Sankt Gertrud, Innenaufnahme ­während der Installation »Augenweide«, Foto: Walter Cramer

Außen brachial, innen sakral

Die Kirche St. Gertrud im Agnesviertel

Unscheinbar mit unaufgeregt geraden Formen, aus purem Beton errichtet, steht die katholische Kirche St. Gertrud inmitten von Wohnhäusern im Agnesviertel und direkt an den Bahngleisen. Die Architektur wirkt auf den ersten Blick wenig sakral. Dafür fügt sie sich nahtlos in das umgebende Stadtbild. Es ist ein profan und zunächst trist aussehendes Gebäude, das Gottfried Böhm 1960 entwarf und zwischen 1962 und 1965 erbaut wurde. Damals war dieser Stil ein »Must-have« im Städtebau. Böhm, der durch seine skulpturalen Bauwerke Bekanntheit erlangte, machte St. Gertrud mit der Faltdecke aus Beton zu ­etwas Besonderem — auf den zweiten Blick.

Heute wird die Kirche gerne als »nicht schön«, gar »hässlich« bezeichnet. Sie wird dem Stil des »Brutalismus« zugeordnet, was man wortwörtlich nehmen kann, wirkt St. Gertrud doch roh und brachial. Das Baumaterial sollte in seiner Beschaffenheit hervorgehoben und seine grundlegenden Charakteristika offen gelegt ­werden. Kein Schmuck ziert den ­Beton, schnörkellos kommt der Kirchenbau ­daher. Ein 40 Meter hoher Turm überragt das Haupthaus mit seinem zugespitzten Turmdach. Ohne ihn wäre die ­Kirche als solche kaum zu erkennen. Doch der Eintritt in das dunkle Innere bringt Stillstand. Der pure Beton verleiht dem Raum eine sakrale Atmosphäre.

Der polygonale Altarraum ist verwinkelt in zwei Ebenen angelegt. Vom Umgang führen ein paar Stufen auf die große zentrale ­Fläche, auf der regelmäßig Kunst und Veranstaltungen ihren Platz finden. An den Hauptraum angeschlossen finden sich zudem ­Vorbauten mit drei kleinen Kapellennischen. Ein Blick nach oben gibt die hohe Decke frei, die dem Raum etwas Erhabenes verleiht und durch Fenster mit floralen Ornamenten das spärliche Tageslicht einlässt. Bei Sonnenschein werden Schattenspiele durch die Fenster auf Wände und Decke ­geworfen. Der Boden aus Ziegeln erinnert dagegen an alte Schul­gebäude. Das schafft eine Verbindung zur profan anmutenden Fassade.

Das künstlerische Programm setzt sich mit Fragen des Lebens und des Glaubens auseinander, tritt mit dem gegebenen Raum in Verbindung. Doch auch ohne der katholischen Kirche zugehörig zu sein, birgt der Kirchenbau von St. Gertrud etwas Geheimnisvolles. Hier kommt es — so abgedroschen es klingen mag — mehr auf die ­inneren statt äußeren Werte an.