»Nicht alle wollen Fußball spielen«
Seit mehr als zehn Jahren tanzen die Mitglieder des Vereins Swingin’ Pool Cologne und der Tanzschule Tango 8 in der Südstadt. Das Vereinsgelände liegt in einem ehemaligen Gewerbegebiet zwischen Vorgebirgsglacisweg und Bahndamm. Lange glaubte die Vorsitzende Ella Brauer, dort bleiben zu können. Dabei liegt das Areal in der »Parkstadt Süd«, Kölns größtem Stadtentwicklungsprojekt. »Als wir uns die Ratsvorlage zum Sporthof angeschaut hatten, dachten wir: Das sieht richtig toll und vernünftig aus«, sagt Brauer. Ende vergangenen Jahres empfahl die Verwaltung für die Fläche, auf der der Tanzverein zu Hause ist, eben jenen »Sporthof«. In der Variante gibt es einen Jugendtreff, Flächen für Urban Sports und Fitness. Die Tanzschule könnte bleiben.
Dem gegenüber steht das »Sportfeld«, auf dem vor allem ein großer Fußballplatz entstehen soll. Laut Beschlussvorlage widerspricht die Variante jedoch »massiv dem offenen und durchlässigen Charakter«, den der Innere Grüngürtel bekommen soll. Zudem schränke das Großspielfeld für »Vereins-, Schul- und insbesondere den Universitätssport« eine öffentliche individuelle Nutzung ein. »Wir waren uns sicher«, sagt Tanzsportlerin Brauer, »dass die Politik für die sinnvolle Variante stimmt.«
Doch sicher kann sich der Tanzverein nicht mehr sein. Denn der größte Sportverein vor Ort bekundet Interesse an der Fläche. Im Mai formulierte Fortuna Köln in einer Stellungnahme »dringenden Bedarf für einen vierten Fußballplatz im Jean-Löring-Sportpark«. Der Fußballverein meint den Kunstrasenplatz in der Variante Sportfeld. Zwar wird der Jean-Löring-Park derzeit für 100 Mio. Euro ebenfalls neu gestaltet, die Fortuna bekommt bis 2032 unter anderem drei neue Kunstrasenplätze. Dennoch »seien die Kapazitäten bereits heute ausgelastet — ein weiteres Wachstum ist ohne eine zusätzliche Spielfläche nicht möglich«.
Eine Mehrheit in der Politik schien dem zu folgen, unter anderem CDU, SPD und FDP bevorzugten die Variante »Sportfeld«. Doch als im Mai im Stadtrat abgestimmt werden sollte, meldeten die Grünen, die den »Sporthof« bevorzugen, Beratungsbedarf an. Sie hofften auf neue Mehrheiten nach der Kommunalwahl.
Wir waren uns sicher, dass die Politik für die sinnvolle Nutzungsvariante stimmtElla Bauer
Nun wird wohl erst im Frühjahr neu beraten. Die Debatte aber hält an. Der Tanzsportverein möchte das Sportfeld verhindern — und dass er selbst gehen muss. Tanzsportlerin Ella Brauer sieht im Sporthof den »qualitativ besseren Entwurf, der endlich mal Platz für viele verschiedene Sportarten macht«, sagt sie.
»Natürlich wollen viele Menschen Fußball spielen, aber nicht alle.« Sie finde auch wichtig, dass die Fläche für alle zugänglich sei. Die Ansprüche der Fortuna irritieren sie, sagt Brauer. Den Entwurf »Sportfeld« habe es überhaupt nur gegeben, weil der Universität zu Köln Sportstätten am Zülpicher Wall verlorengehen, unter anderem ein Fußballfeld. Vereine und Schulen sollten die Fläche mitnutzen. »Daraus wird jetzt: Fortuna Köln kriegt einen vierten Kunstrasenplatz«, so Brauer.
Sie verweist darauf, dass erst vor zwei Jahren mit der Fortuna eine Bedarfsanalyse für den Jean-Löring-Park erstellt worden sei — Grundlage für den Ausbau. Dass die Kapazitätssteigerung nun nicht mehr ausreiche, bezweifelt Brauer. Denn die Analyse habe auch zukünftige Bedarfe ermittelt. »Es gibt keine Unterlagen, die den Bedarf der Fortuna begründen.«, Die Fortuna argumentiert mit dem Zuzug von bis zu 20.000 Menschen in die umliegenden neuen Quartiere und der gestiegenen Nachfrage von Mädchen und Frauen. »Der Bedarf ist nicht nur da — er ist akut«, sagt Fortuna-Präsident Hanns-Jörg Westendorf. Doch Brauer betont auch: »Die Geschichte ist nicht: Der kleine Tanzverein will sein Vereinsheim vor dem großen Fußballverein retten.« Das Thema gehe alle an. Es handele sich um eine öffentliche Fläche und um 16 oder 18 Mio. Euro öffentliche Gelder.
»Auf der einen Seite macht die Fortuna eine unglaubliche Arbeit gerade mit Kindern und Jugendlichen und hat dafür im Moment keine guten Bedingungen«, sagt SPD-Politiker Oliver Seeck, Vorsitzender des Sportausschusses des Stadtrats. »Auf der anderen Seite hat der Tanzsportverein das berechtigte Interesse, am Ort zu bleiben.« Die SPD habe sich für die Fortuna entschieden. Doch Seeck kann sich vorstellen, einen Kompromiss zu suchen: »Man müsste ein wenig Tetris spielen, aber vielleicht wäre eine solche Hybrid-Lösung planerisch möglich.«