Auf dem Weg zur Verzauberung
Im Januar haben wir an dieser Stelle besseres Raven für Köln angekündigt und dabei erwähnt, dass es in Ehrenfeld einen neuen Club geben würde. Der ist nun offiziell eröffnet und nennt sich fi. Fußläufig zur Haltestelle Technologiepark Müngersdorf ist der Club auf einem dahinter gelegenen Grundstück versteckt und von der Straße aus nicht erkennbar. Wer die Adresse findet, steht vor einer Einfahrt mit einem breiten Tor und glaubt sich vor einem gewöhnlichen Firmengelände. Graffiti verraten das Ziel — oder es sind die bereits wartenden Feierwütigen. Am Abend der Opening hatte sich eine für Kölner Verhältnisse enorm lange Schlange gebildet, die noch im Club für Gesprächsstoff sorgte.
Längeres Anstehen scheint für das Kölner Partypublikum gewöhnungsbedürftig zu sein, von einer ungeduldigen Stimmung war die Rede, es sei gedrängelt und geschubst und Versuche unternommen worden, das Warten zu umgehen. Zugegeben, schön sind die Zäune am Club nicht, aber auf den Zoch künne mer ja auch verdamp lang warten. Wer sich schlau machen möchte: Es gibt in Berlin ein prominentes Beispiel für funktionierendes Schlangestehen... Und wer auf die Nachfrage, ob er das auch am Kater Blau machen würde, nicht vom öffentlichen Urinieren lassen kann und entgegnet: »Wir sind ja hier in Köln und nicht Berlin«, kann gerne fernbleiben.
Der Spruch ist recht aufschlussreich, liefert er doch einen spontanen, ungeschönten Eindruck: Kölns Clublandschaft wird nicht ernst genommen, kann Erwartungen nicht erfüllen. Der Eindruck, dass viele Menschen in Köln zwar gerne zu elektronischer Musik tanzen gehen, aber nicht wirklich Ahnung davon haben, lässt sich nicht ganz verdrängen, sodass ein fatalistisches »Schau dir die Leute doch an!« lange als Argument durchging, um mehr Clubs und vor allem ein skillfulleres Programm zu verhindern. Intrinsische Motivation bewiesen die Kollektive, die sich mit selbst gemachten Veranstaltungen einen Namen machen. Ihre Community ist so groß, dass über das ganze Jahr Partys, Reihen und im Sommer Festivals zustande kommen. Und für eine breitere musikalische Spannweite sorgen, die von plüschigem Bummeltechno über Broken Beats und UK-Bass bis hin zu ausdefiniertem Bunkertechno reicht. Diese Crews setzen sich für subkulturelle Errungenschaften ein, sorgen für strukturelle und inhaltliche Freshness und bekommen trotzdem — oder deshalb? — nur wenige Slots im regulären Clubbetrieb.
Große Teile der local Crowd wanderten in die Do-It-Yourself- Szene ab, und eine ebenfalls große Menge junger Clubpeople landete in einem Tiktok-Paralleluniversum, was sich online im »Boiler Room Cologne« abbildet. Schade für die Community. Der Eindruck, Köln sei nicht interessant genug für elektronische Clubmusik, bestätigt sich in dem Fingerzeig auf diese große Menge, die Teil der Kölner Clubszene hätte werden können, die mehr frischen Wind und junge Konzepte gebraucht hätte. Die Tiktok-Raver und die Techno-Hippies machen ihr eigenes Ding, eigentlich gut für Vielfalt, doch stehen in Köln zu wenig Grund und Immobilie für Clubvorhaben zur Verfügung. Womit wir wieder beim Thema sind, nämlich dem neu errichteten Club fi in Ehrenfeld, wo wir immer noch in der Schlange stehen und auf Einlass warten.
Einlass bedeutet vorbei an der »super netten«, »sehr freundlichen«, mitunter sogar »charmanten« Türcrew und endlich Zugang auf das Gelände des Clubs. Im Außenbereich liegen die Kasse, die sich in einem nostalgischen Wohnwagen befindet, die lange, aus Holz gebaute Garderobe, an der es auch Ohrstöpsel for free gibt, und ein Hof in Form eines Atriums, wo sich eine überdachte Ecke mit einigen Sofas und Sesseln versteckt. An der Garderobe vorbei befindet sich seitlich eine Tür zum Club, doch dazu gleich. Erst noch weiter an dem Gebäude entlang, an dessen Ende sich ein kleiner Garten befindet. Der grüne Bereich markiert auch das Ende des Grundstücks, wo kleine dekorierte Bereiche zum Abhängen installiert sind.
Crews setzen sich für subkulturelle Errungenschaften ein, sorgen für Freshness und bekommen trotzdem — oder deshalb? — nur wenige Slots im Clubbetrieb
Zurück zur seitlichen Tür, die in den Club hineinführt, von einem sterilen Treppenhaus führen eine nächste Tür zum Mainfloor und eine steile, lange Treppe hoch zum zweiten Floor. Der Mainfloor hat mit seiner cleanen Gestaltung, der schlichten Bar, dem Boden aus Beton und einer imposanten Anlage die moderne, nicht unelegante Roughness eines brachialen Technoclubs. In die Wand hinter dem DJ-Pult, die das ganze Gebäude hinaufreicht, sind über die gesamte Höhe und Breite Boxen eingelassen. Wenn morgens Oberlicht hineinfällt, wird der Club zur Kirche. Ein ikonischer Anblick, der diesen Floor zum derzeit wohl ästhetisch ansehnlichsten der ganzen Stadt macht.
Der kleinere Floor im zweiten Stock mit eigener Bar und Fenstern durch die das Tageslicht hereingelassen werden kann, wirkt auf den ersten Blick clubbig gemütlich. Nicht sofort ersichtlich, befindet sich am Ende der Tanzfläche eine Tür, ebenfalls aus Glas. Dahinter liegt die eigentliche Sensation des Clubs, eine Dachterrasse, die sich vom höchsten Punkt über der Boxenwand über die ganze Breite des Gebäudes aufspannt und in breiten Plateaus, auf denen nach Lust und Laune rumgehangen wird, bis nach unten in den Garten führt. Wer möchte, kann im fi die ganze Nacht im Kreis laufen, 21 Stockwerke auf der Terrasse machen und beliebig viele Kilometer tanzen. Ein guter Ort für Raver.
Auch ein Pluspunkt ist die gemächliche Closing-Routine. Morgens wird erst der Mainfloor geschlossen, was den Floor oben mit dankbaren Menschen und neuer Energie füllt. Geht die Party dort zu Ende, verlässt man den Club über die weite Terasse. Kein schroffes Rauskehren, kein grelles Licht-an.
Noch Luft nach oben gibt es beim Tuning der Anlage, die nicht nur schick aussieht, sondern mindestens genauso schick klingen möchte. Auch das Line-up entspricht noch nicht dem Maß an Verfeinerung, das die Gestaltung des Clubs bereits verrät. Bestimmt nur eine Frage der Zeit, denn so ein Ort ist ein Mammutprojekt und braucht ein paar Runden im Betrieb, bis die finale Form gefunden ist — dann wird das fi das Potential haben, ganzheitlich zu verzaubern.
Wichtig für die Stadt ist der Club ohnehin schon. Wann zuletzt wurde in Köln ein Club originär als Club gebaut? Wieviele Venues legen Wert auf wirklich guten Sound? Welcher Club denkt Rave-Kultur umfänglich mit? Das fi ist eine Schönheit in Kölns Landschaft der fehlenden Räume und vor allem: Endlich ein richtiger Club.
fi Club, Widdersdorfer Str. 246, 50825 Köln, ursprung-fi.de (S-Bahn-Haltestelle Müngersdorf Technologiepark)