Im Dunkeln
Köln soll einen neuen U-Bahn-Tunnel bekommen. Das hat der Rat am 3. April beschlossen. Nach neun Jahren Diskussion um den Ausbau der Ost-West-Achse gibt es nun also eine Entscheidung — der Streit jedoch ist damit nicht vorbei, und ob der Tunnel je gebaut wird, ist ungewiss. Während Ralph Sterck (FDP) von einem »großen Tag für den ÖPNV in Köln« sprach und sich anschließend freudestrahlend im U-Bahn-Fan-T-Shirt zeigte, sprach Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin vom »dunkelsten Augenblick in dieser Wahlperiode«.
Die Grünen, entschiedene Tunnelgegner und größte Fraktion im Rat, verließen den Saal vor der Abstimmung aus Protest, weil sie fürchteten, die AfD werde bei der so wichtigen Entscheidung zum Zünglein an der Waage. Man tue dies, um Schaden vom Stadtrat abzuwenden, so Martin. In der Tat hätten die 44 Vertreter des Tunnelbündnisses von CDU, SPD und FDP plus OB Henriette Reker keine Mehrheit gehabt, wären alle 91 Ratsmitglieder im Saal gewesen. Allerdings fehlte ein Mitglied von Volt und sogar drei Grüne — eine »Bankrotterklärung«, wie ihnen die Linke bescheinigte. Am Ende stimmte die AfD dann zwar mit dem Tunnelbündnis, aber auch ohne ihre Stimmen hätte es knapp gereicht.
Zuvor hatte der Rat einen Antrag von Thor Zimmermann abgelehnt, den er noch als Einzelmandatsträger eingebracht hatte, inzwischen ist er Teil der Grünen-Fraktion. Zimmermann wollte die Bürger zum Ausbau der Ost-West-Achse befragen lassen. Doch die Grünen wollen es nun anders versuchen. Mit einem sogenannten kassatorischen Bürgerbegehren können bereits getroffene Ratsbeschlüsse rückgängig gemacht werden, benötigt werden dafür knapp 25.000 Unterschriften. Doch der Plan könnte sich schnell zerschlagen: Die Stadt Köln teilte mit, Bürgerbegehren seien nicht zulässig bei Angelegenheiten im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens — und um ein solches Verfahren handle es sich beim Ausbau der Ost-West-Achse.
Die Linke prüft derweil juristische Schritte gegen den Ratsbeschluss. Eine so tiefgreifende Planungsänderung — unter anderem der Wegfall der unterirdischen Linie 9 (siehe Info-Kasten) — hätte vorab in den Bezirksvertretungen diskutiert werden müssen, so Michael Weisenstein. Zudem liege keine vollständige Nutzen-Kosten-Analyse für die oberirdische Lösung vor. »Die Ratsmitglieder hatten keine gleichwertigen Informationen«, so Weisenstein.
Bevor der erste Spatenstich für den Tunnel erfolgt, stehen noch viele weitere Planungs- und Baubeschlüsse im Rat an. Die Frage ist, ob CDU, SPD und FDP dann jedes Mal hoffen müssen, dass genügend Ratsmitglieder aus den Reihen der Tunnelgegner abwesend sind. Und auf wie viel Sitze im Rat sie bei der Kommunalwahl im September überhaupt noch kommen.
Das hat der Rat entschieden:
Oben oder unten? Weil die Bündnispartner CDU und Grünen sich nicht einigen konnten, beauftragten sie die Verwaltung 2018, beide Varianten zu planen, die Ergebnisse liegen seit Mai 2024 vor. Doch der Rat vertagte einen Beschluss immer wieder, auch weil sich keine Mehrheit abzeichnete — und weil mit dem kurzen Tunnel zwischen Heumarkt und Moltkestraße keiner so richtig zufrieden war. Ende 2024 präsentierten CDU, SPD und FDP Pläne, die weit über die der Verwaltung hinausgingen: einen Tunnel von Deutz unter dem Rhein hindurch bis nach Melaten, plus Abzweig nach Lindenthal, dazu ein System von Metrolinien bis ins Umland.
Weil aber am 31. Juli die Frist abläuft, um wichtige Fördergelder für den Ausbau zu beantragen, und die großen Tunnel- und Metropläne bis dahin nicht annähernd geplant werden können, kehrte das Tunnelbündnis zurück zum kurzen Tunnel, jedoch ohne Abzweig unter dem Mauritiusviertel. Die Linie 9 soll weiter oberirdisch fahren. Der lange Tunnel unter dem Rhein sowie die Metrolinien sind nur Prüfaufträge an die Verwaltung. Ob sie überhaupt förderfähig sind und wann sie geplant werden sollen, ist völlig offen.