Wie grün sind Kölns Museen?

Klimaschutz ist ein gewaltiges Unterfangen, dem sich auch die Kölner ­Museumslandschaft nicht verschließen kann. Aber wie macht man ein Museum klimaneutral? Kunstwerke brauchen eine bestimmte Raumtemperatur und werden oft international ­verliehen. Und die Kölner ­Museen locken ­Publikum aus aller Welt an. ­Kulturdezernent Stefan Charles erläutert im ­Interview, was er ­unter dem »grünen Museum« ­versteht. Miriam Szwast vom Museum Ludwig erzählt aus der klimafreundlichen Praxis. Unser Fotograf Thomas Schäkel hat hinter die Kulissen des Wallraf-­Richartz-Museums geschaut

»Köln soll bis 2035 klimaneutral werden.« So hat es der Rat der Stadt Köln bereits im Juni 2021 beschlossen. Anderthalb Jahre später wurde das Gutachten »Köln klimaneutral 2035« vorgestellt: drei Bände, 450 Seiten, erarbeitet von einem wissenschaftlichen Konsortium aus Ingenieur*innen, Stadtplaner*innen und Klima-, Energie- und Umweltwissenschaftler*innen. Sie beschrei­ben, wie man die Generationenaufgabe Klimaneutralität in einer Millionenstadt in Angriff nehmen muss, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Der Gebäudebestand soll modernisiert werden, der Autoverkehr transformiert. Und dann gibt es noch den Klimaschutz in Kultur und Freizeit: »Kölner Kulturschaffende, Museen« sollen »als Multiplikator*innen und Pionier*innen für klimaschonendes Handeln« gewonnen werden, heißt es dort, denn »gesellschaftliche Transformationsprozesse beginnen mit veränderungsbereiten Menschen als Pionier*innen und Vorbilder«.

Ein erster Anfang ist gemacht. »Köln hoch 3« heißt das Projekt, mit dem das Kulturdezernat schauen wollte, wie die Kulturszene Kölns auf den Klimawandel reagiert. 18 Kölner Kultureinrichtungen haben ihre Ideen und ­Programme für mehr Nachhaltigkeit präsentiert und ­Mitarbeitende zu Transformationsmanager*innen —
also Expert*innen für technische und inhaltliche Nachhaltigkeitskonzepte im Kulturbereich — ausgebildet. ­Außerdem haben acht Einrichtungen qualifizierte und differenzierte Klimabilanzen erstellt. Eine unter ihnen
ist das Wallraf-Richartz-Museum, dessen Daten ­­wir auf den folgenden Seiten veröffentlichen.

Der Blick auf die Daten überrascht: Früher sagte man, dass der Hauptfaktor für die CO2-Bilanz jedes Museums »auf dem Dach« stehe. Gemeint war die Klima­anlage, die in den Kunsträumen für gleichbleibende Temperaturen und Luftfeuchtigkeit sorgt. Doch ein Blick in die Bilanz des Wallraf-Richartz-Museums zeigt: Die meisten Emissionen werden durch die Besucher*innen bei der An- und Abreise produziert (79 Prozent); erst an zweiter und dritter Stelle stehen Strom und Wärme (zusammen circa zwanzig Prozent). Daraus müssen Schlüsse gezogen werden: Bilan­zieren ist die eine Sache, Handeln eine andere.

Wie ein grünes Museum aussieht, wird noch ­verhandelt

Das Bemühen, den Kulturbetrieb auf mehr Klimafreundlichkeit zu transformieren, kulminierte in den letzten Jahren in dem Buzzword »Grünes Museum«, das durch die internationale Kulturszene geistert. Was genau ein Museum »grün« werden lässt, wird »noch verhandelt«, wie Miriam Szwast, Transformationsmanagerin des Museum Ludwig, meint. Das Wallraf-Richartz-Museum prüft die Möglichkeit einer Photovoltaik-Anlage auf seinem Dach, das Museum für Angewandte Kunst Köln engagiert sich im Projekt »Essbare Stadt« und beim Anbau von Lebensmitteln.

Aber gerade, weil das »grüne Museum« noch nicht definiert ist, lohnt sich ein Blick auf die Kölner Museen und ihre Nachhaltigkeitspolitik. Anders als Konzert- oder Theaterräume sind Museen untereinander relativ gut vergleichbar, denn sie müssen internationale Regeln und Standards einhalten. Dazu gehören neben festgelegten Klimakorridoren — also Vorgaben für Temperatur und Luftfeuchtigkeit ­—, auch Normen für den Einsatz von Leuchtmitteln; selbst beim Transport von Kunstwerken gibt es verbindliche Regeln. Ein Blick in unsere Stadt ist einer in die Welt.

Außerdem liegen, zumindest in Köln, die meisten Museen in städtischer Hand: Als Kulturdezernent entwirft Stefan Charles nicht  nur eine Strategie für einen einzelnen Museumsbau, sondern prägt die gesamte Museumslandschaft. Mit ihm sprechen wir darüber, wie sein Dezernat die Kölner Museen klimafreundlicher machen will.

 

 

»Wir müssen nicht auf allen Museen noch Apfel­bäume pflanzen«

Kulturdezernent Stefan Charles  erklärt, wie die Kölner Museumslandschaft
klimafreundlicher werden kann und warum er dafür lieber neu bauen würde

Herr Charles, wie grün sind Kölns Museen?

Die sind auf einem guten Weg. Wenn wir über »Grüne Museen« sprechen, dann gehören da einerseits die Gebäude dazu — auch unsere Bauprojekte — und das andere ist der Betrieb selbst, also die Frage, wie ökologisch nachhaltig ein Museum arbeiten kann. Ich weiß, dass unsere Häuser schon richtig gut vorgelegt haben. Dazu gehören nicht nur die beiden Ausstellungen im Museum Ludwig, die aktuell laufende »Hier und Jetzt: Und gestern und morgen«, und »Die Grüne Moderne«, die eine der ersten Zero-Emission-Ausstellungen in einem der großen deutschen Kunstmuseen war.

Ein Museum, das sich »grün« nennt, muss etliche Aspekte beachten, etwa weniger Müll produzieren und Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Der Fuhrpark muss verkleinert und es müssen Kunsttransporte reduziert werden. Was ist am einfachsten umzusetzen?

Die betrieblichen Punkte sind einfach umzusetzen: Wie die Arbeitenden zum Job kommen, wie Ausstellungen geplant und umgesetzt werden. Das ist aber nur ein Teil. Francis ­Morris von der Tate Modern hat es mal für sein Haus analysiert: 20.000 Tonnen CO2 Eigenausstoß pro Jahr, nehmen Sie die Gäste hinzu, kommen Sie auf 260.000 Tonnen. Die An- und Abreise der Besucher ist natürlich ein Riesenpunkt, den man aber auch beeinflussen kann. Und da schauen wir, welche Möglichkeiten es in Köln gibt.

Und was ist schwieriger für Politik, Verwaltung und Museumsmacher*innen umzusetzen?

Die baulichen Veränderungen an den Häusern selbst. Das dauert verständlicherweise länger, bis sie umgesetzt sind.

Sie haben im Dezember 2020 ein Paper namens »Grünes Museum Jetzt!« verfasst. Wie kam es dazu?

Das Paper entstand im Rahmen meines Post-Graduierten-Studiums in Genf. Da war ich in einem der ersten Studien­gänge, die sich der ökologischen Nachhaltigkeit widmen. Ich war da der einzige Teilnehmer aus der Kultur. Zwischen den NGO’lern und Politikern war ich quasi der bunte Papagei. Ich hielt das Thema für die Kultur für unerlässlich und wichtig. Deswegen wollte ich mich gründlich informieren — das kann man nur, wenn man sich einige Jahre intensiv mit den Daten und Entwicklungen auseinandersetzt. Im Rahmen dieses Studiums schrieb man auch Papers; letztlich geht es um Vorschläge, die man an die Politik richtet, um Dinge zu verändern aus Sicht der Kultur, und um einen Beitrag für die Klimaziele zu leisten. So entstand das wissenschaftliche Paper, in dem ich mir die Landschaft der Museen genau angeschaut habe.

Es muss eine Bottom-­Up-Bewegung geben

Sie schreiben darin, dass es gegen das »Grüne Museum« kaum Widerspruch gebe, dass alle die grünen Museen wollten. Eine bürgerlich-konservative Tageszeitung aus Köln titelte im Artikel zur Ludwig-Schau »Die Grüne Moderne« derweil: »Vorbildlich gescheitert«. Ist es ein Fehler, von einer allgemeinen Bereitschaft der Stadtgesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit im Museumsbetrieb aus­zugehen?

Da kann ich insofern widersprechen, als dass sich knapp 100.000 Besucher die Ausstellung in Köln angeschaut haben. Obwohl sie jetzt nicht im besonderen Maße beworben wurde, sondern relativ klein war. Das ist doch ein riesengroßer Erfolg. Die Museen leben nicht nur von öffentlichen Mitteln, sondern auch von Drittmitteln, Sponsoring. Und die Unternehmen, die Kultursponsoring betreiben, verfolgen selbst Klimaziele, sie wollen auch bis 2030 oder 2035 klimaneutral sein. Die sehen, wer nicht auf die Klimaziele einzahlt — den Museen bleibt schlicht nichts anderes übrig. Die Kulturverwaltung knüpft ihre finanzielle Unterstützung nicht an Vorgaben. Wir sehen es wie das Aktionsnetzwerk Kultur und Medien in Deutschland: Es muss eine Bottom-Up-Bewegung geben.

Sie haben bereits 2023 das Projekt »Köln hoch 3« gestartet. Was sind die Ergebnisse?

Acht Kulturinstitutionen haben ein Jahr lang ihre Klimabilanz erstellt, die Arbeit geht damit aber erst los. Meiner Überzeugung nach können wir unser Ziel, in Köln bis 2035 klimaneutral zu sein, erreichen. Ein wichtiger Punkt neben der Bilanzierung war die Ausbildung von Transformationsmanagern in den Häusern. Da sind wir in Deutschland vorne mit dabei.Und wir müssen weiterdenken, zum Beispiel mit gemeinsam genutzten Depots. Wenn wir in Köln neun städtische Museen haben und jedes hat sein eigenes Depot, ist das neunmal Klimaaufwand.

Wie weit sind Ihre Pläne für ein Gemeinschaftsdepot?

Wir sind in der Vorbereitung. Die Museen haben eine Bestandsanalyse gemacht und verfeinern diese jetzt. Das heißt, wir prüfen, wie viel Fläche wir für alle Magazine brauchen. Was für einen Flächenzuwachs müssen wir einplanen? Wie sind die klimatischen Bedingungen in den einzelnen Häusern? Wir wollen jetzt alle Voraussetzungen klären, auch bezüglich der Kosten der Zusammenführung und des Betriebs, und erarbeiten dann eine Beschlussvorlage für den Rat. Wir gehen davon aus, dass die Politik Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres darüber entscheiden kann.

Im Zwischenbericht »Köln.Klima.Neutral.« des Klimarats der Stadt Köln hieß es 2021 als Vision: »An den Fassaden der Museen, Galerien, in der Innenstadt wachsen Obst, Gemüse und Kräuter«. Wann können wir an den Museen mit den ersten Ernten rechnen?

Ha, eine gute Frage. Im Zuge des Projekts »Köln hoch 3« kam im Museum Schnütgen die Idee auf, den kleinen Klostergarten zu begrünen. Begrünungen sind ein Thema, es geht aber vor allem darum, dass wir Impulse setzen in den Häusern. Ich glaube nicht, dass wir auf allen Museen noch Apfelbäume pflanzen müssen. Darum geht es nicht unbedingt.

Aber würde es sich nicht anbieten, radikal zu denken?

Die Kölner Innenstadt-Museen sind Steinblöcke und tragen zur Aufheizung der Innenstadt bei. Außerdem müssen wir ohnehin über die Gebäudeertüchtigung reden: Das MAKK, das Museum Ludwig und das Zeughaus haben alle einen hohen Sanierungsbedarf — da könnte man doch die Nachhaltigkeit zum obersten Ziel erklären. Es ist ein schönes Bild, dass man die Museen tatsächlich begrünt, aber damit werden nicht zwangsläufig die erforderlichen Standards erfüllt. Für den Sonderbau des neuen Historischen Archivs mit Rheinischem Bildarchiv wurde ein so noch nie realisiertes Klimakonzept entwickelt und umgesetzt. Dazu gehören ein eigener Eisspeicher, der im Erdreich verbaut wurde, eine Wärmepumpenanlage und eine Photovoltaik­anlage auf dem Dach. Das ist in dem Sinne wirklich ein sehr nachhaltiges Gebäude. Nun konkret: Beim Stadtmuseum wollen wir noch dieses Jahr einen Vorschlag machen, wie wir weiter vorgehen, denn die Historische Mitte können wir nicht mehr umsetzen. Da hätten wir neu bauen können, und energetische Standards sind bei Neubauten einfacher zu erfüllen. Nun müssen wir prüfen, wie man das Zeughaus sanieren kann, damit es einerseits einen zeitgemäßen Museumsbetrieb ermöglicht und andererseits den energetischen Standards entspricht. Beim MAKK sind wir jetzt in der Vorbereitung und wollen schnellstmöglich Beschlüsse einholen. Beim Museum Ludwig müssen wir zunächst den Zustand des Gebäudes genau analysieren. Das wird bis mindestens Ende 2025 dauern.

Sie haben die Historische Mitte angesprochen. Abgesehen davon, dass ein Neubau viel graue Energie binden würde, ist es doch allein mit Blick auf das Stadtklima eigentlich obsolet, noch ein neues steinernes Gebäude in die Mitte dieser Stadt zu setzen, oder?

Das kommt darauf an, was man unter Nachhaltigkeit versteht. Aus Kultursicht wäre es fatal, den Platz, den man als kulturelles Herzstück von Köln ver­stehen kann, an einen Investor zu verlieren, der dort ein Hotel oder hochpreisige Büros baut. Wäre das nachhaltig? An diesem Ort können wir 2000 Jahre Stadtgeschichte erzählen — da müssen wir wirklich intensiv darüber nachdenken: Was wollen wir hier und wofür ist dieser Ort eigentlich wichtig? Wir als Verwaltung werden da noch mal Antworten geben, und dann muss letztlich der Rat der Stadt Köln entscheiden. Zurück zu Ihrer Frage: Diese Sichtweise würde ja in letzter Konsequenz dazu führen, dass wir auf­hören, zu bauen. Das funktioniert so nicht!

Wie wollen Sie die bereits bestehenden Museen denn grüner machen?

Ich finde es sehr wichtig, dass wir konzeptuell arbeiten. Wir müssen jetzt entscheiden: Wie sehen eigentlich die Museen der Zukunft aus? Wir müssen davon weg, die Häuser isoliert zu betrachten und sie als Teil eines Ganzen verstehen. Wir müssen in Köln, wo die Häuser so nahe beieinander stehen, doch überlegen, ob alle einen eigenen Learning-Bereich, ein eigenes Restaurant, einen eigenen Veranstaltungsraum brauchen. Dann muss man sich fragen, ob es ökologisch nachhaltig ist, dass die Häuser morgens aufmachen und um 18
Uhr schließen. Die Nutzung der Häuser ist sehr stark beschränkt — ich glaube, wir müssen lernen, diese ­Häuser stärker zu öffnen und längere Bespielungen zu ermöglichen. Wir müssen noch mehr Nutzungen in die Häuser bringen, das ist für mich auch Nachhaltigkeit.

Verlassen wir zum Ende kurz das Museum und schauen in die Ateliers: Die Stadt betreibt an 14 Stand­orten mehr als 120 Ateliers für Künstler*innen. Welche Maßnahmen sind da geplant?

Perspektivisch sollen unsere Ateliers auf Erneuerbare Energien umgestellt werden. Außerdem sind sukzessive energetische Sanierungsmaßnahmen geplant. Zusätzlich gibt es Ideen wie das Material­karussell, mit dem Ausstellungsmaterialien oder Bühnenbilder des Schauspiels wiederverwendet werden sollen.

 

 

Kiwis auf dem Dach

Miriam Szwast will das Museum Ludwig klimafreundlicher machen — mit gedimmtem Licht, Gesteinsschichten und einem Mammutknochen

»Was ein grünes Museum überhaupt ist, das wissen wir bisher gar nicht. Wir müssen ausprobieren, unsere Rolle als Museum in dieser Krisenzeit suchen — und finden«, sagt Miriam Szwast. Wir stehen in der von ihr kuratierten Ausstellung »Hier & Jetzt im Museum Ludwig. Und gestern und morgen«. Es ist die zweite Schau, die Szwast nicht nur als Kuratorin, sondern auch als Transformationsmanagerin verantwortet — und in der sie ausprobiert, wie man Ausstellungen klimafreundlicher oder sogar klima­neutral gestalten kann, ohne an ästhetischem Wert einzubüßen. Am Museum Ludwig arbeitet die Kunsthistorikerin seit 2013, sie ist Expertin für Fotografie. Vor einigen Jahren änderte sich ihr Verhältnis zur Kunst: »Ein Kunsttransport, den ich im Flugzeug begleitet habe, landete in Frankfurt am Main. Ich saß ­einige Stunden im Frachtbereich des Flughafens und schaute, wie all die Güter hin- und herbewegt wurden — und unsere Kunst mittendrin.

Ich fragte mich: Was ­machen wir hier eigentlich?« Dieses Erlebnis habe ihr die Augen geöffnet für den  häufig übersehenen CO2-Fußabdruck, den auch der internationale Kunstzirkel in unserer Atmosphäre hinterlässt. Sie habe fortan keine Lust mehr gehabt, alles auszublenden, was über das Bild an der weißen Wand hinausgeht.

Ein solcher Ansatz, gibt Szwast zu, produziert zunächst Fragen, fundamentale Fragen — und viele davon können nicht direkt oder gar einfach beantwortet werden: Wie müssen Museen in der Zukunft sammeln? Müssen sie ihren Platz reduzieren? Muss man die Erfolgskriterien eines Museums, die heute vor allem an Besucher*innenzahlen geknüpft sind, hinterfragen?

Konflikte bleiben da nicht aus. Diese Erfahrung musste Miriam Szwast mit ihrer ersten großen, nachhaltigen Ausstellung im Museum Ludwig machen: »Die Grüne Moderne« eröffnete im September 2022 und wurde schnell Gegenstand einer Debatte. Sie ließ das Licht dimmen, verzichtete auf große Leihgaben aus dem Ausland, Infotexte wurden handgemalt statt mit Plastiklettern an die Wand gebracht. Alles eine Spur weniger luxuriös, als man es aus dem Ausstellungsbereich des Museum Ludwig kennt. In einer Gesprächsrunde im WDR zog sie ein Fazit: Es habe ordentlich geknirscht und Fördergeldgeber hätten sogar gedroht, ihre Finanzierung zurückzuziehen. Diesen Vorfall habe man zwar mittlerweile im Gespräch klären können, sagt sie heute. Aber ein Eindruck ist geblieben: »Dieser Gegenwind hat mich schockiert.«

Der CO2-Fußabdruck des internationalen Kunstzirkels wird oft übersehen

Auch »Hier & Jetzt«, ihre neue Ausstellung, ist deutlich dunkler als der Rest des Museums. Sie habe neue Wege bei der nachhaltigen Produktion der Begleitpublikation beschreiten müssen, erzählt sie, und habe dabei insgesamt ein »enges Korsett angezogen bekommen«. Für »Hier & Jetzt« erhielt das Museum Gelder des »Fonds Zero«, einem Programm der Kulturstiftung des Bundes, die ihre Förderung an eine »nachweislich klimaneutrale« Ausstellung knüpfe. Der CO2-Ausstoß, der sich trotz aller Maßnahmen nicht vermeiden lässt, wird kompensiert. Hierfür möchten Szwast und ihr Team Zertifikate von MoorFutures erwerben, eine staatliche Initative, die Kohlenstoffzertifikate für den Erhalt und die Neuanlegung von Moorflächen in Norddeutschland verkauft, die für das Klima besonders wertvoll sind.  

Die Fotoarbeit »Sakura I« der Turner-Preisträgerin Tacita Dean hat den weitesten Weg hinter sich: fünfhundert Kilometer von Paris nach Köln. Sie zeigt einen uralten Kirschbaum, der in der Provinz Fukushima steht und den Tsunami von 2011 überlebt hat. Dieser betagte Baum steht emblematisch für das Thema der Ausstellung, sagt Miriam Szwast: »Die Ausstellung fragt, wie man ein*e gute Vorfahr*in sein kann.« Die Kuratorin nähert sich der Frage in Form des »Art meets Science«-Diskurses: Dabei werden Naturwissenschaften wie die Geologie oder die Baumkunde Dendrologie mit Bildender Kunst zusammengeführt. Mehrere Fotografien eines Basaltsteinbruchs, die der Kölner Fotograf Chargesheimer gemacht hat, werden exemplarisch durch geologisches Bohrmaterial, bestehend aus Gesteinsschichten, die teilweise 250 Millionen Jahre alt sind, kontextualisiert. Neben einem Bild des Malers Gerhard Richter, das einen Gletscher zeigt, präsentiert Szwast einen Mammutkieferknochen als Leihgabe aus dem GeoMuseum Köln. In Anbetracht der gewaltigen Zeiträume, die hier in Artefakten repräsentiert werden, fühlt man sich als Betrachter*in klein, vielleicht sogar unbedeutend. Die Ausstellung ist dennoch keine »Aufrüttel-Schau«, ist nicht pessimistisch, sondern lebt von positiven Signalen, etwa einem Garten auf der Dachterrasse, der durch das  Kreativ- und Kunst-Kollektiv »atelier le balto« gestaltet wurde. »Schon bald«, so Szwast, »wachsen hier Kiwis.« Dass eine grüne Ausstellung — oder ein grünes Museum —  nicht unsinnlich sein muss, beweist »Und gestern und morgen« im Schlussakkord. Da singt die Künstlerin Yoko Ono  ein berührendes Liebeslied — auf die Erde.