Wilhelm II., war sie Knotenpunkt der deutschen Kriegsmaschinerie im Ersten Weltkrieg; zerstört von deutschen Soldaten auf dem Rückzug im Zweiten Weltkrieg, danach wiederaufgebaut mit zunächst zwei Brückenbögen, ohne Autofahrbahnen und Portale. Ende der 80er Jahre ergänzte man sie um einen dritten Bogen mit Gleisen: Heute ist die Hohenzollernbrücke nicht nur für den Schienenverkehr zentral, sie spielt auch im Stadtgedächtnis eine herausragende Rolle. Das wissen sogar die russischen Propagandisten, die auf die Diskussion um den Einsatz deutscher Marschflugkörper in der Ukraine reagierten, indem sie die Hohenzollernbrücke als ein mögliches Ziel für Vergeltungsangriffe nannten.
Historische Bilder wie die von den halb versunkenen Brückenbögen im Rhein oder August Sanders Porträts des Bauwerks, mal mit Eisenbahnen, mal mit geisterhafter Leere zwischen den Stahlträgern, kennt wohl jede Kölnerin und jeder Kölner. Die Postkartenansichten mit der auf den Dom zustrebenden Brücke, gerne nachts, vom Köln Triangle oder vom Vierungsturm des Doms fotografiert, sind weit über die Stadtgrenzen hinaus ikonisch.
Und wieder einmal wird sich nun die Brücke verändern. Denn im Verkehrsamt geht man von stark zunehmendem Radverkehr in den nächsten Jahren aus. Die Hohenzollernbrücke soll einen Teil davon aufnehmen und dafür erweitert werden: um elf Meter auf der Südseite (die mit den Liebesschlössern am Zaun) und um anderthalb Meter auf der Nordseite. Zurzeit müssen sich Zufußgehende und Radfahrende einen vier Meter breiten Streifen auf der Südseite und einen nur über Treppen zu erreichenden Weg auf der Nordseite teilen.
Für die Umsetzung der Pläne ist auf der Südseite eine neue Bogenkonstruktion nötig, auf der jüngeren Nordseite nicht. Allerdings plant die Deutsche Bahn zusätzliche S-Bahnsteige in Deutz und für die Zukunft auch am Hauptbahnhof, die über neue Bauwerke an die Nordseite der Brücke angebunden werden müssen. So lange kann die Stadt Köln dort nur Provisorien planen.
Deshalb wird es nun auf der Südseite konkret. Dabei ist noch unklar, wie der Radverkehr auf der linksrheinischen Seite an bestehende Radwege angebunden wird; die Architekten des Heinrich-Böll-Platzes haben schon erklärt, größere Veränderungen mit ihrem Urheberrecht verhindern zu wollen. Aber im März legten die städtischen Verkehrsplaner*innen dem Rat einen Entwurf für einen neuen Bogen vor. Er spannt sich parallel zu den bestehenden Bögen über die Erweiterung und fällt deutlich kleiner und schmaler aus.
Dass sich daran ein Streit um das Erscheinungsbild der Brücke entzündet, mag kaum überraschen. Dombaumeister Peter Füssenich hält die Neuerung für »völlig ausgeschlossen«, warnt vor einem »zerstörten Rheinpanorama«. Stadtkonservator Thomas Werner, zuständig für den Denkmalschutz, hält die Idee hingegen für »klar nachvollziehbar« und die Anpassung der Brücke an ihre heutige Nutzung für vertretbar. Im März traten zudem drei Vereine an die Öffentlichkeit, die »nur eine Gestaltung in bisheriger Form« für zulässig erklären. Eine »visuelle Beeinträchtigung« der Brücke sei zu befürchten, die gleichsam auch den Dom betreffe. »Keine gestalterischen Experimente« fordern sie deshalb in ihrem Brief, der auch an die Ratsfraktionen ging.
Unter dem Brief stehen die Vereine Stadtbild Deutschland — Ortsverband Köln, die Arbeitsgemeinschaft Festung Köln und der Heimatverein Köln. Stadtbild Deutschland ist ein bundesweit umtriebiger Zusammenschluss, der ein konservatives Architekturverständnis propagiert. Ästhetik wird grundsätzlich rückwärtsgewandt begründet. Originalgetreue Rekons-truktion gilt den Mitgliedern als einzig zulässiger Umgang mit historischen Bauten, eine Auffassung, die im Nachkriegsdeutschland durch die Kritische Rekonstruktion und ein damit einhergehendes Geschichtsverständnis abgelöst worden war. Mit der Diskussion um das Berliner Stadtschloss, die Potsdamer Garnisonskirche oder die Frankfurter Altstadt gewinnen aber neuerdings die Verfechter*innen des Ansatzes, wie ihn Stadtbild Deutschland vertritt, an Einfluss. Der Architekturprofessor Philipp Oswalt zeigt in seinem Buch »Bauen am nationalen Haus«, dass der Wiederaufbau historischer Symbolbauten häufig geschichtsrevisionistische Züge annimmt und sich solche Argumentationen immer wieder als anschlussfähig für die Neue Rechte erweisen.
Auch die FDP im Kölner Rat argumentierte in einem Änderungsantrag mit dem ursprünglichen Erscheinungsbild der Hohenzollernbrücke. Danach soll der neue Bogen in den Dimensionen der bestehenden Bögen geplant werden, trotz der Mehrkosten und des zusätzlichen Stahls, für dessen Herstellung bekanntermaßen Rohstoffe und Energie nötig sind — und obwohl die Dimension laut Stadtverwaltung statisch nicht nötig sei. Angesichts der Förderung von 90 Prozent der Kosten durch das Land NRW hält die FDP-Fraktion im Stadtrat den Einsatz der Steuergelder dennoch für vertretbar. Mit Grünen, CDU, SPD und Volt einigte sich die FDP aber kurz vor der Ratssitzung darauf, zunächst ein Verkehrsgutachten für die Anbindung an die bestehenden Radwege erarbeiten zu lassen und die Frage der Gestaltung zurückzustellen. Es brauche zunächst eine »ganzheitliche Lösung« teilte Lino Hammer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, im Anschluss an die Sitzung mit. Die Diskussion um das künftige Gesicht der Brücke ist damit nicht beendet. Die Verwaltung soll in der Zwischenzeit laut Antrag auch die »Verträglichkeit mit dem UNESCO-Welterbestatus des Doms« prüfen.
Philipp Haaser
Vom Brückengrün zur Umweltbrücke
Bei der Sanierung der Mülheimer Brücke ist vieles schiefgegangen. Aber am Ende könnte sie ein Vorbild sein
2. April, kurz nach halb sechs am frühen Morgen. Es ist noch dunkel, aber auf der Mülheimer Brücke ist schon einiges los. Die Scheinwerfer der wenigen Autos beleuchten die Warnwesten der Crews, die gerade ihre Bauarbeiten beginnen. Auf dem kombinierten Rad- und Fußweg ist mehr Verkehr. Viele Menschen überqueren noch vor Anbruch der Dämmerung den Rhein. Auch sie sind auf dem Weg zur Arbeit — zu Fuß. Am 2. April hat die KVB den Verkehr über die Mülheimer Brücke eingestellt: Die Stadtbahngleise, rund 4500 Meter Schienen, müssen erneuert werden, Kostenpunkt 18,6 Mio. Euro. Darin enthalten sind auch die Kosten für zwei zusätzliche Bahnlinien und einen Ersatzbus, um die Fahrgäste über den Rhein zu bringen, bis die Sanierung im November 2024 abgeschlossen sein soll.
Die Sperrung ist das nächste Kapitel einer Geschichte, die schon etwas länger andauert. Seit 2018 wird die denkmalgeschützte Mülheimer Brücke saniert. Das ist aufwändig. In Mülheim wird die gesamte rechtsrheinische Rampe abgerissen und wieder aufgebaut, in Riehl passiert dasselbe mit der Auffahrt, der sogenannten Deichbrücke. Bei den Abbrucharbeiten in Mülheim und bei ersten Sanierungsmaßnahmen in der Brückenmitte wurden weitere Schäden festgestellt, die nun zusätzlich behoben werden müssen. Sie sorgten erst für einen mehrmonatigen Baustopp, dann für eine Erhöhung der geplanten Sanierungskosten: von 188 Mio. auf 325 Mio. Euro. Mitte 2026 soll die Sanierung der Brücke abgeschlossen sein.
Diese Sanierung war lange überfällig. Das jetzige Brückenbauwerk wurde 1951 eingeweiht, nachdem die Vorgängerbrücke von 1929 während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden war. Mit 315 Metern Spannweite war diese bei ihrer Fertigstellung die größte Hängebrücke Europas. Auch das Kölner Brückengrün kam hier erstmals zum Einsatz. Der Neubau in der Nachkriegszeit mit seinen fest im Boden verankerten Pfeilern geht auf den Kölner Architekten Wilhelm Riphahn zurück und diente als Vorbild für den Neubau der Rodenkirchener Brücke. Schon mehr als ein halbes Jahrzehnt vor Beginn der Bauarbeiten galt die Mülheimer Brücke als sanierungsbedürftig. Um stärkere Schäden zu vermeiden, wurde sie etwa für den LKW-Verkehr gesperrt, der während der Bauarbeiten an der Leverkusener Autobahnbrücke eine Ausweichroute über Mülheim suchte.
Wie der Verkehr zukünftig über die Brücke fließen soll, wird gerade ausgehandelt. Während der Sanierung wurde der Autoverkehr auf der eigentlich vierspurigen Mülheimer Brücke auf zwei Spuren reduziert. Der Verkehrsausschuss des Stadtrats erteilte der Verwaltung daraufhin einen Prüfauftrag: Könnten die beiden weggefallenen Fahrspuren vielleicht für Fahrräder genutzt werden? Dieser Ansicht ist auch die »Initiative Neue Mülheimer Brücke«, der dort eine »Umweltbrücke« vorschwebt. Die Initiative geht davon aus, dass der Radverkehr auf der Brücke in Zukunft zunehmen wird. Zum einen werden E-Bikes häufiger zum Pendeln genutzt, zum anderen liegt die Mülheimer Brücke zwischen zwei geplanten Radschnellrouten. Am liebsten wäre der Initiative daher, dass die Nordseite der Brücke für einen zweispurigen Radweg genutzt würde, während der Autoverkehr über die Südseite fließt. Andere Optionen sehen je einen Radweg auf der Nord- und Südseite vor. Ob es soweit kommt, ist unklar. Als die Stadtverwaltung die Vorschläge Ende Februar im Verkehrsausschuss vorstellte, äußerte sich eine Mehrheit aus CDU, FDP und SPD ablehnend und wollte weiterhin vier Spuren für den Autoverkehr nutzen. Radfahrende und Fußgänger:innen müssten sich weiterhin den Rad- und Fußweg teilen, auch wenn dieser etwas breiter werden soll. Sollte es so kommen, wäre es die Fortschreibung des Status quo. Aber falls die Entscheidung darüber im Stadtrat fallen sollte, könnten die dort herrschenden Mehrheitsverhältnisse — Klimafreunde und Gut und Die Fraktion haben im Rat, aber nicht im Verkehrsausschuss ein Stimmrecht — dies verhindern.
2. April, Mittagszeit. Es beginnt zu regnen, aber auf dem Fußgängerweg der Mülheimer Brücke ist es trotzdem rappelvoll. Familien machen einen Ausflug ins Rechtsrheinische, und halten immer wieder an, um das Rheinpanorama zu fotografieren. Auf der Gegenspur tragen derweil Frauen ihre Einkäufe zurück ins Linksrheinische. Ich kurve mit dem Rad irgendwie dazwischen durch, klingele, bremse und versuche, nebenbei noch den Schlaglöchern und Hitzepocken auf dem Asphalt auszuweichen. »Ziemlich viel Leben auf der Brücke«, denke ich. Und im Moment danach: »Uff! Das bleibt jetzt erst mal so.« Christian Werthschulte
Keine guten Aussichten
Die Rodenkirchener Brücke ist ein Architekturdenkmal. Wegen einer Autobahnerweiterung könnte sie auf Jahre kaum zugänglich sein
Wenn Cornelius Steckner sich die architektonische Finesse der Rodenkirchener Brücke vor Augen führen möchte, steht er bei klarem Himmel auf der Südbrücke. »Das Laufprofil der Brücke, die Tragseile, die Bogenschwünge — das alles ist kongruent zur Landschaft, abgestimmt auf das Siebengebirge im Hintergrund.« Der Kulturhistoriker beschäftigt sich seit Jahren mit der Geschichte des Stadtteils — und seines bekanntesten Bauwerks.
Einst war die Rodenkirchener Brücke angelegt als Bau mit internationaler Strahlkraft. »Die Brücke wurde 1930 im Zuge einer transeuropäischen Verbindung von London nach Istanbul geplant und sollte zur internationalen Verkehrsausstellung 1940 in Köln fertiggestellt werden«, erzählt Steckner über das »Tor zu Europa«. Ingenieur Fritz Leonhardt hatte zuvor auch den Bau der Brooklyn Bridge begleitet. »Da kam die neueste Technologie zum Einsatz«, so Steckner. Doch die Verkehrsausstellung fand nie statt — und die Brücke wurde 1945 bei einem Bombenangriff zerstört. Anfang der 50er Jahre wurde sie wieder aufgebaut, Anfang der 90er Jahre von vier auf sechs Fahrspuren erweitert. Ursprünglich hätten Fußgänger und Radfahrer den Rhein auf einer Mittelspur gequert, erst mit dem »Zwillingsbau« wurden sie an die Außenseiten verlegt. »Die Initiative ging damals von Rodenkirchen aus. Das ist eine geniale Lösung gewesen — nicht nur optisch«, sagt Steckner.
»Seitdem hat man einen wundervollen Ausblick — wahlweise auf das Siebengebirge oder die Stadt.« Dennoch fremdeln viele Rodenkirchener mit ihrem Wahrzeichen, das manche gar nur »Autobahnbrücke« nennen. Laut Steckner liegt das auch daran, dass der Verkehr auf der Brücke an Rodenkirchen vorbei läuft. Dennoch sieht der Historiker Chancen, die südlichste Kölner Rheinquerung aufzuwerten. »Wenn man über die Brücken spricht, ist man bei ihrer Integration ins Stadtgebiet. Die Ufergestaltung und Zugänglichkeit sind bei der Rodenkirchener Brücke nicht gut gelöst.« Steckner würde sich etwa eine uferseitige Begrünung im Linksrheinischen und bessere Rampen für Fußgänger wünschen. »Die Brücken sind wichtige Aussichtspunkte auf die Stadt. Nur wird es den Menschen nicht schmackhaft gemacht, sie aufzusuchen.« Gerade um Kölns Silhouette zu betrachten, sei die Rodenkirchener Brücke einer der interessantesten Orte: »Die Distanz hat ihren Reiz.«
Womöglich könnte dieser Aussichtspunkt bald auf Jahre verschwinden. Die Autobahn GmbH des Bundes, dem Bundesverkehrsministerium unterstellt, will die A4 zwischen den Autobahnkreuzen Köln-Süd und Köln-Gremberg erweitern. Der Ausbau wird im »Bundesverkehrswegeplan«, der die bundesweit wichtigsten Bauprojekte im Verkehrssektor listet, unter »vordringlicher Bedarf« geführt. Für den Ausbau auf acht Fahrspuren müsste die Brücke, seit 1995 Baudenkmal, abgerissen und neu errichtet werden.
»A4 Minus« setzt sich dagegen ein. Obwohl es ein gigantisches Bauprojekt auf Stadtgebiet wäre, fand die Initiative lange kaum Gehör — weder in der Stadtverwaltung noch in der Politik. Im vergangenen September beschloss der Verkehrsausschuss des Stadtrats eine Resolution für den Erhalt der Rodenkirchener Brücke — und gegen einen Ausbau. »Die Stadt Köln weiß noch immer sehr wenig über dieses Projekt«, sagt A4-Minus-Sprecherin Petra Heller. »Wir hören seit Jahren: Das ist Bundesangelegenheit. Aber die Stadt ist direkt betroffen, sie verhält sich bisher nur nicht so.« Die Stadt könne etwa ihre Position stärken, indem sie sich mit umliegenden Kommunen vernetzt, oder unabhängige Gutachten bestellen. A4 Minus kritisiert die Daten, mit denen der Ausbau begründet wird. »Die Brücke ist nicht kaputt, sondern kaputtgerechnet«, sagt Heller.
Zudem müsse man die Annahme, der Güterverkehr auf der Straße würde in Zukunft immer weiter zunehmen, grundsätzlich hinterfragen, weil das nicht zukunftsfähig sei. »An der Rodenkirchener Brücke kann man die Verkehrswende festmachen«, sagt Heller.
Sie hofft, dass die Notwendigkeit des Projekts überprüft wird, bevor die sogenannte Planfeststellung den Neubau auf den Weg bringt. »Dann bliebe nur der Klageweg.« Außerdem geht Heller davon aus, dass das Kreuz Köln-Süd und das Gremberger Kreuz auch noch Teil der Planungen werden. »Die Brücken werden als Engpass verkauft. Aber wenn die Brücke einmal ausgebaut ist, werden die Autobahn-Trassen erweitert.« Im Rechtsrheinischen formiert sich dagegen weiterer Widerstand. Eine Initiative will das Gremberger Wäldchen, einen der ältesten Wälder Kölns, das einer Autobahnerweiterung zum Opfer fallen könnte, schützen.
Auch der Rodenkirchener Historiker Cornelius Steckner ist kein Befürworter des Großprojekts. Es brächte für den Stadtteil kaum Nutzen, aber viele Opfer. »Man würde die Gemeinden an den Ufern noch stärker abschneiden, als es jetzt schon der Fall ist.« Er hat eine andere Lösung im Kopf: »Besser wäre ein Tunnel an anderer Stelle, ohne hier etwas in der Landschaft zu stören.«
Jan Lüke
Über Rampen strampeln
An der Bastei und am Ubierring sollen neue Radbrücken entstehen
An etwas Exotisches wie Radfahrer hat niemand gedacht, als man die heutigen Kölner Brücken baute. Wer den Rhein mit dem Rad oder zu Fuß überquert, macht diese leidvolle Erfahrung noch immer: Bequem ist anders. Nur folgerichtig also, exklusiv für diese vernachlässigten Verkehrsarten neue Bauwerke zu planen: Einmal im Norden zwischen Bastei und Rheinpark, zweitens im Süden vom Ubierring zum künftigen Quartier am Deutzer Hafen. Somit werden die Ringe für Rad- und Fußverkehr quasi über den Rhein verlängert, eine Idee, von der man erstmals 2009 im Masterplan Innenstadt von Albert Speer hörte. Christoph Schmidt vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) findet sie »perfekt, weil man vom Rechtsrheinischen kommend direkt die Ringfrei-Struktur nutzen kann«.
Seit August 2023 erarbeiten Büros nun europaweit in einem so genannten wettbewerblichen Dialog Entwürfe für die Brücken, rund 1,2 Mio. Euro sind dafür bewilligt — und doch mag echte Begeisterung für die Projekte nicht einmal bei Schmidt vom ADFC aufkommen. Zumindest, was die Brücke im Norden angeht. »Dort endet man im Rheinpark und stößt mit dem Messegelände und Kalker Güterbahnhof auf Barrieren. Das wird die ohnehin schon nicht traumhafte Radinfrastruktur in Kalk und Mülheim nicht groß verbessern«, so Schmidt. Stattdessen müsse die Brücke über die Messe oder sogar noch über den Güterbahnhof hinaus verlängert werden, findet Schmidt — ein Gedanke, den die Grünen im Rat kurz aufnahmen, aber dann wieder fallen ließen.
Eigentlich sah auch die Verwaltung zunächst nicht viel Sinn in der Bastei-Brücke. Sie sei kompliziert zu bauen und würde nicht stark frequentiert werden, zudem sei ja auch geplant, die nahe Hohenzollernbrücke für den Radverkehr zu verbreitern. Vor wenigen Jahren noch wollte sich das Ratsbündnis denn auch lieber auf die Hohenzollernbrücke und diejenige am Ubierring konzentrieren. Nun aber sollen es doch zwei neue Radbrücken werden — jeweils 600 Meter lang und mindestens acht Meter breit. Wie es jenseits der Brücken weitergeht, darüber müssen sich die teilnehmenden Büros allerdings nicht den Kopf zerbrechen. »Flankierend« werde ein Verkehrsgutachten beauftragt, so eine Stadtsprecherin. Nicht auszuschließen, dass es am Ende läuft wie bei der Hohenzollernbrücke: Die Verwaltung präsentiert ihren Favoriten, der aber auf Eis gelegt wird, weil gar nicht klar ist, wie es per Rad jenseits des Brückenbauwerks überhaupt weitergehen soll.
Und dann ist da noch ein Problem: Wer über den Rhein will, muss einige Höhenmeter überwinden. Mindestens 13 Meter über den durchschnittlichen Rheinpegel müssen sich die neuen Brücken erheben, damit die Schiffe drunter durch passen. Dafür braucht es Rampen, die wiederum höchstens sechs Prozent Steigung aufweisen dürfen, um Barrierefreiheit zu gewährleisten. »Das Ergebnis sind Rheinbrücken, die nicht Ufer mit Ufer, sondern Hinterland mit Hinterland verbinden«, sagt Jörg Beste vom Architektur Forum Rheinland (AFR). Führte man die Rampe im Süden über den Ubierring, käme sie erst ungefähr in Höhe der Mainzer Straße auf den Boden, so Beste. »Dafür müsste man eine Menge Bäume absägen, und die Anwohner am Ubierring werden sich freuen, wenn die Radfahrer ihnen in die Hütte gucken.« Alternativ könnte die Rampe über einen Platz am Rheinauhafen geführt werden, der jedoch nicht im Besitz der Stadt ist.
Wie sich Rampen und Stelzen mit der denkmalgeschützten Bastei vertragen sollen, ist ebenfalls offen. Beste kritisiert, dass man sich gleich auf den Brückenbau auf Höhe der Ringe versteift habe, ohne vorher
zu untersuchen, auf welche Weise Radfahrer und Fußgänger am besten über den Rhein kommen. Das müsse nicht zwangsläufig mithilfe von Brücken geschehen. »Ein Wasserbus, der Ufer und Ufer direkt miteinander verbindet, könnte eine Alternative sein«, glaubt er.
Christoph Schmidt vom ADFC wiederum fordert, sich nicht nur auf das Kölner Zentrum zu konzentrieren. »In den Außenbezirken gibt es Platz für Rampen, und da gibt es auch den Bedarf.« Schmidt wünscht sich zum Beispiel eine Radbrücke zwischen Porz und Rodenkirchen, etwa für Pendler, die am Flughafen arbeiten. Oder im Norden, wo man mit einer geschickten Brückenführung die Industriegelände von Ford in Niehl und Bayer in Leverkusen umgehen könne, die bisher große Barrieren darstellen. Schmidt sagt: »Man bekommt die Menschen nur zum Umstieg aufs Rad, wenn es praktischer ist und schneller geht.«
Anne Meyer