Mieten in Köln Wer kann sich das noch leisten?

In Köln zu wohnen wird immer teurer — und falls man eine bezahlbare Wohnung findet, gibt es ­oft Probleme: steigende Mieten, fehlerhafte ­Nebenkosten, Eigenbedarf. Wir haben Kölnerinnen und Kölner in ihren Wohnungen besucht, ­mit Studierenden gesprochen und Fachleute ­gefragt, wie sich die Probleme lösen ließen. ­Dörthe Boxberg hat Menschen fotografiert, die ihr Zuhause nach einer Eigenbedarfs­kündigung verlassen sollen — oder es bereits ­verloren haben

Gerade mal zwei Jahre wohnten Luise Hallmann (Name geändert) und ihre kleine Tochter in ­ihrer Wohnung in Raderthal, da mussten sie schon wieder raus. Ihre Vermieterin kündigte den beiden wegen Eigenbedarfs. Luise Hallmann war wie vor den Kopf geschlagen: Kurz vorher hatte ihr die Vermieterin die Wohnung noch zum Kauf angeboten, jedoch zu einem Preis, den die alleinerziehende Mutter nicht zahlen konnte. Nun benötigte plötzlich eine Verwandte die Wohnung.

Mit viel Glück fand Hallmann eine neue Bleibe im benachbarten Bayenthal, die jetzige Vermieterin gab ihr den Vorzug, weil sie selbst mal alleinerziehend war. Allerdings muss Hallmann nun deutlich mehr Miete zahlen. Und da ist auch ein anderes Gefühl: »Mein Kind hat mich gefragt: Müssen wir bald auch aus der neuen Wohnung raus? Man hat nicht mehr so eine Sicherheit.«

Mit Fällen wie dem von Luise Hallmann hat Sven Forst jeden Tag zu tun. Der Fachanwalt für Mietrecht vertritt auch die 94-jährige Paula Hilsemer, die wegen Eigenbedarfs ihre Zweizimmerwohnung in Mülheim räumen sollte, in der sie seit 70 Jahren wohnt. Oder Isabell Ullrich, die am Tag vor der Geburt ihres Kindes die Eigenbedarfskündigung für ihre WG in Ehrenfeld erhielt. »Eigenbedarfskündigungen nehmen seit Jahren zu, aber seit einigen Monaten steigen die Zahlen rasant«, sagt Forst. Jede Woche bekomme er zwei bis drei neue Fälle auf den Tisch. Häufig fange der Ärger an, wenn der Vermieter sterbe und die Erben ihr Eigentum für sich beanspruchten. Wenn eine vierköpfige Familie ihre 120-Quadratmeter-Wohnung räumen muss, damit der 18-jährige Sohn des Erben sie allein bewohnen kann, dann ist das rechtens.

»Unwirksam ist eine Kündigung, wenn die Absicht, die Wohnung selbst zu nutzen, vorgetäuscht ist«, sagt Forst. Etwa, wenn die Erben die Wohnung teurer vermieten wollen, und die Mieter mit ihren langjährigen, güns­tigeren Mietverträgen dem im Weg stehen. Es komme durchaus vor, dass die Mieter ihre frühere Wohnung kurz nach Auszug bei einschlägigen Immobilienportalen finden, wo sie zum doppelten oder dreifachen Mietpreis angeboten werden. »Die Mieter können dann Schadensersatz bekommen«, so Forst. Ihr Zuhause aber ist verloren. Gerade Familien fänden in ihrem Viertel meist keine bezahlbare Alternative. Viele müssten ins Umland ausweichen, »die Kinder werden aus ihrem Umfeld, aus Kita und Schule gerissen«. Er habe auch schon erlebt, dass Menschen gar nichts fanden und in einer städtischen Notunterkunft landeten, so Forst. Was Forst beobachtet, spielt sich in den beliebten innenstadtnahen Vierteln wie Klettenberg, Agnes­viertel oder Ehrenfeld ab. »Von einer Eigenbedarfskündigung in Höhenberg habe ich selbst jedenfalls noch nicht gehört«, so Forst.

Fast zwölf Euro Bruttokaltmiete pro Quadratmeter haben Mieter und Mieterinnen im Durchschnitt 2023 in Köln bezahlt, das ist rund ein Drittel mehr als 2009. 

Eigentlich sollte die Mietpreisbremse diesen Anstieg abfedern. Das Gesetz regelt, dass in Ballungsgebieten die Miete für Wohnungen bei einem Mieterwechsel höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Die Vermieter-Lobby kritisiert die Mietpreisbremse und behauptet, sie führe dazu, dass nicht mehr in Immobilien investiert werde. Außerdem könnten Wohnungsbesitzer an Besserverdienende vermieten, die es nicht nötig haben, die Mietpreisbremse einzufordern — oder auch an weniger Zahlungskräftige, die aber froh sind, endlich eine Wohnung gefunden zu haben.

Eigenbedarfs­kündigungen nehmen seit Jahren zu, aber seit einigen Monaten steigen die Zahlen rasantSven Forst, Fachanwalt für Mietrecht

Franz-Xaver Corneth vom Kölner Mieterverein hingegen hält die Mietpreisbremse für ein gutes Instrument, um Wohnraum bezahlbar zu machen. »Dass die Mietbremse verlängert und auch auf Wohnungen ausgeweitet wurde, die nach 2014 gebaut wurden, ist ein richtiger Schritt, um Wohnen bezahlbar zu machen — allerdings muss man auch sanktionieren, wenn Vermieter dagegen verstoßen.«

Als »bezahlbar« gilt nach allgemeinem Verständnis eine Wohnung, wenn die Miete dafür nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens des gesamten Haushalts ausmacht. In Köln liegt dieser Wert durchschnittlich bei 32,5 Prozent. Aber für Haushalte mit einem Nettoeinkommen unter 2000 Euro macht die Miete 47 Prozent des Haushaltseinkommens aus, bei Haushalten mit mehr als 4000 Euro sinkt der Wert auf unter 22 Prozent. Dieser Wert könnte niedriger sein, denn er umfasst auch die kalten Nebenkosten wie Müllabfuhr oder die Grundsteuer. »Jede zweite Nebenkostenabrechnung ist fehlerhaft — zulasten der Mieter«, sagt Corneth. Im Schnitt geht es bei jeder dritten Beratung des Mietervereins darum.

Was aber, wenn man die Konfrontation mit dem Vermieter scheut, aus Sorge, das Verhältnis zu strapazieren? »Da muss man abwägen«, so Corneth. »Mietverhältnisse sind Dauerschuldverhältnisse. Da braucht man nicht nur juristischen Sachverstand, sondern auch Fingerspitzengefühl. Bei zwanzig Euro überlegt sich das mancher sicher zweimal, aber bei höheren Summen sollte man das schon reklamieren.«

Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität zu Köln bereitet sich schon auf den Beginn des Sommersemesters vor.

»Dann gehen hier wieder Hunderte Mails ein von verzweifelten Studierenden, die keine Wohnung finden«, sagt Adrian Moser vom Asta-Vorstand. Moser geht dann wieder rüber in die Berrenrather Straße zum Haus der Katholischen Hochschulgemeinde und richtet mit anderen Studierenden den ­Veranstaltungssaal als Notschlafstelle her, pumpt Luftmatratzen auf und hängt Vorhänge auf, als Sichtschutz. Höchstens dreißig Studierende können hier die Nacht verbringen, für höchstens einen Monat. Eine Toilette gibt es im Haus, aber zum Duschen müssen sie zehn Minuten zu Fuß zum Unisport laufen.

»Wir fühlen uns von der Stadt total allein gelassen«, sagt Moser. Die Not sei so groß, dass viele, vor allem ausländische Studierende, ihren Studienplatz kurz vor Beginn wieder absagen, weil sie nichts finden. Andere pendelten monatelang aus Mönchengladbach oder der Eifel nach Köln, wieder andere zögen in schimmelige Zimmer. »Manche Vermieter denken, Studierenden kann man noch das letzte Loch andrehen. Manche vermieten auch nur an weibliche Studierende, und uns wurde auch schon von sexuell übergriffigem Verhalten bei WG-Castings berichtet«, erzählt Moser. Die Notlage vor Semesterbeginn »öffnet Tür und Tor, ausgenutzt zu werden«.

Für knapp 100.000 Studierende in Köln gibt es weniger als 5000 Wohnheimplätze des Studierendenwerks, die Mieten der WG-Zimmer auf dem freien Markt sind hoch: Das Portal WG-gesucht gibt für Köln durchschnittlich rund 600 Euro an — der Bafög-Höchstsatz liegt bei 992 Euro. Studierende leiden unter der Kölner Wohnungsnot, gleichzeitig heizen sie sie mit an, schließlich lässt sich von einer Fünfer-WG oftmals mehr Geld verlangen als von einer Familie mit drei Kindern. Lukrativ sind auch sogenannte Mikroapartments, die vor allem für Studierende gedacht sind. Werden sie möbliert vermietet, ist der Vermieter nicht an den Mietspiegel gebunden und kann Preise von 20 Euro pro Quadratmeter und mehr verlangen.

Manche Vermieter denken, Studierenden kann man noch das letzte Loch andrehenAdrian Moser, ASTA

Im November vergangenen Jahres forderten die Asten der Kölner Hochschulen die Oberbürgermeisterin in einem Offenen Brief auf, die Not der »etwa 10 Prozent Ihrer Bürger*innen« endlich ernst zu nehmen. Eine Antwort habe man nie erhalten, so Moser. Jedoch fanden sie Gehör bei den Ratsfraktionen. Im Februar forderte der Rat die Verwaltung auf, »Sofortmaßnahmen« zu ergreifen und Studierende unter anderem übergangsweise in Hotels unterzubringen oder Container aufzustellen. Vor allem soll das Studierendenwerk aber mehr Wohnheime bauen und die Stadt dafür Flächen per Direktvergabe zur Verfügung stellen. »Wir brauchen die Wohnheime aber zentrumsnah und nicht nur in Hürth«, sagt Moser. Er läuft zum Fenster, sein Blick fällt auf das Asta-Café mit der Studiobühne. Es ist umzäunt, steht seit Jahren leer. »Es steht unter Denkmalschutz, eine Sanierung wäre aber nicht wirtschaftlich«, sagt er. Was damit passiert, ist offen. Der Asta hat einige Veranstaltungen zur Wohnungsnot organisiert, auch eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Doch trotz der großen Not sei nur wenig Publikum gekommen. Moser zuckt die Schultern. »Soziale Themen mobilisieren einfach nicht so stark«, sagt er.

Seit Jahresbeginn belastet viele Mieter ein zusätzliches Problem: deutlich erhöhte Grundsteuerbescheide.

Besonders betroffen sind Eigentümer und Mieter in Altbauten, deren Grundstückswerte bislang niedrig angesetzt waren. Marion Diwo lebt seit 1985 auf 63 Quadratmetern an der Rolandstraße in der Südstadt. Ende Januar erhielt sie ihren neuen Grundsteuerbescheid: Statt 50 soll sie nun 850 Euro im Jahr zahlen. »Für mich ist das existenzbedrohend«, sagt sie. Ihr Vermieter habe Kontakt mit der Stadt aufgenommen, in der Hoffnung, dass ein Fehler vorliege. Sollte die Erhöhung bestehen bleiben, werde sie ihre Wohnung aufgeben müssen. »In den Altbauvierteln rollt eine Lawine auf uns zu«, glaubt sie. »Warum kann eine Steuer auf Eigentum überhaupt auf Mieter umgelegt werden?« Diwo glaubt, dass vor allem ältere Menschen betroffen sind, die schon lange in ihren Wohnungen leben. »Die werden dann verdrängt.«

Wohnraum wird also teurer — einerseits. Andererseits gab es noch nie so viel Wohnraum pro Einwohner wie heute, in Köln sind es gut 39 Quadratmeter. Leben wir auf zu großer Fläche? Die einen ja, die anderen nicht. Denn der Wohnraum ist zunehmend ungleich verteilt. Es sind aber nicht nur reiche Menschen, die überdurchschnittlich große Wohnungen haben. Es sind etwa auch Ältere, die alleine leben, weil die Kinder aus dem Haus sind oder der Partner gestorben ist. Sie würden gern umziehen, finden aber keine Wohnung in ihrer gewohnten Umgebung, die sie bezahlen können. Wer umzieht, zahlt in der Regel mehr Miete als zuvor, obwohl die Wohnung kleiner ist.

»Viele Ältere wohnen seit 30 Jahren zu geringen Kosten in ihrer Wohnung und ziehen nicht um, weil sie für eine kleinere mehr zahlen würden als für ihre aktuelle große«, sagt Sabine Pakulat, Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses. Doch alle Versuche, den Wohnraum mit Tauschprogrammen bedarfsgerechter zu verteilen, seien bisher nur »mäßig erfolgreich« gewesen, gibt Pakulat zu. »Das klappt ab und zu bei Genossenschaften und der GAG, weil die Menschen dazu nur bereit sind, wenn sie im Quartier bleiben können.« Insgesamt aber stecke man »viel Arbeit in wenig Effekt.«

Oft hört man aber auch die Forderung, leerstehenden Büroraum zu Wohnungen umzubauen. In der Praxis gelingt das selten, auch, weil dann Anforderungen wie an einen Neubau gestellt werden, etwa was Barrierefreiheit oder energetische Standards betrifft. Das macht den Umbau teuer und unwirtschaftlich. Schon lange wird deshalb in Fachkreisen ein »Umbaustandard« gefordert. Auch Jörg Beste, Geschäftsführer des Architektur Forums Rheinland, hält das für sinnvoll: »Es darf ja nicht nur der SUV, sondern auch der Opel Corsa auf der Straße fahren. Wir bräuchten eine Kleinwagenklasse für den Umbau.« Natürlich solle man beim Erdbeben- oder Brandschutz keine Abstriche machen, vorstellbar sei das aber beispielsweise bei der Trittschall-Dämmung, so Beste.

Weil die Lage für Wohnungssuchende immer schlechter wird, hat der Rat der Stadt im Dezember ein neues »Maßnahmenpaket zur Unterstützung und Stabilisierung des Wohnungsbaus« beschlossen,

es regelt in erster Linie die Zuständigkeiten in der Verwaltung und den Zusammenschlüssen von Politik, Verwaltung und Wohnungswirtschaft. Eine Neuerung ist, dass künftige Siedlungen dichter gebaut werden dürfen. Es sind weniger Grün- und Spielflächen vorgeschrieben; eventuell werden künftig auch weniger Autoparkplätze verpflichtend sein.

Pascal Pütz, wohnungspolitischer Sprecher der SPD, wertet das »Maßnahmenpaket« als großen Erfolg. Es brauche jetzt »mehr Pragmatismus, sagt Pütz. »In der Vergangenhiet war für die CDU  alles, was höher als drei Stockwerke war, ein Hochhaus und damit sozialer Brennpunkt. Auf der anderen Seite sagen die Grünen, wir sollten keine Eigenheime mehr bauen. Ich sage, wir brauchen beides.« Grundsätzlich keine Flächen mehr für den Wohnungsbau zu versiegeln, sei falsch. »Zu behaupten, die Stadt sei fertiggebaut, wie es die Grünen sagen, finde ich fatal.« Gerade auch in den äußeren Stadtbezirken, etwa in Porz, gebe es noch Flächen. »Man muss aber auch stärker über Aufstockungen reden«, so Pütz. »Drei Geschosse plus Satteldach — da kann man überall ein Stockwerk aufsetzen!«

Sabina Pakulat von den Grünen verweist darauf, dass Köln einen »Bauüberhang« von mehr als 7000 Wohnungen habe: deren Bau ist zwar genehmigt, doch sie werden nicht gebaut — unter anderem wegen der zurzeit hohen Zinsen und Baukosten. »Wir warten, bis die Baukonjunktur wieder anspringt«, so Pakulat. Doch sie verweist auch auf die gestiegene Wohnfläche pro Person. »Natürlich braucht jeder Mensch ein Dach über dem Kopf«, sagt Pakulat. »Aber ich frage mich schon, ob es unsere Aufgabe ist, zu bauen, nur um diesen stetig wachsenden Quadratmeterbedarf pro Person zu befriedigen.« Die Kommune solle sich auf die Realisierung von sozialem Wohnungsbau konzentrieren, so Pakulat.

»Es hat in der Vergangenheit zu lange gedauert, bis Bauvorhaben genehmigt wurden«, sagt Niklas Kienitz (CDU). Das werde jetzt aber durch die digitale Bauakte beschleunigt. Die im Dezember vom Rat beschlossenen Maßnahmen könnten nun zusätzlich viel bewegen, glaubt er. »Wichtig ist auch, dass wir uns zur Grundhaltung bekennen: Wir wollen weiter wachsen und dafür auch weiter Flächen ausweisen.« Dieses Bekenntnis habe, bei »manchen im Rat« in der Vergangenheit gefehlt. »Würden wir allein die dafür ausgewiesenen Flächen bebauen, hätten wir auf einen Schlag 22.000 Wohnungen mehr!«, sagt Franz-Xaver Corneth vom Mieterverein und nennt die Bauvorhaben für den neuen Stadtteil Kreuzfeld, die Parkstadt-Süd, den Deutzer Hafen, Rondorf-Nordwest und das Projekt Wahn-West in Porz. »Und da habe ich den Süden von Mülheim gar nicht mitgerechnet«, so Corneth; dort geht es auf vielen Arealen seit Jahren nicht weiter, weil Baugrundstücke zu Spekulationsobjekten geworden sind.

Die Stadt Köln und die Kölner Wohnungswirtschaft hatten sich darauf verständigt, nicht nur jedes Jahr 6000 neue Wohnungen zu bauen, sondern darunter auch 1000 Sozialwohnungen.

Das wurde nie erreicht. In den vergangenen Jahren waren es jeweils nur um die 2500 neue Wohnungen — und die Zahl der Sozialwohnungen sinkt seit Jahren. Rund die Hälfte aller Kölnerinnen und Kölner hätte Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein. Es nützt ihnen aber nichts, weil es nicht genug entsprechende Wohnungen gibt. »Momentan haben wir nur noch 6,5 Prozent geförderte Wohnungen in Köln, in den 90er Jahren waren es noch 20 Prozent«, so Franz-Xaver Corneth vom Mieterverein. »Und bis 2033 wird sich die Zahl noch mal halbieren, wenn nichts geschieht — denn bis dahin fallen diese Wohnungen aus der Mietpreisbindung.«

In Köln gab es im Jahr 2022 etwa 569.000 Wohnungen. Rund drei Viertel davon werden vermietet. Aber nur circa 80.000 dieser Wohnungen befinden sich in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand. Damit hat die Stadt kaum Möglichkeiten, auf die Mieten einzuwirken. Für viele ist die logische Konsequenz: Die Stadt muss selbst mehr bauen oder mehr Grundstücke an Genossenschaften abgeben. Eine Schlüsselrolle dabei nimmt die kommunale Wohnungsbaugesellschaft GAG ein. Sie besitzt in Köln rund 46.000 Wohnungen und ist damit der größte Vermieter der Stadt. Das Unternehmen soll bezahlbaren Wohnraum bereitstellen, rund die Hälfte seines Bestands sind Sozialwohnungen. Nachdem die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen in Deutschland 1990 abgeschafft wurde, ging die GAG 1993 an die Börse. Zwar hält die Stadt 88 Prozent der Anteile, aber vor allem die Kleinaktionäre fordern, dass die GAG Gewinne erzielt. Zuletzt hat auch die GAG Mieten stark erhöht. »Mieterhöhungen orientierten sich oft am Höchstwert der jeweils geltenden Mietpreisspanne im Mietspiegel«, kritisiert der Mieterverein Köln. Die GAG solle bei Mieterhöhungen wieder dazu übergehen, sich am Mittelwert zu orientieren.

Im vergangenen Jahr hat die GAG etwa 800 Wohnungen neu gebaut. Damit könne sie den Bedarf an Neubauten nicht decken, sagt Michael Weisenstein, Wohnungsbauexperte von Die Linke. Für ihn ist ein zweites, rein kommunales Wohnungsbauunternehmen, das ausschließlich preiswerte Wohnungen baut, unabdingbar: »Wir müssen über 2.000 bis 3.000 neue Wohnungen pro Jahr sprechen. Dafür brauchen wir eine zweite Gesellschaft.«

Sabine Pakulat von den Grünen verweist darauf, dass nun auch viele Investoren beim öffentlich geförderten Wohnungsbau mitmischten, weil sich der frei finanzierte Wohnungsbau momentan kaum noch rentiere. Pakulat sieht darin eine Chance, dass mehr und schneller günstiger Wohnraum entsteht. Aber vielleicht ist der Neubau von Wohnungen auch gar nicht das Wundermittel gegen steigende Mieten? Eine Datenauswertung der ZEIT ergab 2023, dass auch in Städten, in denen viel gebaut wurde, die Mieten nicht gesunken sind.

»Ein Grundbedürfnis wie Wohnen dem freien Markt zu überlassen, und das bei einer endlichen Ressource wie Grund und Boden, kann nur zu Problemen führen«, sagt Jörg Beste vom Architektur Forum Rheinland. Aber auch das politische Nachsteuern etwa durch öffentlich geförderten Wohnungsbau oder das Kooperative Baulandmodell überzeugt Beste nicht. Bei größeren Bauprojekten muss in Köln mindestens 30 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum entstehen. »Aber der fällt ja nach 20 Jahren wieder aus der Bindung. Wo finde ich dann die nächste Fläche, die ich wieder mit viel Steuergeld dazu bringe, öffentlich geförderten Wohnungsbau anzubieten?« Der Großteil des Immobilienbestands sei in den falschen Händen, findet Beste. »Wenn es um größere Bestände geht, muss ich doch schauen: rede ich mit einer Genossenschaft oder mit einem Großkonzern auf Aktienbasis?«

Es ist eine ruhige Siedlung aus Backsteinhäusern, in der die Straßen nach Obstbäumen benannt sind.

Hier in Bickendorf sind Nicole Wolf, Martin Scherag und ihre 14-jährige Tochter Livia kurz vor Weihnachten eingezogen. Der Blick aus der Küche fällt auf den großen Gemeinschaftsgarten. »Wir fühlen uns hier sehr wohl«, sagt Nicole Wolf. »Vor einem Jahr dachte ich noch, wir werden in Köln niemals mehr was finden«, sagt ihr Mann. Nachdem ihr Vermieter verstorben war, meldeten die Erben Eigenbedarf für ihre Wohnung in Ehrenfeld an, die Wolf und Scherag vor neun Jahren in Eigenregie aufwändig saniert hatten. Der Onkel sollte einziehen — eine Geschichte, die Wolf und Scherag bis heute anzweifeln. »Aber wir haben uns auf eine Einigung eingelassen, weil wir gemerkt haben, wir packen das nervlich mit einer Räumungsklage nicht«, so Scherag. Nach monatelanger Suche fanden sie ihre Genossenschaftswohnung in Bickendorf, wegen ihrer Kündigung stufte die Genossenschaft sie als Härtefall ein. Hier zahlen sie nun sogar weniger Miete als vorher. »Und vor allem müssen wir keine Angst haben, wieder wegen Eigenbedarfs rauszumüssen.«

Warum setzt man nicht noch stärker auf Genossenschaften, wo sie doch den Wohnraum der Spekulation und Willkür von Eigentümern oder Immobilienfirmen entziehen? »Man hat das in Köln ja auch getan, nach den Weltkriegen, als die Wohnungsnot groß war«, sagt Jörg Beste vom Architektur Forum Rheinland. »Damals standen aber auch entsprechende Flächen zur Verfügung.«

Heute sei so gut wie jeder Meter planerisch definiert und potenzielle Wohnflächen größtenteils bebaut. Aber auch beim Nachverdichten, dem Aufstocken von Häusern oder Bebauen von Innenhöfen, sei angesichts von zunehmender Hitze und Starkregen die Grenze irgendwann erreicht, so Beste. »Dagegen kommt man mit Fassadenbegrünung auch nicht mehr an.« Auch könne sich das Nachverdichten auf die soziale Zusammensetzung eines Viertels auswirken. So habe man sich beim Griechenmarktviertel, das gerade mal zwei- bis dreigeschossig bebaut ist, bewusst gegen eine »Höherzonung« entschieden, weil sonst »Investitionswillige die Flächen zusammenkaufen, Bestände abreißen, nachverdichten und die Bewohnerschaft austauschen«.

Katrin Stein wohnt mit ihrem Mann und den zwei Kindern so, wie sich das viele Kölner erträumen:

in einer Maisonette-Wohnung mit Dachterrasse und Blick über das Rathenauviertel. Doch der Traum platzte, als der Vermieter vor einem guten Jahr Eigenbedarf anmeldete. Inzwischen läuft die Räumungsklage, doch die Familie findet nichts anderes. Dabei könnten sie als verbeamtete Juristen durchaus höhere Mieten zahlen. Aber es gebe nur wenige Besichtigungstermine, und dann stünden die Bewerber Schlange bis auf die Straße. »Da gibt es eine Feindseligkeit unter den Interessenten, alle fahren die Ellenbogen raus«, sagt Stein.

Stein ist sich sicher, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht ist. »Es gibt Baulücken neben und hinter unserem Haus. Es liegt nahe, dass der Vermieter sie bebauen will — aber dazu müsste er unsere Maisonette-Wohnung abreißen.« Vor einigen Jahren hat Stein sich mit der BI Rathenauplatz dafür eingesetzt, dass das Rathenauviertel ­»Milieuschutz« bekommt, eine sogenannte Soziale Erhaltungssatzung, wie es sie im Severinsviertel, Mülheim-Süd und im östlichen Ehrenfeld gibt. Um Luxussanierungen und die Verdrängung der Bewohner zu verhindern, sind Umbauten und Nutzungsänderungen dort nur mit einer speziellen Genehmigung möglich. Doch die Stadt sah dafür keine Notwendigkeit, unter anderem, weil die Gentrifizierung im Rathenauviertel schon zu weit fortgeschritten sei.

»Hätten wir Milieuschutz, dann könnte hier nicht ohne weiteres gebaut werden, und wir wären nicht gekündigt worden«, glaubt Stein. Sie gehört zu den Besserverdienenden, die nun von noch Wohlhabenderen aus dem Viertel gedrängt werden. »Wir sind hier eingebunden, organisieren Feste im Viertel. Das ist unser Zuhause«, sagt Stein. Doch sie beobachtet, dass in letzter Zeit oft Menschen zuziehen, die ihre Altbauwohnung am Rathenauplatz nur als Zweit- oder Drittwohnsitz nutzen, nur wenige Wochen im Jahr vor Ort sind und nichts zur Gemeinschaft im Viertel beitragen.

»In zehn Jahren wird Köln keine lebenswerte Stadt mehr sein, sondern ein Refugium für gut verdienende Singles«,  befürchtet Michael Weisenstein (Die Linke). Für ihn sind Milieuschutzsatzungen ein gutes Instrument dagegen. »Nicht nur Krankenschwestern können sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten«, so Weisenstein. »Heute trifft es selbst Lehrerpaare.« Doch während es in Berlin mehr als hundert solcher Satzungen gebe und in München ein Viertel der Bevölkerung in geschützten Gebieten wohne, gibt es in Köln lediglich drei. Weisenstein spricht von einem »Totalversagen« und macht CDU und FDP für die Untätigkeit verantwortlich.

Niklas Kienitz, mit der CDU im Ratsbündnis, lehnt es ab, weitere Viertel unter »Milieuschutz« zu stellen, obwohl andere Städte viel stärker auf diese Maßnahmen setzen. Wenn man Investoren dazu zwinge, mehr öffentlich geförderten Wohnraum anzubieten, müssten sie ihre frei ­finanzierten Wohnungen dann noch teurer vermieten als jetzt schon, damit es sich noch rechne. Und Kienitz bezweifelt, dass soziale Erhaltungssatzungen den gewünschten Effekt haben: »München hat davon ganz ­viele, trotzdem zahlen Sie da die höchsten Mieten in Deutschland.« Zudem müssten Eigentümer ihren Bestand mittelfristig klimaneutral umbauen, etwa mit Dämmung, neuen Fenstern und Heizungen. »Das funktioniert mit den Erhaltungssatzungen nicht«, glaubt Kienitz.

Aber egal, welche Maßnahmen gewählt werden, es wird noch Jahre dauern, bis sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt.

Bis dahin werden immer mehr Mieterinnen und Mieter sich mit Mieterhöhungen und Eigenbedarfsforderungen herumplagen. Und solange Köln weiter wächst und auch weiter wachsen soll —, werden sich selbst die, die sich hier eine Wohnung leisten können, vor Probleme gestellt sehen: weil es zu wenige Kitas und Schulen gibt, weil der ÖPNV überlastet ist, weil sich durch die zunehmende Versiegelung die Stadt im Sommer aufheizt. »Ich wundere mich immer über die Behauptung, dass Köln wächst«, sagt Jörg Beste vom Architektur Forum Rheinland. »Köln ist 405 Quadratkilometer groß und wird nicht größer — wir müssen aber immer mehr Menschen auf der Fläche unterbringen.«