Wirkende Wirklichkeit
Kommerzielle Ausstellungsorte gibt es in Köln viele. Nichtkommerzielle Räume schon weniger. Und solche, die sich auf Künstler*innen über 50 Lenze spezialisiert haben, erst recht keine.
Diese Lücke schließt für wenige Wochen im Jahr die Reihe »Update Cologne«, die ihre Zelte in der Horbach Stiftung aufschlägt und in den letzten Jahren Doris Frohnapfel, Christine Reifenberger oder, dieses Jahr, Wolfgang Lüttgens Platz und Zeit bietet. Denn: Auch wenn die Kunstszene gerne nach dem »NEXT Big Thing« sucht, also das »Neue« feiert, entsteht auch abseits der Aufmerksamkeitsströme beachtenswerte Kunst. Eine Kunst, die nicht laut, nicht knallend sein muss, sondern in feinen, tastenden Gesten und über lange Zeiträume sucht und Fragen stellt — dafür steht der 1957 geborene Lüttgens geradezu exemplarisch.
Bei Lüttgens ist eine der zentralen Fragen: Was ist die Wirklichkeit? Und dass diese philosophische Urfrage der Philosophie nicht beantwortet wird, das verwundert hoffentlich niemanden. Stattdessen reißen die Fotografien, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen immer wieder Risse in den Sicht- und Wahrnehmungsraum, stellen sich selbst und ihren Wirklichkeitswert zur Debatte. »Stars in my Studio« heißt eine vielteilige Präsentation in der aktuellen Ausstellung und zeigt nicht unbedingt, was man auf den ersten Blick zu sehen scheint. Aus gewisser Entfernung fühlt man sich an die beeindruckenden Fotografien des Hubble-Teleskops erinnert, an diese Stern-Panoramen, die vor Lüttgens schon Künstler-Kolleg*innen — wie Thomas Ruff — fasziniert haben. Bei genauerer Betrachtung erkennt man im Schwarz, in schwacher Kontur, nachgerade lapidare fotografische Szenen: Schreibtische, Raumecken etc. Diese Aufnahmen aus Lüttgens’ Studio in Klettenberg sind nicht die einzigen Auseinandersetzungen mit dem Atelier als Bühne des Künstlers: Immer wieder wird der Arbeits- zum Kunstraum.
Dieses Jahr erstmalig für die Update Cologne-Reihe wird sich nicht nur der Künstler und sein Publikum mit der Kunst auseinandersetzen, sondern auch eine Gruppe Studierende der »Museumsstudien«. Die Jungwissenschaftler*innen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn werden im dritten, großen Ausstellungsraum der Stiftung die Ergebnisse eines »gewinnbringenden Dialog[s] an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft« präsentieren. Dass dabei ein zweiter Dialog, zwischen jung und nicht mehr ganz so jung, entsteht, ist ein willkommener Nebeneffekt.
»Update Cologne #8: Wolfgang Lüttgens«, Michael Horbach Stiftung, Wormser Str. 23, bis 23.2., Mi & Fr 15.30–18.30 Uhr, So 11–14 Uhr