Moor or less
Um Fehler der Vergangenheit zu korrigieren, benutzt Martin Grund herkömmliches Gerät. Der Mitarbeiter des BUND in Nordrhein-Westfalen leitet ein Projekt zur sogenannten Renaturierung der Moore auf der Bergischen Heideterrasse. »Das heißt in der Praxis vor allem, dass wir zum Spaten oder zur Säge greifen und Entwässerungsgräben schließen«, sagt Grund.
Vor knapp einem Jahr startete das Projekt, das aus den Umweltministerien von Bund und Land gefördert wird, im Dünnwalder Wald am östlichen Kölner Stadtrand. In den kommenden fünf Jahren sollen schrittweise circa 500 Hektar auf der gesamten Bergischen Heideterrasse, die sich rechtsrheinisch von der Ruhr im Norden bis zur Sieg im Süden erstreckt, wiedervernässt werden. Teilweise liegen die Flächen seit Jahrhunderten trocken. »Wenn Leute in der Vergangenheit
Geld mit ihrem Land verdienen wollten, waren ihnen Moore und Sümpfe ein Dorn im Auge«, erklärt Grund. Die Flächen seien zu nass für Ackerbau, Viehzucht oder Forstwirtschaft gewesen. Deshalb bauten die Menschen Entwässerungsgräben, um die Moore auszutrocknen. »Heute wissen wir, dass das aus ökologischer Sicht keine gute Idee war«, sagt Grund. Entfernt man aber die künstlichen Abflüsse, erholt sich die Natur. »Die Standorte sind von Natur aus nass. Sobald man die Entwässerungsgräben schließt, führen die Moore wieder Wasser.«
Moore nehmen im Klimaschutz eine paradoxe Doppelrolle ein. Einerseits sind sie ein Treiber der Erderwärmung. Wenn sie kein Wasser führen, geben sie klimaschädliche Gase ab, die eigentlich in kohlenstoffreichem Material unter Wasser gebunden wären. Laut Umweltbund verursachen Moore sieben Prozent der Treibhausgase in Deutschland, und damit 20-mal mehr als Inlandsflüge, über deren Verbot immer wieder debattiert wird. Andererseits könnten Moore zu einem wirksamen Instrument im Kampf gegen den Klimawandel werden, wenn sie wieder vermehrt ihrer natürlichen Funktion als Kohlenstoff-Speicher nachkämen. Sie zählen zu den »naturbasierten Lösungen« gegen den Klimawandel. In Deutschland ist ihr Potenzial besonders groß, 95 Prozent aller Moorflächen sind ausgetrocknet.
Ausgetrocknete Moore verursachen sieben Prozent der Treibhausgase in Deutschland, und damit 20-mal mehr als Inlandsflüge
Die Moore im Dünnwalder Wald zählen fast ausnahmslos dazu — auch wenn das selbst Anwohner oft nicht wüssten, berichtet Martin Grund. »Bei Mooren denken die meisten Leute an Hochmoore, wie man sie aus dem Fernsehen kennt, zum Beispiel das Hohe Venn in der Eifel.« Die Moore im Dünnwalder Wald aber seien Nieder- oder Waldmoore. »Man kann an einem Niedermoor vorbeilaufen und erkennt nicht, dass es sich um ein Moor handelt.«
Im Schnitt einmal in der Woche lädt der BUND zu Mitmach-Aktionen in den Dünnwalder Wald, mehrere Dutzend Verschlüsse sind so in den vergangenen Monaten entstanden. Martin Grund vom BUND betont, dass das Projekt nicht nur auf den globalen Klimaschutz abzielt, sondern auch auf lokale Effekte.
»Intakte Moore regulieren den Landschaftswasserhaushalt. Sie können bei Starkregen, wenn Überschwemmungsgefahr besteht, Wasser aufnehmen und bei Dürre abgeben.« Außerdem sind sie Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Im Dünnwalder Wald betrifft das Arten wie das Kleine Helmkraut, den Königsfarn oder Moorbirken, die mit intaktem Moor in die Gegend zurückkehren. »Für die Menschen sind Moore zudem Erholungsraum, weil sie das Mesoklima kühlen. Ein Moorwald ist noch deutlich kühler als ein Wald«, so Grund.
Im Vergleich zu anderen Standorten in Deutschland sind die Bedingungen, die Moore auf der Bergischen Heideterrasse zu renaturieren, günstig. Denn in den meisten Fällen gibt es dort keine konkurrierende Nutzung. Im Norden und Süden Deutschlands werden trockengelegte Moore hingegen oft als landwirtschaftliche Flächen genutzt. Sie wiederzuvernässen würde bedeuten, sie für die Landwirtschaft unbrauchbar zu machen. Experten sprechen von einem Strukturwandel, der vergleichbar mit dem Ausstieg aus der Braunkohle wäre. Wohl ein Grund dafür, dass die Bundesregierung zwar 2022 eine »Nationale Moorschutzstrategie« verabschiedet hat, aber vage bleibt, wie diese konkret umgesetzt werden soll.
Weitere Informationen und Termine zu Mitmach-Aktionen: bund-nrw.de/moore-renaturieren