Forscherin in eigener Sache: Mia Gjakonovski © Sarah Wilhelm

Ohne Netz und Standard

Die Kölner Jazz-Sängerin Mia Gjakonovski spielt selbstbewussten, modernen Vocaljazz. Ein Porträt

Es ist noch gar nicht so lange her, dass die gebürtige Kölnerin Mia Gjakonovski in ihrer Heimatstadt auf der Bühne stand: Erst Anfang September trat sie im Rahmen der Cologne Jazzweek als Teil des internationalen FLINTA* (Frauen, Lesben, Intersexuelle, Non-Binary, Trans und Asexuelle) Kollektivs Shared Planet 9 im Artheater auf. Dort präsentierte die 1999 geborene Sängerin gemeinsam mit ihren Mitstreiter*innen, unter anderem der Posaunistin Shannon Barnett und der Flötistin Jorik Bergman, was sie Anfang des Jahres auf ihrem Debüt-Album veröffentlicht haben. Zuvor im Juli war Gjakonovski mit dem BuJazzO, dem Bundesjazzorchester, in Köln, an zwei Abenden sorg­ten sie für ein ausverkauftes Gloria. Erfahrungen, die sie nicht missen möchte: »Die BuJazzO-Zeit war sehr aufregend und bereichernd. Ich habe tolle Musiker*innen kennengelernt und durfte coole Gigs spielen.«

So weit, so oft in Köln — allerdings ist das Bild verzerrt, denn es ist nicht so, dass sie ein Dauergast in der Domstadt wäre. Im Gegenteil: Mit einem eigenen Projekt hat sie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr in Köln gespielt. Im September 2022 trat sie mit dem Quartett Cloud Research im King Georg auf, einer Band, die sich während ihres Studiums am Berliner Jazzinstitut gegründet hat. Dort, mitten in der Bundeshauptstadt, verbringt Gjakonovski die meiste Zeit, entwickelt ihre künstlerische Vi­sion weiter, reift als Mensch und Musikerin. Das Projekt Cloud Research hat inzwischen zu Ende ­recherchiert — »Neue Band, neue Musik. Kleiner Richtungswechsel«, sagt sie.

Es ist ein selbst­­bewusster, moderner Vocaljazz, der sich nicht an Standards ­orientiert, sich ­freischwimmt von abgedrosche­nen und überholten Bildern

Es ist nicht ihr erster Tapetenwechsel. Ihre Schulzeit verbrachte sie auf dem musischen Zweig des Humboldt-Gymnasiums, blieb danach aber nicht in Köln, wie so viele andere, sondern zog nach Berlin: »Die 550 Kilometer zwischen der alten und der neuen Heimat, das macht schon etwas mit einem. Fragen wie: ›Was will ich mit meiner Musik?‹ oder ›Was will ich mit meiner Musik aus­drücken?‹ konnte ich so für mich klären«.

Dass dieser Prozess nicht abge­schlossen ist, zeigt die musikalische Entwicklung ihres Projekts. Vor zwei Jahren versuchte sie — nicht untypisch für junge Studierende — gleich eine Reihe von Ideen unter einen Hut zu bringen: Da war ein Stimmeffektgerät, da waren Kon­traste, da waren aber auch noch Unsicherheiten zu sehen und zu hören. Vor allem versuchte sie Einflüsse vom Balkan in ihre Musik zu integrieren, obwohl sie schon damals mit Bestimmtheit sagte: »Ich mache keinen Balkan Beat oder Balkan Jazz«. Aber die ungeraden Takte, die sie aus dem mazedonischen Teil ihrer Familie kennt, denen wollte sie eine Hommage erweisen. Von solchen Ideen hat sie sich aber verabschiedet: »Das bleibt für ein anderes Projekt in der Schublade.« Vorerst konzentriert sich Mia Gjakonovski auf die Arbeit mit der neuen Band und ihren neue Ideen.

Vorbilder für den poppigeren, vor allem aber souligen Sound ihrer Songs kann sie nicht wirklich nennen — »wenn überhaupt Jordan Rakei«. Man versteht ohnehin schnell und intuitiv, in welchem Kosmos Stücke wie die bereits veröffentlichte Single »springtime« entstanden sind. Es ist ein selbstbewusster, moderner Vocaljazz, der sich nicht an Standards orientiert, sich freischwimmt von den etwas abgedroschenen und überholten Bildern, die in alten Songs von (unerwiderter) Liebe omnipräsent sind. Sie sagt, in den Schreibprozess der neuen Titel — bis zum Jahresende sollen noch drei Singles folgen — mischten sich Gedanken über »Liebe — jede Art von Liebe —, Trauer, Einsamkeit, Kindheit. Aktuelles Zeug, nicht aktuelles Zeug«.

Das klingt mitunter traurig, ernst, nachdenklich, zur gleichen Zeit auch frisch, enthusiastisch und abenteuerlustig, so wie man es sich von jungen Menschen in ihren Zwanzigern verspricht. Nicht mit einem Masterplan im Gepäck, sondern als Forscherin in eigener Sache. Wer sich davon überzeugen will, hat Ende November Gelegenheit, wenn Mia Gjakonovski endlich wieder auf einer Kölner Bühne steht — bei ­ihrem Debüt im JAKI.

Konzert

Sa 30.11., Jaki, 20 Uhr
Mia Gjakonovski tritt mit Malte Wiest (Schlagzeug), Tabea Kind (Bass), Maxim Burtsev (Piano) auf