Keine Spuren mehr zu sehen: Ort des NS-Krankensammellagers im Gremberger Wäldchen

Erschossen und verbrannt

Eine Initiative will an NS-Verbrechen im Gremberger Wäldchen erinnern

Auf der einen Seite die Autobahn, auf der anderen das Gremberger Wäldchen. Rund um das NS-­Krankensammellager wird es bei Kriegs­ende vor 80 Jahren ähnlich ausgesehen haben wie heute. Vom Lager aber, wo eines der grauenvollsten Verbrechen der letzten Kriegstage verübt wurde, sind ­keine Spuren mehr zu sehen. Am 8. April 1945, als die Alliierten das linksrheinische Köln schon seit ­einem Monat befreit hatten, ­vernichteten ältere Männer und Jugendliche des »Volkssturms« das Lager, schossen wahllos in die ­Baracken und legten Feuer ­unter den Betten, in denen die Kranken lagen.

»Hier müssen noch Fun­da­mente zu finden sein«, sagt ­­Ilona Obergfell und zeigt auf den ­Waldboden. Sie und vier weitere Mitglieder der AG Bodendenkmal sind ins Gremberger Wäldchen ­gekommen, die Gruppe fand im vergangenen Sommer im Zuge der Proteste gegen den Ausbau der A4 zusammen. Eine His­to­rikerin ist darunter, eine An­wohnerin, und auch der Sohn ­eines ­polnischen Zwangsarbeiters. Sie und weitere Mitstreiter wollen die Erinnerung an das, was hier geschah, bewahren.

»Wir können uns eine Teilfrei­legung der Fundamente vorstellen, vielleicht auch gemeinsam mit Jugendlichen«, sagt Obergfell. Vielleicht könne die Stelle, die erst seit vergangenem Jahr als Bodendenkmal eingetragen ist, ein Lernort werden. Unterstützung erhält die Gruppe vom NS-Dokumenta­tionszentrum, und die Stadt Köln »legt uns zumindest keine Steine in den Weg«, sagt sie. Ursprünglich für den Bau der Autobahn als ­Barackenlager des Reichsarbeitsdiensts errichtet, diente das Lager seit 1942 als Krankenlager für ­sowjetische und polnische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem ­Rheinland, auch eine Entbin­dungs­­station für Schwangere gab es. Aber die medizinische ­Ver­sorgung war noch schlechter als in anderen Krankenlagern. Man geht ­heute davon aus, dass weit mehr als 350 Menschen dort aufgrund der schlechten ­Ver­sorgung zu Tode kamen. 

Häufig mussten Initiativen aus der Zivilgesellschaft das Gedenken durchsetzenStewo Jędrzejczyk, AG BodenDenkmal

In einem hinteren Bereich ­waren hochansteckende Tuber­kulose- und Typhuskranke untergebracht. Dieses »Seuchenlager«, in das sich das NS-Lagerpersonal nicht hineintraute, diente untergetauchten Zwangsarbeitern als Zuflucht. Aber auch im vorderen Bereich waren die Bedingungen schlecht. Der Historiker Matthias Lammers, auf dessen Forschungen sich die Gruppe unter anderem beruft, sagt: »Nicht mehr ­arbeitsfähig bedeutete damals, dass die Menschen schon­ schwerst krank waren. Es gab aber nur eine minimale medizinische Behandlung, ab 1943 wurde auch das ausgesetzt.« Über den gesamten ­Zeitraum seien nachweislich 539 Menschen in den Baracken untergebracht gewesen. Lammers geht aber mittlerweile von mehr als 850 Menschen aus. Er hat 2019 während eines Praktikums am NS-Dokumentationszentrum zum Lager geforscht und später seine Masterarbeit darüber geschrieben. Auch Lammers engagiert sich mittlerweile in der AG Bodendenkmal, um den Ort und seine Geschichte stärker ins Bewusstsein zu rufen.

Derzeit weist nur eine Info-­Tafel auf das Lager und seine ­Geschichte hin. Gleich nebenan befindet sich eine Gedenkstätte, die an der Stelle eines Massengrabs errichtet wurde. Auf einem Gedenkstein steht zu lesen, dass hier »74 sowjetische Bürger« ­während ihrer Gefangenschaft ­ermordet wurden — wer den ­Gedenkstein aufgestellt hat und wer hier begraben liegt, sei nicht abschließend geklärt, so Lammers. Alles spreche aber ­dafür, dass es Insassen des Lagers waren, das seit dem vergangenen Jahr als Bodendenkmal eingetragen ist. Erinnerungspolitisch ­müsse man beide Orte zusammendenken, so Lammers.

Es seien häufig Initiativen aus der Zivilgesellschaft gewesen, die sich für das Gedenken einsetzten, sagt Stewo Jędrzejczyk, dessen Vater Zwangsarbeiter war. Auch die Projektgruppe Messelager, die seit 1989 die Geschichte des ­Lagerkomplexes in Deutz auf­arbeitete, Besuchsprogramme durchführte und Entschädigungen für Zwangsarbeiter durchsetzte, sei aus der Zivilgesellschaft entstanden. »Wir mussten unser Anliegen immer wieder politisch durchsetzen«, sagt Jędrzejczyk.

Aber in der Gruppe besteht die Sorge, dass durch den geplanten Ausbau der Autobahn A4 nicht nur Teile des Gremberger Wäldchens, sondern auch der historische Ort des Lagers zerstört ­werden könnten. Laut Autobahn GmbH werde das Lager von den Bauarbeiten nicht berührt, sagt Ilona Obergfell. Aber so ganz kann man nicht glauben, dass bei dem Großprojekt auf den bislang kaum bekannten historischen Ort ­Rücksicht genommen werde.

Fr, 10.4. Wie erinnern? — Das Zwangs­arbeiter*innen- und Krankensammel­lager Gremberger Wäldchen, NS-Dokumentationszentrum, 18 Uhr
Sa, 12.4. Die Befreiung des Lagers im Gremberger Wäldchen, Führung mit Matthias Lammers, NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen, 14 Uhr